Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Sonnen.
der Mittags-Stunde/ von der Scheitel deß Orts/ in mittel-
mässiger Distantz stehet.

Frühling nennet man/ an diesem oder jenem Ort/ diejeni-
ge Zeit deß Jahrs/ die sich anhebt mit dem Tage/ wenn die von
der weitesten Distantz wieder herzukommende Sonne/ in der
Mittags-Stunde/ eine mittelmässige Distantz von dem Gipf-
fel deß Orts erreichet; aber mit demjenigen Tage beschlossen
wird/ da die Sonne/ in der Mittags-Stunde/ zum ersten/ die
kleineste und geringste Entlegenheit von dem Gipffel deß
Orts gewonnen hat.

Der Herbst eines Orts mag genennet werden die Jahrs-
Zeit/ welche anhebt/ an dem Tage/ da die Sonne/ in der Mit-
tags-Stunde/ eine mittelmässige Distantz von dem Gipffel
selbiges Orts erlangt/ nachdem sie sich von der kürtzesten Di-
stantz hinweg begeben; hingegen ein Ende nimmt/ an dem
Tage/ da die Sonne/ um die Mittags-Zeit/ von selbigem Ort
am weitesten entfernet ist.

Dieses kommt dem Herrn Winterschild mercklich zu statten/ und
steiffet ihm den Rucken. Denn es beleuchtet und bestätiget seine gegebe-
ne Antwort/ daß Sommer und Winter nicht eben hauptsächlich/ von
dem Gange der Sonnen durch gewisse Zeichen; sondern grössern Theils
von ihrer Näherung und Entfernung/ herkommen. Zum andren entstehet
dieser Schluß daraus/ daß wenn gleich die Sonne/ in ihrer Distantz/ ei-
ne so merckliche Aenderung/ zu Hiskiae Zeiten/ gewonnen hätte (welches
doch/ in zwey oder dreyen Tagen/ nicht gleich geschehen können) worauf
vieler Orten/ ein gantzes Jahr-Viertheil wäre verwandelt worden/ dar-
um dennoch solche Verwandlung eben nicht überall in der gantzen Welt
wäre vorgegangen: weil mancher Orten/ vorab unter dem dürren Welt-
Strich/ wie wir gehört/ die Jahrszeit/ auch allerdings an die Diftantz
der Sonnen/ nicht gebunden ist.

Solte denn je gleichwol damals entweder der Sommer/ oder der
Winter/ gähling verschwunden seyn: so wäre deßwegen noch kein allge-
meiner Untergang/ oder Zerrüttung der Welt/ zu fürchten gewesen. Er-
lebt man doch wol auch so bisweilen/ gar warme Winter und hingegen
ziemlich kalte Sommer: und gereicht dennoch solches der Welt nicht zum
Verderben.

Forell. Jch finde mich/ meines Theils/ mit der Herren ihrer Ant-
wort/ nicht übel vergnügt/ und keine wigtige Ursach/ zu vermuten/ daß die
Sonne nicht würcklich wäre zurückgangen. Wenn man hieran zweiffeln

möchte/
S s s s s

Von der Sonnen.
der Mittags-Stunde/ von der Scheitel deß Orts/ in mittel-
maͤſſiger Diſtantz ſtehet.

Fruͤhling nennet man/ an dieſem oder jenem Ort/ diejeni-
ge Zeit deß Jahrs/ die ſich anhebt mit dem Tage/ wenn die von
der weiteſten Diſtantz wieder herzukommende Sonne/ in der
Mittags-Stunde/ eine mittelmaͤſſige Diſtantz von dem Gipf-
fel deß Orts erreichet; aber mit demjenigen Tage beſchloſſen
wird/ da die Sonne/ in der Mittags-Stunde/ zum erſten/ die
kleineſte und geringſte Entlegenheit von dem Gipffel deß
Orts gewonnen hat.

Der Herbſt eines Orts mag genennet werden die Jahrs-
Zeit/ welche anhebt/ an dem Tage/ da die Sonne/ in der Mit-
tags-Stunde/ eine mittelmaͤſſige Diſtantz von dem Gipffel
ſelbiges Orts erlangt/ nachdem ſie ſich von der kuͤrtzeſten Di-
ſtantz hinweg begeben; hingegen ein Ende nimmt/ an dem
Tage/ da die Sonne/ um die Mittags-Zeit/ von ſelbigem Ort
am weiteſten entfernet iſt.

