Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.April.die Wahl. Wie allgemein und unwiderstehlich unter diesem Volke das Ver- langen nach rothen Federn seyn mußte; davon erlebten wir heut einen sehr über- zeugenden Beweis. Ich habe im ersten Theile dieser Reise schon angemerkt, daß die Weiber der Vornehmen nie Besuch von Europäern annahmen; und daß, bey aller Freyheit die den unverheiratheten Mädchen gestattet wurde, die Ver- heiratheten dennoch sich immer rein und unbefleckt erhielten. Allein die Begierde nach rothen Federn warf auch diesen Unterschied übern Haufen. Ein Befehls- haber ließ sich durch sie verleiten, dem Capitain Cook seine Frau anzubieten, und die Dame wandte auf ihres Mannes Geheiß, alles mögliche an, um den Capitain in Versuchung zu führen. Sie wußte ihre Reize unvermerkt so künst- lich sichtbar und geltend zu machen, daß manche europäische Dame von Stande sie darinn nicht hätte übertreffen können. Es that mir für die Ehre der Menschheit leid, daß ich einen solchen Antrag von einem Manne hören mußte, dessen Character sich sonst in allen Stücken so untadelhaft gezeigt hatte. Pota- tau war es, der sich von seiner gewöhnlichen Höhe so sehr erniedrigen konnte. Wir verwiesen ihm seine Schwachheit, und bezeugten unsern Unwillen darüber. Es war für ein Glück anzusehen, daß die Matrosen schon eine große Menge ro- ther Federn auf den Marquesas gegen andre Merkwürdigkeiten vertauscht hat- ten, ehe sie wußten, in wie hohem Werthe dieselben auf Tahiti ständen; denn, wären alle diese Reichthümer auf einmal hiehergekommen, so würden die Lebens- mittel ohne Zweifel so hoch im Preise gestiegen seyn, daß wir diesmal vielleicht übler, als bey unserm ersten Aufenthalt daran gewesen wären. Die kleinste Fe- der ward weit höher geachtet, als eine Coralle oder als ein Nagel; und ein Stückchen Zeug mit solchen Federn bedeckt, erregte bey demjenigen, der es em- pfing, ein solches Entzücken, als ein Europäer vielleicht kaum empfinden dürfte, wenn er unverhofter Weise den Diamanten des großen Mogols fände. Potatau brachte seinen großen, 5 Fus hohen Kriegeshelm an Bord und verkaufte ihn -- für rothe Federn. Andre folgten seinem Beyspiel und Brustschilder ohne Zahl wurden von den Matrosen eingehandelt. Noch mehr zu verwundern war es, daß die Einwohner sogar die sonderbaren Trauerkleider zum Verkauf brachten, deren in Capitain Cooks ersten Reise gedacht worden, *) und welche man damals um *) S. Hawkesworth Sammlung Theil II. Seite 144. 145 und 233. nebst der Figur auf
dem Kupfer Nro. 32. Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.April.die Wahl. Wie allgemein und unwiderſtehlich unter dieſem Volke das Ver- langen nach rothen Federn ſeyn mußte; davon erlebten wir heut einen ſehr uͤber- zeugenden Beweis. Ich habe im erſten Theile dieſer Reiſe ſchon angemerkt, daß die Weiber der Vornehmen nie Beſuch von Europaͤern annahmen; und daß, bey aller Freyheit die den unverheiratheten Maͤdchen geſtattet wurde, die Ver- heiratheten dennoch ſich immer rein und unbefleckt erhielten. Allein die Begierde nach rothen Federn warf auch dieſen Unterſchied uͤbern Haufen. Ein Befehls- haber ließ ſich durch ſie verleiten, dem Capitain Cook ſeine Frau anzubieten, und die Dame wandte auf ihres Mannes Geheiß, alles moͤgliche an, um den Capitain in Verſuchung zu fuͤhren. Sie wußte ihre Reize unvermerkt ſo kuͤnſt- lich ſichtbar und geltend zu machen, daß manche europaͤiſche Dame von Stande ſie darinn nicht haͤtte uͤbertreffen koͤnnen. Es that mir fuͤr die Ehre der Menſchheit leid, daß ich einen ſolchen Antrag von einem Manne hoͤren mußte, deſſen Character ſich ſonſt in allen Stuͤcken ſo untadelhaft gezeigt hatte. Pota- tau war es, der ſich von ſeiner gewoͤhnlichen Hoͤhe ſo ſehr erniedrigen konnte. Wir verwieſen ihm ſeine Schwachheit, und bezeugten unſern