Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.Der siebende Discurs/ Wie allesvon oben in das Untere fliesse.und unergründlichen Allmacht/ sich hat auf geschlossen. Denn GOtt/ der überschwenglich alles übertrifft/ GOtt das Liecht/ so alles Liecht in sich begreifft/ schaffet/ durch den Strahl seiner Majestät/ und Glantz seiner Herrlichkeit/ verstehe durch den Sohn/ das Englische Liecht: durch die Engel/ fleust Er in die Himmel; durch die Himmel/ in die Elementen; durch die Elementen/ in die Körper; aus welchen endlich die Früchte uns zu Gesichte kommen. An der kleinen Welt aber/ dem Menschen/ erken- net man gleichfalls/ daß die unteren Dinge/ in den öbern; die letzten/ in den Vorletzten; hernach wiederum diese/ in den noch ehe kommenden (An- tepenultimis) und so weiter immer eines in dem andren/ bis man zu dem Alleröbersten gelangt. Denn die fünff Sinnen sind in der Einbildung/ die Einbildung in der Vernunfft; die Vernunfft/ im Gemüt und Ver- stande; der Verstand/ und das Gemüt/ in GOtt; GOtt/ in ihm selbsten. Aus diesem/ wird man also unschwer begreiffen/ wie die Cabalisten Deßwegen verzweiglen die Cabalisten diesen Baum/ in mancherley aller
Der ſiebende Discurs/ Wie allesvon oben in das Untere flieſſe.und unergruͤndlichen Allmacht/ ſich hat auf geſchloſſen. Denn GOtt/ der uͤberſchwenglich alles uͤbertrifft/ GOtt das Liecht/ ſo alles Liecht in ſich begreifft/ ſchaffet/ durch den Strahl ſeiner Majeſtaͤt/ und Glantz ſeiner Herꝛlichkeit/ verſtehe durch den Sohn/ das Engliſche Liecht: durch die Engel/ fleuſt Er in die Himmel; durch die Himmel/ in die Elementen; durch die Elementen/ in die Koͤrper; aus welchen endlich die Fruͤchte uns zu Geſichte kommen. An der kleinen Welt aber/ dem Menſchen/ erken- net man gleichfalls/ daß die unteren Dinge/ in den oͤbern; die letzten/ in den Vorletzten; hernach wiederum dieſe/ in den noch ehe kommenden (An- tepenultimis) und ſo weiter immer eines in dem andren/ bis man zu dem Alleroͤberſten gelangt. Denn die fuͤnff Sinnen ſind in der Einbildung/ die Einbildung in der Vernunfft; die Vernunfft/ im Gemuͤt und Ver- ſtande; der Verſtand/ und das Gemuͤt/ in GOtt; GOtt/ in ihm ſelbſten. Aus dieſem/ wird man alſo unſchwer begreiffen/ wie die Cabaliſten Deßwegen verzweiglen die Cabaliſten dieſen Baum/ in mancherley aller
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0152" n="126"/><fw place="top" type="header">Der ſiebende Discurs/</fw><lb/><note place="left">Wie alles<lb/> von oben in<lb/> das Untere<lb/> flieſſe.</note>und unergruͤndlichen Allmacht/ ſich hat auf geſchloſſen. Denn GOtt/<lb/> der uͤberſchwenglich alles uͤbertrifft/ GOtt das Liecht/ ſo alles Liecht in ſich<lb/> begreifft/ ſchaffet/ durch den Strahl ſeiner Majeſtaͤt/ und Glantz ſeiner<lb/> Herꝛlichkeit/ verſtehe durch den Sohn/ das Engliſche Liecht: durch die<lb/> Engel/ fleuſt Er in die Himmel; durch die Himmel/ in die Elementen;<lb/> durch die Elementen/ in die Koͤrper; aus welchen endlich die Fruͤchte uns<lb/> zu Geſichte kommen. An der kleinen Welt aber/ dem Menſchen/ erken-<lb/> net man gleichfalls/ daß die unteren Dinge/ in den oͤbern; die letzten/ in<lb/> den Vorletzten; hernach wiederum dieſe/ in den noch ehe kommenden <hi rendition="#aq">(An-<lb/> tepenultimis)</hi> und ſo weiter immer eines in dem andren/ bis man zu dem<lb/> Alleroͤberſten gelangt. Denn die fuͤnff Sinnen ſind in der Einbildung/<lb/> die Einbildung in der Vernunfft; die Vernunfft/ im Gemuͤt und Ver-<lb/> ſtande; der Verſtand/ und das Gemuͤt/ in GOtt; GOtt/ in ihm<lb/> ſelbſten.</p><lb/> <p>Aus dieſem/ wird man alſo unſchwer begreiffen/ wie die Cabaliſten<lb/> dieſen ihren Sephirotiſchen Baum wollen gedeutet wiſſen. Und darum<lb/> bilden ſie denſelben/ ſolcher Geſtalt/ fuͤr/ daß die drey oͤberſte Kronen die<lb/> oͤberſte Stelle deß Baums einnehmen; die mittlere/ <hi rendition="#aq">Tiphereth,</hi> als gleich-<lb/> ſam der Stamm mit den vier Aeſten der Clementz/ Strengheit/ Victori/<lb/> und Ehre/ welche den Stamm gleichſam umgeben; die Wurtzel aber/ das<lb/> Regiment und die Grund-Feſte. Von den dreyen hoͤchſten Kronen<lb/> werden Samen-volle Fruͤchte dargereicht; in welchem Samen der gan-<lb/> tze Baum eingeſchloſſen ſteckt: das iſt/ alle Urſachen <hi rendition="#aq">(Rationes)</hi> der ſa-<lb/> mentlichen Dinge/ ſo in den dreyen hoͤchſten Sephiroth zuſammen gewi-<lb/> ckelt ſind/ werden in die Engel-Welt/ worauf die Sternen-Welt paralle-<lb/> liſcher Weiſe folget/ und zwar fuͤrnemlich in <hi rendition="#aq">Tiphereth</hi> allein/ als in das<lb/> Hertz der Welt/ und Marck deß Welt-Baums verſetzt; und ferner/<lb/> von dannen/ vermittelſt deß Fundaments <hi rendition="#aq">Ieſod,</hi> endlich von <hi rendition="#aq">Malcuth,</hi><lb/> der untermondlichen Welt/ eingeſammlet; und bringen alſo die jenige<lb/> Manchfaltigkeit der Dinge/ woruͤber wir uns verwundern muͤſſen/ herfuͤr.