Dieſes kommt dem Herꝛn Winterſchild mercklich zu ſtatten/ und
ſteiffet ihm den Rucken. Denn es beleuchtet und beſtaͤtiget ſeine gegebe-
ne Antwort/ daß Sommer und Winter nicht eben hauptſaͤchlich/ von
dem Gange der Sonnen durch gewiſſe Zeichen; ſondern groͤſſern Theils
von ihrer Naͤherung und Entfernung/ herkommen. Zum andren entſtehet
dieſer Schluß daraus/ daß wenn gleich die Sonne/ in ihrer Diſtantz/ ei-
ne ſo merckliche Aenderung/ zu Hiskiæ Zeiten/ gewonnen haͤtte (welches
doch/ in zwey oder dreyen Tagen/ nicht gleich geſchehen koͤnnen) worauf
vieler Orten/ ein gantzes Jahr-Viertheil waͤre verwandelt worden/ dar-
um dennoch ſolche Verwandlung eben nicht uͤberall in der gantzen Welt
waͤre vorgegangen: weil mancher Orten/ vorab unter dem duͤrren Welt-
Strich/ wie wir gehoͤrt/ die Jahrszeit/ auch allerdings an die Diftantz
der Sonnen/ nicht gebunden iſt.

Solte denn je gleichwol damals entweder der Sommer/ oder der
Winter/ gaͤhling verſchwunden ſeyn: ſo waͤre deßwegen noch kein allge-
meiner Untergang/ oder Zerruͤttung der Welt/ zu fuͤrchten geweſen. Er-
lebt man doch wol auch ſo bisweilen/ gar warme Winter und hingegen
ziemlich kalte Sommer: und gereicht dennoch ſolches der Welt nicht zum
Verderben.

Forell. Jch finde mich/ meines Theils/ mit der Herren ihrer Ant-
wort/ nicht uͤbel vergnuͤgt/ und keine wigtige Urſach/ zu vermuten/ daß die
Sonne nicht wuͤrcklich waͤre zuruͤckgangen. Wenn man hieran zweiffeln

