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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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ohne Widerspruch reisen, wohinaus Du willst. --
Nicht ohne Dich, Undinchen, entgegnete der la-
chende Ritter; denke doch, wenn ich auch Lust
hätte, auszureisen, so müßte ja Kirche und Geist-
lichkeit und Kaiser und Reich drein schlagen,
und Dir den Flüchtling wiederbringen. --
Kommt Alles auf Dich an, kommt Alles auf
Dich an; flüsterte die Kleine, halb weinend halb
lächelnd. Ich denke aber doch, Du wirst mich
wohl behalten; ich bin Dir ja gar zu innig
gut. Trage mich nun hinüber auf die kleine
Insel, die vor uns liegt. Da soll sich's ent-
scheiden. Ich könnte wohl leichtlich selbst durch
die Wellchen schlüpfen, aber in Deinen Armen
ruht sich's so gut, und verstößest Du mich, so
hab' ich doch noch zum letztenmale anmuthig
darin geruht. -- Huldbrand, voll von einer
seltsamen Bangigkeit und Rührung, wußte ihr
nichts zu erwiedern. Er nahm sie in seine Arme,
und trug sie hinüber, sich nun erst besinnend,
daß es dieselbe kleine Insel war, von wo er
sie in jener ersten Nacht dem alten Fischer zu-

ohne Widerſpruch reiſen, wohinaus Du willſt. —
Nicht ohne Dich, Undinchen, entgegnete der la-
chende Ritter; denke doch, wenn ich auch Luſt
haͤtte, auszureiſen, ſo muͤßte ja Kirche und Geiſt-
lichkeit und Kaiſer und Reich drein ſchlagen,
und Dir den Fluͤchtling wiederbringen. —
Kommt Alles auf Dich an, kommt Alles auf
Dich an; fluͤſterte die Kleine, halb weinend halb
laͤchelnd. Ich denke aber doch, Du wirſt mich
wohl behalten; ich bin Dir ja gar zu innig
gut. Trage mich nun hinuͤber auf die kleine
Inſel, die vor uns liegt. Da ſoll ſich’s ent-
ſcheiden. Ich koͤnnte wohl leichtlich ſelbſt durch
die Wellchen ſchluͤpfen, aber in Deinen Armen
ruht ſich’s ſo gut, und verſtoͤßeſt Du mich, ſo
hab’ ich doch noch zum letztenmale anmuthig
darin geruht. — Huldbrand, voll von einer
ſeltſamen Bangigkeit und Ruͤhrung, wußte ihr
nichts zu erwiedern. Er nahm ſie in ſeine Arme,
und trug ſie hinuͤber, ſich nun erſt beſinnend,
daß es dieſelbe kleine Inſel war, von wo er
ſie in jener erſten Nacht dem alten Fiſcher zu-

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[82/0096] ohne Widerſpruch reiſen, wohinaus Du willſt. — Nicht ohne Dich, Undinchen, entgegnete der la- chende Ritter; denke doch, wenn ich auch Luſt haͤtte, auszureiſen, ſo muͤßte ja Kirche und Geiſt- lichkeit und Kaiſer und Reich drein ſchlagen, und Dir den Fluͤchtling wiederbringen. — Kommt Alles auf Dich an, kommt Alles auf Dich an; fluͤſterte die Kleine, halb weinend halb laͤchelnd. Ich denke aber doch, Du wirſt mich wohl behalten; ich bin Dir ja gar zu innig gut. Trage mich nun hinuͤber auf die kleine Inſel, die vor uns liegt. Da ſoll ſich’s ent- ſcheiden. Ich koͤnnte wohl leichtlich ſelbſt durch die Wellchen ſchluͤpfen, aber in Deinen Armen ruht ſich’s ſo gut, und verſtoͤßeſt Du mich, ſo hab’ ich doch noch zum letztenmale anmuthig darin geruht. — Huldbrand, voll von einer ſeltſamen Bangigkeit und Ruͤhrung, wußte ihr nichts zu erwiedern. Er nahm ſie in ſeine Arme, und trug ſie hinuͤber, ſich nun erſt beſinnend, daß es dieſelbe kleine Inſel war, von wo er ſie in jener erſten Nacht dem alten Fiſcher zu-

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/96>, abgerufen am 21.11.2024.