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Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.

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ein Stich ins Herz. Er vermied jeglichen, so gut sichs thun ließ. Die Baronin häkelte sich an alles an, was ihr die Vergangenheit zurückrief, und bauete sich aus jedem morschen Bruchstück auch ein Stückchen alte Welt zusammen, sie wußte recht gut, was es damit zu bedeuten habe, aber es sah doch so aus, wie sonst, und war hübsch und bestechlich. Das Neue, pflegte sie wohl zu sagen, muß erst aus mir herauswachsen, und ich hinein altern. Jetzt ist es noch so unbequem!

Unter denen, welche ihr aus den ehemaligen Kreisen am meisten zusagten, war der Chevalier Cerane. Er hatte viel gereist, viel gesehen, viel erfahren, war von schneller Umsicht, großer Gewandheit, leicht, und überall, zu Hause, trug einen Abriß jeglicher Wissenschaft und Kunst in sich, und behauptete in jedem Augenblick ein freundlich, harmlos Gemüth. Man sah ihn fast immer in Gesellschaft zweier Damen, von denen die Präsidentin als die ältere, Wittwe; Viktorine, ihre Nichte, aber noch verheirathet war. Ohne einer von beiden mit besonderer Neigung zugethan zu sein, war er durch Gewohnheit an sie gefesselt. Vertrauet mit ihrem Ideengange, ihrer Vorliebe für diese oder jene Lebensansicht, eingepaßt in Takt und Maaß ihrer Gesprächsformeln, wußte er stets, wo er einzugreifen, wie weit er zu gehn habe.

ein Stich ins Herz. Er vermied jeglichen, so gut sichs thun ließ. Die Baronin häkelte sich an alles an, was ihr die Vergangenheit zurückrief, und bauete sich aus jedem morschen Bruchstück auch ein Stückchen alte Welt zusammen, sie wußte recht gut, was es damit zu bedeuten habe, aber es sah doch so aus, wie sonst, und war hübsch und bestechlich. Das Neue, pflegte sie wohl zu sagen, muß erst aus mir herauswachsen, und ich hinein altern. Jetzt ist es noch so unbequem!

Unter denen, welche ihr aus den ehemaligen Kreisen am meisten zusagten, war der Chevalier Cerane. Er hatte viel gereist, viel gesehen, viel erfahren, war von schneller Umsicht, großer Gewandheit, leicht, und überall, zu Hause, trug einen Abriß jeglicher Wissenschaft und Kunst in sich, und behauptete in jedem Augenblick ein freundlich, harmlos Gemüth. Man sah ihn fast immer in Gesellschaft zweier Damen, von denen die Präsidentin als die ältere, Wittwe; Viktorine, ihre Nichte, aber noch verheirathet war. Ohne einer von beiden mit besonderer Neigung zugethan zu sein, war er durch Gewohnheit an sie gefesselt. Vertrauet mit ihrem Ideengange, ihrer Vorliebe für diese oder jene Lebensansicht, eingepaßt in Takt und Maaß ihrer Gesprächsformeln, wußte er stets, wo er einzugreifen, wie weit er zu gehn habe.

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[144/0151] ein Stich ins Herz. Er vermied jeglichen, so gut sichs thun ließ. Die Baronin häkelte sich an alles an, was ihr die Vergangenheit zurückrief, und bauete sich aus jedem morschen Bruchstück auch ein Stückchen alte Welt zusammen, sie wußte recht gut, was es damit zu bedeuten habe, aber es sah doch so aus, wie sonst, und war hübsch und bestechlich. Das Neue, pflegte sie wohl zu sagen, muß erst aus mir herauswachsen, und ich hinein altern. Jetzt ist es noch so unbequem! Unter denen, welche ihr aus den ehemaligen Kreisen am meisten zusagten, war der Chevalier Cerane. Er hatte viel gereist, viel gesehen, viel erfahren, war von schneller Umsicht, großer Gewandheit, leicht, und überall, zu Hause, trug einen Abriß jeglicher Wissenschaft und Kunst in sich, und behauptete in jedem Augenblick ein freundlich, harmlos Gemüth. Man sah ihn fast immer in Gesellschaft zweier Damen, von denen die Präsidentin als die ältere, Wittwe; Viktorine, ihre Nichte, aber noch verheirathet war. Ohne einer von beiden mit besonderer Neigung zugethan zu sein, war er durch Gewohnheit an sie gefesselt. Vertrauet mit ihrem Ideengange, ihrer Vorliebe für diese oder jene Lebensansicht, eingepaßt in Takt und Maaß ihrer Gesprächsformeln, wußte er stets, wo er einzugreifen, wie weit er zu gehn habe.

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  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/151>, abgerufen am 21.11.2024.