moͤchte/
S s s s s
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0923" n="873"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von der Sonnen.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">der Mittags-Stunde/ von der Scheitel deß Orts/ in mittel-<lb/>
ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger Di&#x017F;tantz &#x017F;tehet.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr">Fru&#x0364;hling nennet man/ an die&#x017F;em oder jenem Ort/ diejeni-<lb/>
ge Zeit deß Jahrs/ die &#x017F;ich anhebt mit dem Tage/ wenn die von<lb/>
der weite&#x017F;ten Di&#x017F;tantz wieder herzukommende Sonne/ in der<lb/>
Mittags-Stunde/ eine mittelma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Di&#x017F;tantz von dem Gipf-<lb/>
fel deß Orts erreichet; aber mit demjenigen Tage be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
wird/ da die Sonne/ in der Mittags-Stunde/ zum er&#x017F;ten/ die<lb/>
kleine&#x017F;te und gering&#x017F;te Entlegenheit von dem Gipffel deß<lb/>
Orts gewonnen hat.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr">Der Herb&#x017F;t eines Orts mag genennet werden die Jahrs-<lb/>
Zeit/ welche anhebt/ an dem Tage/ da die Sonne/ in der Mit-<lb/>
tags-Stunde/ eine mittelma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Di&#x017F;tantz von dem Gipffel<lb/>
&#x017F;elbiges Orts erlangt/ nachdem &#x017F;ie &#x017F;ich von der ku&#x0364;rtze&#x017F;ten Di-<lb/>
&#x017F;tantz hinweg begeben; hingegen ein Ende nimmt/ an dem<lb/>
Tage/ da die Sonne/ um die Mittags-Zeit/ von &#x017F;elbigem Ort<lb/>
am weite&#x017F;ten entfernet i&#x017F;t.</hi> </p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es kommt dem Her&#xA75B;n <hi rendition="#fr">Winter&#x017F;child</hi> mercklich zu &#x017F;tatten/ und<lb/>
&#x017F;teiffet ihm den Rucken. Denn es beleuchtet und be&#x017F;ta&#x0364;tiget &#x017F;eine gegebe-<lb/>
ne Antwort/ daß Sommer und Winter nicht eben haupt&#x017F;a&#x0364;chlich/ von<lb/>
dem Gange der Sonnen durch gewi&#x017F;&#x017F;e Zeichen; &#x017F;ondern gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Theils<lb/>
von ihrer Na&#x0364;herung und Entfernung/ herkommen. Zum andren ent&#x017F;tehet<lb/>
die&#x017F;er Schluß daraus/ daß wenn gleich die Sonne/ in ihrer Di&#x017F;tantz/ ei-<lb/>
ne &#x017F;o merckliche Aenderung/ zu Hiski<hi rendition="#aq">æ</hi> Zeiten/ gewonnen ha&#x0364;tte (welches<lb/>
doch/ in zwey oder dreyen Tagen/ nicht gleich ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnen) worauf<lb/>
vieler Orten/ ein gantzes Jahr-Viertheil wa&#x0364;re verwandelt worden/ dar-<lb/>
um dennoch &#x017F;olche Verwandlung eben nicht u&#x0364;berall in der gantzen Welt<lb/>
wa&#x0364;re vorgegangen: weil mancher Orten/ vorab unter dem du&#x0364;rren Welt-<lb/>
Strich/ wie wir geho&#x0364;rt/ die Jahrszeit/ auch allerdings an die Diftantz<lb/>
der Sonnen/ nicht gebunden i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Solte denn je gleichwol damals entweder der Sommer/ oder der<lb/>
Winter/ ga&#x0364;hling ver&#x017F;chwunden &#x017F;eyn: &#x017F;o wa&#x0364;re deßwegen noch kein allge-<lb/>
meiner Untergang/ oder Zerru&#x0364;ttung der Welt/ zu fu&#x0364;rchten gewe&#x017F;en. Er-<lb/>
lebt man doch wol auch &#x017F;o bisweilen/ gar warme Winter und hingegen<lb/>
ziemlich kalte Sommer: und gereicht dennoch &#x017F;olches der Welt nicht zum<lb/>
Verderben.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Forell.</hi> Jch finde mich/ meines Theils/ mit der Herren ihrer Ant-<lb/>
wort/ nicht u&#x0364;bel vergnu&#x0364;gt/ und keine wigtige Ur&#x017F;ach/ zu vermuten/ daß die<lb/>
Sonne nicht wu&#x0364;rcklich wa&#x0364;re zuru&#x0364;ckgangen. Wenn man hieran zweiffeln<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S s s s s</fw><fw place="bottom" type="catch">mo&#x0364;chte/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[873/0923] Von der Sonnen. der Mittags-Stunde/ von der Scheitel deß Orts/ in mittel- maͤſſiger Diſtantz ſtehet. Fruͤhling nennet man/ an dieſem oder jenem Ort/ diejeni- ge Zeit deß Jahrs/ die ſich anhebt mit dem Tage/ wenn die von der weiteſten Diſtantz wieder herzukommende Sonne/ in der Mittags-Stunde/ eine mittelmaͤſſige Diſtantz von dem Gipf- fel deß Orts erreichet; aber mit demjenigen Tage beſchloſſen wird/ da die Sonne/ in der Mittags-Stunde/ zum erſten/ die kleineſte und geringſte Entlegenheit von dem Gipffel deß Orts gewonnen hat. Der Herbſt eines Orts mag genennet werden die Jahrs- Zeit/ welche anhebt/ an dem Tage/ da die Sonne/ in der Mit- tags-Stunde/ eine mittelmaͤſſige Diſtantz von dem Gipffel ſelbiges Orts erlangt/ nachdem ſie ſich von der kuͤrtzeſten Di- ſtantz hinweg begeben; hingegen ein Ende nimmt/ an dem Tage/ da die Sonne/ um die Mittags-Zeit/ von ſelbigem Ort am weiteſten entfernet iſt. Dieſes kommt dem Herꝛn Winterſchild mercklich zu ſtatten/ und ſteiffet ihm den Rucken. Denn es beleuchtet und beſtaͤtiget ſeine gegebe- ne Antwort/ daß Sommer und Winter nicht eben hauptſaͤchlich/ von dem Gange der Sonnen durch gewiſſe Zeichen; ſondern groͤſſern Theils von ihrer Naͤherung und Entfernung/ herkommen. Zum andren entſtehet dieſer Schluß daraus/ daß wenn gleich die Sonne/ in ihrer Diſtantz/ ei- ne ſo merckliche Aenderung/ zu Hiskiæ Zeiten/ gewonnen haͤtte (welches doch/ in zwey oder dreyen Tagen/ nicht gleich geſchehen koͤnnen) worauf vieler Orten/ ein gantzes Jahr-Viertheil waͤre verwandelt worden/ dar- um dennoch ſolche Verwandlung eben nicht uͤberall in der gantzen Welt waͤre vorgegangen: weil mancher Orten/ vorab unter dem duͤrren Welt- Strich/ wie wir gehoͤrt/ die Jahrszeit/ auch allerdings an die Diftantz der Sonnen/ nicht gebunden iſt. Solte denn je gleichwol damals entweder der Sommer/ oder der Winter/ gaͤhling verſchwunden ſeyn: ſo waͤre deßwegen noch kein allge- meiner Untergang/ oder Zerruͤttung der Welt/ zu fuͤrchten geweſen. Er- lebt man doch wol auch ſo bisweilen/ gar warme Winter und hingegen ziemlich kalte Sommer: und gereicht dennoch ſolches der Welt nicht zum Verderben. Forell. Jch finde mich/ meines Theils/ mit der Herren ihrer Ant- wort/ nicht uͤbel vergnuͤgt/ und keine wigtige Urſach/ zu vermuten/ daß die Sonne nicht wuͤrcklich waͤre zuruͤckgangen. Wenn man hieran zweiffeln moͤchte/ S s s s s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/923
Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 873. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/923>, abgerufen am 28.07.2024.