Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

rückgetragen hatte. Jenseits ließ er sie in das
weiche Gras nieder, und wollte sich schmeichelnd
neben seine schöne Bürde setzen; sie aber sagte:
nein dorthin, mir gegenüber. Ich will in Dei-
nen Augen lesen, noch ehe Deine Lippen spre-
chen: Höre nun recht achtsam zu, was ich Dir
erzählen will. Und sie begann.

Du sollst wissen, mein süßer Liebling, daß
es in den Elementen Wesen giebt, die fast aus-
sehen, wie Ihr, und sich doch nur selten vor
Euch blicken lassen. In den Flammen glitzern
und spielen die wunderlichen Salamander, in
der Erden tief hausen die dürren, tückischen Gno-
men, durch die Wälder streifen die Waldleute,
die der Luft angehören, und in den Seen und
Strömen und Bächen lebt der Wassergeister
ausgebreitetes Geschlecht. In klingenden Kry-
stallgewölben, durch die der Himmel mit Sonn'
und Sternen hereinsieht, wohnt sich's schön;
hohe Korallenbäume mit blau und rothen Früch-
ten leuchten in den Gärten; über reinlichen
Meeressand wandelt man, und über schöne,

F 2

ruͤckgetragen hatte. Jenſeits ließ er ſie in das
weiche Gras nieder, und wollte ſich ſchmeichelnd
neben ſeine ſchoͤne Buͤrde ſetzen; ſie aber ſagte:
nein dorthin, mir gegenuͤber. Ich will in Dei-
nen Augen leſen, noch ehe Deine Lippen ſpre-
chen: Hoͤre nun recht achtſam zu, was ich Dir
erzaͤhlen will. Und ſie begann.

Du ſollſt wiſſen, mein ſuͤßer Liebling, daß
es in den Elementen Weſen giebt, die faſt aus-
ſehen, wie Ihr, und ſich doch nur ſelten vor
Euch blicken laſſen. In den Flammen glitzern
und ſpielen die wunderlichen Salamander, in
der Erden tief hauſen die duͤrren, tuͤckiſchen Gno-
men, durch die Waͤlder ſtreifen die Waldleute,
die der Luft angehoͤren, und in den Seen und
Stroͤmen und Baͤchen lebt der Waſſergeiſter
ausgebreitetes Geſchlecht. In klingenden Kry-
ſtallgewoͤlben, durch die der Himmel mit Sonn’
und Sternen hereinſieht, wohnt ſich’s ſchoͤn;
hohe Korallenbaͤume mit blau und rothen Fruͤch-
ten leuchten in den Gaͤrten; uͤber reinlichen
Meeresſand wandelt man, und uͤber ſchoͤne,

F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="83"/>
ru&#x0364;ckgetragen hatte. Jen&#x017F;eits ließ er &#x017F;ie in das<lb/>
weiche Gras nieder, und wollte &#x017F;ich &#x017F;chmeichelnd<lb/>
neben &#x017F;eine &#x017F;cho&#x0364;ne Bu&#x0364;rde &#x017F;etzen; &#x017F;ie aber &#x017F;agte:<lb/>
nein dorthin, mir gegenu&#x0364;ber. Ich will in Dei-<lb/>
nen Augen le&#x017F;en, noch ehe Deine Lippen &#x017F;pre-<lb/>
chen: Ho&#x0364;re nun recht acht&#x017F;am zu, was ich Dir<lb/>
erza&#x0364;hlen will. Und &#x017F;ie begann.</p><lb/>
          <p>Du &#x017F;oll&#x017F;t wi&#x017F;&#x017F;en, mein &#x017F;u&#x0364;ßer Liebling, daß<lb/>
es in den Elementen We&#x017F;en giebt, die fa&#x017F;t aus-<lb/>
&#x017F;ehen, wie Ihr, und &#x017F;ich doch nur &#x017F;elten vor<lb/>
Euch blicken la&#x017F;&#x017F;en. In den Flammen glitzern<lb/>
und &#x017F;pielen die wunderlichen Salamander, in<lb/>
der Erden tief hau&#x017F;en die du&#x0364;rren, tu&#x0364;cki&#x017F;chen Gno-<lb/>
men, durch die Wa&#x0364;lder &#x017F;treifen die Waldleute,<lb/>
die der Luft angeho&#x0364;ren, und in den Seen und<lb/>
Stro&#x0364;men und Ba&#x0364;chen lebt der Wa&#x017F;&#x017F;ergei&#x017F;ter<lb/>
ausgebreitetes Ge&#x017F;chlecht. In klingenden Kry-<lb/>
&#x017F;tallgewo&#x0364;lben, durch die der Himmel mit Sonn&#x2019;<lb/>
und Sternen herein&#x017F;ieht, wohnt &#x017F;ich&#x2019;s &#x017F;cho&#x0364;n;<lb/>
hohe Korallenba&#x0364;ume mit blau und rothen Fru&#x0364;ch-<lb/>
ten leuchten in den Ga&#x0364;rten; u&#x0364;ber reinlichen<lb/>
Meeres&#x017F;and wandelt man, und u&#x0364;ber &#x017F;cho&#x0364;ne,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0097] ruͤckgetragen hatte. Jenſeits ließ er ſie in das weiche Gras nieder, und wollte ſich ſchmeichelnd neben ſeine ſchoͤne Buͤrde ſetzen; ſie aber ſagte: nein dorthin, mir gegenuͤber. Ich will in Dei- nen Augen leſen, noch ehe Deine Lippen ſpre- chen: Hoͤre nun recht achtſam zu, was ich Dir erzaͤhlen will. Und ſie begann. Du ſollſt wiſſen, mein ſuͤßer Liebling, daß es in den Elementen Weſen giebt, die faſt aus- ſehen, wie Ihr, und ſich doch nur ſelten vor Euch blicken laſſen. In den Flammen glitzern und ſpielen die wunderlichen Salamander, in der Erden tief hauſen die duͤrren, tuͤckiſchen Gno- men, durch die Waͤlder ſtreifen die Waldleute, die der Luft angehoͤren, und in den Seen und Stroͤmen und Baͤchen lebt der Waſſergeiſter ausgebreitetes Geſchlecht. In klingenden Kry- ſtallgewoͤlben, durch die der Himmel mit Sonn’ und Sternen hereinſieht, wohnt ſich’s ſchoͤn; hohe Korallenbaͤume mit blau und rothen Fruͤch- ten leuchten in den Gaͤrten; uͤber reinlichen Meeresſand wandelt man, und uͤber ſchoͤne, F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/97
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/97>, abgerufen am 21.11.2024.