Unwillen daruͤber. Es war fuͤr ein Gluͤck anzuſehen, daß die Matroſen ſchon eine große Menge ro- ther Federn auf den Marqueſas gegen andre Merkwuͤrdigkeiten vertauſcht hat- ten, ehe ſie wußten, in wie hohem Werthe dieſelben auf Tahiti ſtaͤnden; denn, waͤren alle dieſe Reichthuͤmer auf einmal hiehergekommen, ſo wuͤrden die Lebens- mittel ohne Zweifel ſo hoch im Preiſe geſtiegen ſeyn, daß wir diesmal vielleicht uͤbler, als bey unſerm erſten Aufenthalt daran geweſen waͤren. Die kleinſte Fe- der ward weit hoͤher geachtet, als eine Coralle oder als ein Nagel; und ein Stuͤckchen Zeug mit ſolchen Federn bedeckt, erregte bey demjenigen, der es em- pfing, ein ſolches Entzuͤcken, als ein Europaͤer vielleicht kaum empfinden duͤrfte, wenn er unverhofter Weiſe den Diamanten des großen Mogols faͤnde. Potatau brachte ſeinen großen, 5 Fus hohen Kriegeshelm an Bord und verkaufte ihn — fuͤr rothe Federn. Andre folgten ſeinem Beyſpiel und Bruſtſchilder ohne Zahl wurden von den Matroſen eingehandelt. Noch mehr zu verwundern war es, daß die Einwohner ſogar die ſonderbaren Trauerkleider zum Verkauf brachten, deren in Capitain Cooks erſten Reiſe gedacht worden, *) und welche man damals um *) S. Hawkesworth Sammlung Theil II. Seite 144. 145 und 233. nebſt der Figur auf
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Forſter’s Reiſe um die Welt
die Wahl. Wie allgemein und unwiderſtehlich unter dieſem Volke das Ver-
langen nach rothen Federn ſeyn mußte; davon erlebten wir heut einen ſehr uͤber-
zeugenden Beweis. Ich habe im erſten Theile dieſer Reiſe ſchon angemerkt,
daß die Weiber der Vornehmen nie Beſuch von Europaͤern annahmen; und daß,
bey aller Freyheit die den unverheiratheten Maͤdchen geſtattet wurde, die Ver-
heiratheten dennoch ſich immer rein und unbefleckt erhielten. Allein die Begierde
nach rothen Federn warf auch dieſen Unterſchied uͤbern Haufen. Ein Befehls-
haber ließ ſich durch ſie verleiten, dem Capitain Cook ſeine Frau anzubieten,
und die Dame wandte auf ihres Mannes Geheiß, alles moͤgliche an, um den
Capitain in Verſuchung zu fuͤhren. Sie wußte ihre Reize unvermerkt ſo kuͤnſt-
lich ſichtbar und geltend zu machen, daß manche europaͤiſche Dame von Stande
ſie darinn nicht haͤtte uͤbertreffen koͤnnen. Es that mir fuͤr die Ehre der
Menſchheit leid, daß ich einen ſolchen Antrag von einem Manne hoͤren mußte,
deſſen Character ſich ſonſt in allen Stuͤcken ſo untadelhaft gezeigt hatte. Pota-
tau war es, der ſich von ſeiner gewoͤhnlichen Hoͤhe ſo ſehr erniedrigen konnte.
Wir verwieſen ihm ſeine Schwachheit, und bezeugten unſern Unwillen daruͤber.
Es war fuͤr ein Gluͤck anzuſehen, daß die Matroſen ſchon eine große Menge ro-
ther Federn auf den Marqueſas gegen andre Merkwuͤrdigkeiten vertauſcht hat-
ten, ehe ſie wußten, in wie hohem Werthe dieſelben auf Tahiti ſtaͤnden; denn,
waͤren alle dieſe Reichthuͤmer auf einmal hiehergekommen, ſo wuͤrden die Lebens-
mittel ohne Zweifel ſo hoch im Preiſe geſtiegen ſeyn, daß wir diesmal vielleicht
uͤbler, als bey unſerm erſten Aufenthalt daran geweſen waͤren. Die kleinſte Fe-
der ward weit hoͤher geachtet, als eine Coralle oder als ein Nagel; und ein
Stuͤckchen Zeug mit ſolchen Federn bedeckt, erregte bey demjenigen, der es em-
pfing, ein ſolches Entzuͤcken, als ein Europaͤer vielleicht kaum empfinden duͤrfte,
wenn er unverhofter Weiſe den Diamanten des großen Mogols faͤnde. Potatau
brachte ſeinen großen, 5 Fus hohen Kriegeshelm an Bord und verkaufte ihn —
fuͤr rothe Federn. Andre folgten ſeinem Beyſpiel und Bruſtſchilder ohne Zahl
wurden von den Matroſen eingehandelt. Noch mehr zu verwundern war es, daß
die Einwohner ſogar die ſonderbaren Trauerkleider zum Verkauf brachten, deren
in Capitain Cooks erſten Reiſe gedacht worden, *) und welche man damals um
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