gern nicht anvertrauen dürfe. Von dem, was die Seele wund riß, schweigt die kluge Vorsicht ganz. Hier soll der Schaden allein belehren. Warum das? Was hat man denn am Ende davon, wenn sich das Gefühl in willkührlichen Täuschungen zersplittert, die Fähigkeit des Fühlens nie in ihrer gan- zen Fülle hervortritt, sie in tauben Blüthen vertrocknet, und zuletzt auch der Glaube daran verloren geht? --
Jch sage absichtlich: willkührliche Täuschungen. Denn es ist nicht jugend- liche Wärme, die unbewacht hinströmt, an sich zieht, es geschehen läßt, daß sich Herzen finden. Es ist ein künstliches Bedürfniß für künstliche Zustände was Freundschaften der Art knüpft. Sich selbst herausheben, von sich reden, interessant erscheinen, Einge- bildetes noch fester einbilden, es durch einen fremden Mund bestätigen lassen, das will man! Daher jenes häufige Erkalten gegen die nächsten und befreundesten Menschen, ge- gen Geschwister und liebe Verwandte. Aus ihrer einfachen Zärtlichkeit läßt sich nichts
*
gern nicht anvertrauen duͤrfe. Von dem, was die Seele wund riß, ſchweigt die kluge Vorſicht ganz. Hier ſoll der Schaden allein belehren. Warum das? Was hat man denn am Ende davon, wenn ſich das Gefuͤhl in willkuͤhrlichen Taͤuſchungen zerſplittert, die Faͤhigkeit des Fuͤhlens nie in ihrer gan- zen Fuͤlle hervortritt, ſie in tauben Bluͤthen vertrocknet, und zuletzt auch der Glaube daran verloren geht? —
Jch ſage abſichtlich: willkuͤhrliche Taͤuſchungen. Denn es iſt nicht jugend- liche Waͤrme, die unbewacht hinſtroͤmt, an ſich zieht, es geſchehen laͤßt, daß ſich Herzen finden. Es iſt ein kuͤnſtliches Beduͤrfniß fuͤr kuͤnſtliche Zuſtaͤnde was Freundſchaften der Art knuͤpft. Sich ſelbſt herausheben, von ſich reden, intereſſant erſcheinen, Einge- bildetes noch feſter einbilden, es durch einen fremden Mund beſtaͤtigen laſſen, das will man! Daher jenes haͤufige Erkalten gegen die naͤchſten und befreundeſten Menſchen, ge- gen Geſchwiſter und liebe Verwandte. Aus ihrer einfachen Zaͤrtlichkeit laͤßt ſich nichts
*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0151"n="147"/>
gern nicht anvertrauen duͤrfe. Von dem,<lb/>
was die Seele wund riß, ſchweigt die kluge<lb/>
Vorſicht ganz. Hier ſoll der Schaden allein<lb/>
belehren. Warum das? Was hat man denn<lb/>
am Ende davon, wenn ſich das Gefuͤhl in<lb/><hirendition="#g">willkuͤhrlichen</hi> Taͤuſchungen zerſplittert,<lb/>
die Faͤhigkeit des Fuͤhlens nie in ihrer gan-<lb/>
zen Fuͤlle hervortritt, ſie in tauben Bluͤthen<lb/>
vertrocknet, und zuletzt auch der Glaube<lb/>
daran verloren geht? —</p><lb/><p>Jch ſage abſichtlich: <hirendition="#g">willkuͤhrliche<lb/>
Taͤuſchungen</hi>. Denn es iſt nicht jugend-<lb/>
liche Waͤrme, die unbewacht hinſtroͤmt, an<lb/>ſich zieht, es <hirendition="#g">geſchehen laͤßt</hi>, daß ſich<lb/>
Herzen finden. Es iſt ein kuͤnſtliches Beduͤrfniß<lb/>
fuͤr kuͤnſtliche Zuſtaͤnde was Freundſchaften<lb/>
der Art knuͤpft. Sich ſelbſt herausheben,<lb/>
von ſich reden, intereſſant erſcheinen, Einge-<lb/>
bildetes noch feſter einbilden, es durch einen<lb/>
fremden Mund beſtaͤtigen laſſen, das will<lb/>
man! Daher jenes haͤufige Erkalten gegen<lb/>
die naͤchſten und befreundeſten Menſchen, ge-<lb/>
gen Geſchwiſter und liebe Verwandte. Aus<lb/>
ihrer einfachen Zaͤrtlichkeit laͤßt ſich nichts<lb/><fwplace="bottom"type="sig">*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[147/0151]
gern nicht anvertrauen duͤrfe. Von dem,
was die Seele wund riß, ſchweigt die kluge
Vorſicht ganz. Hier ſoll der Schaden allein
belehren. Warum das? Was hat man denn
am Ende davon, wenn ſich das Gefuͤhl in
willkuͤhrlichen Taͤuſchungen zerſplittert,
die Faͤhigkeit des Fuͤhlens nie in ihrer gan-
zen Fuͤlle hervortritt, ſie in tauben Bluͤthen
vertrocknet, und zuletzt auch der Glaube
daran verloren geht? —
Jch ſage abſichtlich: willkuͤhrliche
Taͤuſchungen. Denn es iſt nicht jugend-
liche Waͤrme, die unbewacht hinſtroͤmt, an
ſich zieht, es geſchehen laͤßt, daß ſich
Herzen finden. Es iſt ein kuͤnſtliches Beduͤrfniß
fuͤr kuͤnſtliche Zuſtaͤnde was Freundſchaften
der Art knuͤpft. Sich ſelbſt herausheben,
von ſich reden, intereſſant erſcheinen, Einge-
bildetes noch feſter einbilden, es durch einen
fremden Mund beſtaͤtigen laſſen, das will
man! Daher jenes haͤufige Erkalten gegen
die naͤchſten und befreundeſten Menſchen, ge-
gen Geſchwiſter und liebe Verwandte. Aus
ihrer einfachen Zaͤrtlichkeit laͤßt ſich nichts
*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/151>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.