wachens, es ist ein melancholischer Seufzer, der oft in träges Gähnen ausartet, was von dem Familienheerde in die Welt dringt.
Wäre diese Liebe ächter Art, wäre sie das rein Menschliche, dem Gott sich einver- leibt, dem er die höchste Weihe in der Per- son des Sohnes gegeben hat, sie trennte nicht, sie umfaßte, verbände die Gesellschaft. Weshalb stehen denn die Familienkreise ne- beneinander, ohne sich gemeinsam zu ver- mischen? Weshalb erstreckt sich dieselbe Em- pfindung, die Menschen naturgemäß anein- anderknüpft, nicht über die leibliche Schran- ken hinaus? Jst ihr Wesen nicht vor allem Andern Liebe? und fügt sich diese den ir- dischen Bedingungen, oder beherrscht sie solche durch den geheimnißvollen Zug der Sympathie, der jedem ausgesprochenen Ver- hältnisse vorausgehen muß?
Weit entfernt, dem höchsten Glücke, das die Erde bietet, zu nahe zu treten, den Quell zu trüben, dem alle Gestaltungen des Lebens entsteigen, die süße, beseeligende Familienliebe herabzuziehen, will ich nur keine Götzen an
wachens, es iſt ein melancholiſcher Seufzer, der oft in traͤges Gaͤhnen ausartet, was von dem Familienheerde in die Welt dringt.
Waͤre dieſe Liebe aͤchter Art, waͤre ſie das rein Menſchliche, dem Gott ſich einver- leibt, dem er die hoͤchſte Weihe in der Per- ſon des Sohnes gegeben hat, ſie trennte nicht, ſie umfaßte, verbaͤnde die Geſellſchaft. Weshalb ſtehen denn die Familienkreiſe ne- beneinander, ohne ſich gemeinſam zu ver- miſchen? Weshalb erſtreckt ſich dieſelbe Em- pfindung, die Menſchen naturgemaͤß anein- anderknuͤpft, nicht uͤber die leibliche Schran- ken hinaus? Jſt ihr Weſen nicht vor allem Andern Liebe? und fuͤgt ſich dieſe den ir- diſchen Bedingungen, oder beherrſcht ſie ſolche durch den geheimnißvollen Zug der Sympathie, der jedem ausgeſprochenen Ver- haͤltniſſe vorausgehen muß?
Weit entfernt, dem hoͤchſten Gluͤcke, das die Erde bietet, zu nahe zu treten, den Quell zu truͤben, dem alle Geſtaltungen des Lebens entſteigen, die ſuͤße, beſeeligende Familienliebe herabzuziehen, will ich nur keine Goͤtzen an
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wachens, es iſt ein melancholiſcher Seufzer,
der oft in traͤges Gaͤhnen ausartet, was
von dem Familienheerde in die Welt dringt.
Waͤre dieſe Liebe aͤchter Art, waͤre ſie
das rein Menſchliche, dem Gott ſich einver-
leibt, dem er die hoͤchſte Weihe in der Per-
ſon des Sohnes gegeben hat, ſie trennte
nicht, ſie umfaßte, verbaͤnde die Geſellſchaft.
Weshalb ſtehen denn die Familienkreiſe ne-
beneinander, ohne ſich gemeinſam zu ver-
miſchen? Weshalb erſtreckt ſich dieſelbe Em-
pfindung, die Menſchen naturgemaͤß anein-
anderknuͤpft, nicht uͤber die leibliche Schran-
ken hinaus? Jſt ihr Weſen nicht vor allem
Andern Liebe? und fuͤgt ſich dieſe den ir-
diſchen Bedingungen, oder beherrſcht ſie
ſolche durch den geheimnißvollen Zug der
Sympathie, der jedem ausgeſprochenen Ver-
haͤltniſſe vorausgehen muß?
Weit entfernt, dem hoͤchſten Gluͤcke, das
die Erde bietet, zu nahe zu treten, den Quell
zu truͤben, dem alle Geſtaltungen des Lebens
entſteigen, die ſuͤße, beſeeligende Familienliebe
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Fouqué, Caroline de La Motte-: Die Frauen in der großen Welt. Berlin, 1826, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_frauen_1826/208>, abgerufen am 16.07.2024.
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