</p><lb/> <p>Deßwegen verzweiglen die Cabaliſten dieſen Baum/ in mancherley<lb/> Roͤhren/ welche von ihnen @ <hi rendition="#aq">Tſinoroth</hi> genannt werden: und ſtel-<lb/> len etliche ſolcher Roͤhren/ in gerader Lini; etliche aber in ſchraͤger: mit dem<lb/> Fuͤrgeben/ daß/ durch ſothane Roͤhren/ die Einfluͤſſe der Obern den Un-<lb/> tern werden mitgetheilt Derhalben wenn/ von dieſem Geheimniß-Baum<lb/> ein Zweig wird abgeſchnitten; ſo ſprechen ſie/ ſey kein Einfluß zu dem Un-<lb/> tern mehr vorhanden; ſondern die Pflantze abgehauen: wofern die ſie-<lb/> ben untere Aeſte oder Zweige werden abgeſchnitten; welches bey dem Fall<lb/> Adams geſchehen; ſo ſey der gantze Baum dem Fluch unterwuͤrffig/ ſey<lb/> <fw place="bottom" type="catch">aller</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0152]
Der ſiebende Discurs/
und unergruͤndlichen Allmacht/ ſich hat auf geſchloſſen. Denn GOtt/
der uͤberſchwenglich alles uͤbertrifft/ GOtt das Liecht/ ſo alles Liecht in ſich
begreifft/ ſchaffet/ durch den Strahl ſeiner Majeſtaͤt/ und Glantz ſeiner
Herꝛlichkeit/ verſtehe durch den Sohn/ das Engliſche Liecht: durch die
Engel/ fleuſt Er in die Himmel; durch die Himmel/ in die Elementen;
durch die Elementen/ in die Koͤrper; aus welchen endlich die Fruͤchte uns
zu Geſichte kommen. An der kleinen Welt aber/ dem Menſchen/ erken-
net man gleichfalls/ daß die unteren Dinge/ in den oͤbern; die letzten/ in
den Vorletzten; hernach wiederum dieſe/ in den noch ehe kommenden (An-
tepenultimis) und ſo weiter immer eines in dem andren/ bis man zu dem
Alleroͤberſten gelangt. Denn die fuͤnff Sinnen ſind in der Einbildung/
die Einbildung in der Vernunfft; die Vernunfft/ im Gemuͤt und Ver-
ſtande; der Verſtand/ und das Gemuͤt/ in GOtt; GOtt/ in ihm
ſelbſten.
Wie alles
von oben in
das Untere
flieſſe.
Aus dieſem/ wird man alſo unſchwer begreiffen/ wie die Cabaliſten
dieſen ihren Sephirotiſchen Baum wollen gedeutet wiſſen. Und darum
bilden ſie denſelben/ ſolcher Geſtalt/ fuͤr/ daß die drey oͤberſte Kronen die
oͤberſte Stelle deß Baums einnehmen; die mittlere/ Tiphereth, als gleich-
ſam der Stamm mit den vier Aeſten der Clementz/ Strengheit/ Victori/
und Ehre/ welche den Stamm gleichſam umgeben; die Wurtzel aber/ das
Regiment und die Grund-Feſte. Von den dreyen hoͤchſten Kronen
werden Samen-volle Fruͤchte dargereicht; in welchem Samen der gan-
tze Baum eingeſchloſſen ſteckt: das iſt/ alle Urſachen (Rationes) der ſa-
mentlichen Dinge/ ſo in den dreyen hoͤchſten Sephiroth zuſammen gewi-
ckelt ſind/ werden in die Engel-Welt/ worauf die Sternen-Welt paralle-
liſcher Weiſe folget/ und zwar fuͤrnemlich in Tiphereth allein/ als in das
Hertz der Welt/ und Marck deß Welt-Baums verſetzt; und ferner/
von dannen/ vermittelſt deß Fundaments Ieſod, endlich von Malcuth,
der untermondlichen Welt/ eingeſammlet; und bringen alſo die jenige
Manchfaltigkeit der Dinge/ woruͤber wir uns verwundern muͤſſen/ herfuͤr.
Deßwegen verzweiglen die Cabaliſten dieſen Baum/ in mancherley
Roͤhren/ welche von ihnen @ Tſinoroth genannt werden: und ſtel-
len etliche ſolcher Roͤhren/ in gerader Lini; etliche aber in ſchraͤger: mit dem
Fuͤrgeben/ daß/ durch ſothane Roͤhren/ die Einfluͤſſe der Obern den Un-
tern werden mitgetheilt Derhalben wenn/ von dieſem Geheimniß-Baum
ein Zweig wird abgeſchnitten; ſo ſprechen ſie/ ſey kein Einfluß zu dem Un-
tern mehr vorhanden; ſondern die Pflantze abgehauen: wofern die ſie-
ben untere Aeſte oder Zweige werden abgeſchnitten; welches bey dem Fall
Adams geſchehen; ſo ſey der gantze Baum dem Fluch unterwuͤrffig/ ſey
aller
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |