Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.Verrätherey / veranlasset: wolle lieber sterben/ als solche Marter/ die den Todes-Schmerzen übertreffe / länger ausstehen. Der König/ welcher/ wie man sagen wolte/ genugsame Kundschafft gehabt/ daß er nicht unschuldig wäre/ hat ihn/ so wol durch den Kerkermeister/ als einen absonderlichen Abgefertigten/ ermahnen lassen/ sein Verbrechen zu bekennen; nebst dem Versprechen/ daß / wann er um Gnade bitten würde/ dieselbe ihm nicht versagt werden solte. Dannoch hat man ihn nicht bewegen können/ Gnade zu zuchen/ und um sein Leben zu bitten; sintemal er fürchtete/ man mögte ihn abstraffen/ als einen/ der die Majestät hätte beleidigt: darum wolte er lieber den Kopf nicht/ als den Namen/ haben/ daß er ein so meineidiges Verräther-Stück begangen; lieber als ein Unüberwiesener/ in einigem Zweiffel der Schuld und Unschuld/ sterben/ weder als ein Uberwiesener/ in der Schand-Gewißheit einer so grossen Schuld/ leben. Oder er stellete sich vielmehr/ ob wolte er lieber sterben: weil er förchtete/ daß er/ nach freyer Bekenntnis/ gewiß sterben müste. Allein/ solche Halsstarrigkeit brachte ihn erst recht um den Hals/ und bewegte den König/ dem Gericht völligen Gewalt und Fortgang über ihn zu verhengen. Da er dann endlich überführt/ und zum Schwerdt verurtheilet ward. Also führte man ihn nach dem Markt/ da die Execution geschehn solte. Das Volk zu Wien betrübte sich/ um seinen Tod/ nicht wenig. Ihrer viele baten den Scharffrichter heimlich/ er solte ihm keinen tödtlichen Streich geben. Er mag es nun/ um versprochener Verehrung willen/ oder aus fehlender Mißlingung/ gethan haben; so ist gleichwol der Streich nicht durch-sondern von der halben Seiten deß Nackens in die Schulter/ und also gar nicht durch den Hals/ gangen. Als er aber den andern Hieb thun will/ hebt der Pöfel an/ mit Steinen/ nach ihm/ zu werffen. Worauf er/ mit blossem Schwert in der Faust Platz machend/ die Flucht genommen/ und sich davon gemacht. Den übel-getroffenen/ und gleichwol tieff-verwundeten/ Hieresla brachte man in das nechste Haus: da er/ von allzu hefftiger Verblutung/ bald hernach den Tod genommen. Sein Bruder/ Pandobles/ empfand darüber so grossen Verdruß/ daß er zum Käiser überging. Der König verwilligte den Bürgern alle Privilegien/ so sie verlangten: und/ nachdem er sechs Monaten/ zu Wien/ sich aufgehalten; brach er/ samt der Königin/ von dannen wieder auf/ und gelangte/ am heiligen Weihnacht-Abend/ zu Ofen/ an. Sein Feldherr aber belagerte unterdessen noch unterschiedliche Plätze/ sonderlich die schön-gebaute Neustadt: damit ja nichts übrig bliebe/ so dem König/ an einer vollkommenen Freude / nemlich wegen Eroberung Oesterreichs/ mögte Abbruch thun. Aber O der elenden und eitlen Freude/ womit sich solche hohe Häupter betriegen! Wann sie betrachteten/ wie bald sie davon müssen; würden sie den Rauch einer so kurz-währenden Freude und Glori nicht/ mit so vieler Gefahr und Blut- Verrätherey / veranlasset: wolle lieber sterben/ als solche Marter/ die den Todes-Schmerzen übertreffe / länger ausstehen. Der König/ welcher/ wie man sagen wolte/ genugsame Kundschafft gehabt/ daß er nicht unschuldig wäre/ hat ihn/ so wol durch den Kerkermeister/ als einen absonderlichen Abgefertigten/ ermahnen lassen/ sein Verbrechen zu bekennen; nebst dem Versprechen/ daß / wann er um Gnade bitten würde/ dieselbe ihm nicht versagt werden solte. Dannoch hat man ihn nicht bewegen können/ Gnade zu zuchen/ und um sein Leben zu bitten; sintemal er fürchtete/ man mögte ihn abstraffen/ als einen/ der die Majestät hätte beleidigt: darum wolte er lieber den Kopf nicht/ als den Namen/ haben/ daß er ein so meineidiges Verräther-Stück begangen; lieber als ein Unüberwiesener/ in einigem Zweiffel der Schuld und Unschuld/ sterben/ weder als ein Uberwiesener/ in der Schand-Gewißheit einer so grossen Schuld/ leben. Oder er stellete sich vielmehr/ ob wolte er lieber sterben: weil er förchtete/ daß er/ nach freyer Bekenntnis/ gewiß sterben müste. Allein/ solche Halsstarrigkeit brachte ihn erst recht um den Hals/ und bewegte den König/ dem Gericht völligen Gewalt und Fortgang über ihn zu verhengen. Da er dann endlich überführt/ und zum Schwerdt verurtheilet ward. Also führte man ihn nach dem Markt/ da die Execution geschehn solte. Das Volk zu Wien betrübte sich/ um seinen Tod/ nicht wenig. Ihrer viele baten den Scharffrichter heimlich/ er solte ihm keinen tödtlichen Streich geben. Er mag es nun/ um versprochener Verehrung willen/ oder aus fehlender Mißlingung/ gethan haben; so ist gleichwol der Streich nicht durch-sondern von der halben Seiten deß Nackens in die Schulter/ und also gar nicht durch den Hals/ gangen. Als er aber den andern Hieb thun will/ hebt der Pöfel an/ mit Steinen/ nach ihm/ zu werffen. Worauf er/ mit blossem Schwert in der Faust Platz machend/ die Flucht genommen/ und sich davon gemacht. Den übel-getroffenen/ und gleichwol tieff-verwundeten/ Hieresla brachte man in das nechste Haus: da er/ von allzu hefftiger Verblutung/ bald hernach den Tod genommen. Sein Bruder/ Pandobles/ empfand darüber so grossen Verdruß/ daß er zum Käiser überging. Der König verwilligte den Bürgern alle Privilegien/ so sie verlangten: und/ nachdem er sechs Monaten/ zu Wien/ sich aufgehalten; brach er/ samt der Königin/ von dannen wieder auf/ und gelangte/ am heiligen Weihnacht-Abend/ zu Ofen/ an. Sein Feldherr aber belagerte unterdessen noch unterschiedliche Plätze/ sonderlich die schön-gebaute Neustadt: damit ja nichts übrig bliebe/ so dem König/ an einer vollkommenen Freude / nemlich wegen Eroberung Oesterreichs/ mögte Abbruch thun. Aber O der elenden und eitlen Freude/ womit sich solche hohe Häupter betriegen! Wann sie betrachteten/ wie bald sie davon müssen; würden sie den Rauch einer so kurz-währenden Freude und Glori nicht/ mit so vieler Gefahr und Blut- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0077" n="69"/> Verrätherey / veranlasset: wolle lieber sterben/ als solche Marter/ die den Todes-Schmerzen übertreffe / länger ausstehen.</p> <p>Der König/ welcher/ wie man sagen wolte/ genugsame Kundschafft gehabt/ daß er nicht unschuldig wäre/ hat ihn/ so wol durch den Kerkermeister/ als einen absonderlichen Abgefertigten/ ermahnen lassen/ sein Verbrechen zu bekennen; nebst dem Versprechen/ daß / wann er um Gnade bitten würde/ dieselbe ihm nicht versagt werden solte. Dannoch hat man ihn nicht bewegen können/ Gnade zu zuchen/ und um sein Leben zu bitten; sintemal er fürchtete/ man mögte ihn abstraffen/ als einen/ der die Majestät hätte beleidigt: darum wolte er lieber den Kopf nicht/ als den Namen/ haben/ daß er ein so meineidiges Verräther-Stück begangen; lieber als ein Unüberwiesener/ in einigem Zweiffel der Schuld und Unschuld/ sterben/ weder als ein Uberwiesener/ in der Schand-Gewißheit einer so grossen Schuld/ leben. Oder er stellete sich vielmehr/ ob wolte er lieber sterben: weil er förchtete/ daß er/ nach freyer Bekenntnis/ gewiß sterben müste.</p> <p>Allein/ solche Halsstarrigkeit brachte ihn erst recht um den Hals/ und bewegte den König/ dem Gericht völligen Gewalt und Fortgang über ihn zu verhengen. Da er dann endlich überführt/ und zum Schwerdt verurtheilet ward. Also führte man ihn nach dem Markt/ da die Execution geschehn solte.</p> <p>Das Volk zu Wien betrübte sich/ um seinen Tod/ nicht wenig. Ihrer viele baten den Scharffrichter heimlich/ er solte ihm keinen tödtlichen Streich geben. Er mag es nun/ um versprochener Verehrung willen/ oder aus fehlender Mißlingung/ gethan haben; so ist gleichwol der Streich nicht durch-sondern von der halben Seiten deß Nackens in die Schulter/ und also gar nicht durch den Hals/ gangen. Als er aber den andern Hieb thun will/ hebt der Pöfel an/ mit Steinen/ nach ihm/ zu werffen. Worauf er/ mit blossem Schwert in der Faust Platz machend/ die Flucht genommen/ und sich davon gemacht.</p> <p>Den übel-getroffenen/ und gleichwol tieff-verwundeten/ Hieresla brachte man in das nechste Haus: da er/ von allzu hefftiger Verblutung/ bald hernach den Tod genommen. Sein Bruder/ Pandobles/ empfand darüber so grossen Verdruß/ daß er zum Käiser überging.</p> <p>Der König verwilligte den Bürgern alle Privilegien/ so sie verlangten: und/ nachdem er sechs Monaten/ zu Wien/ sich aufgehalten; brach er/ samt der Königin/ von dannen wieder auf/ und gelangte/ am heiligen Weihnacht-Abend/ zu Ofen/ an. Sein Feldherr aber belagerte unterdessen noch unterschiedliche Plätze/ sonderlich die schön-gebaute Neustadt: damit ja nichts übrig bliebe/ so dem König/ an einer vollkommenen Freude / nemlich wegen Eroberung Oesterreichs/ mögte Abbruch thun.</p> <p>Aber O der elenden und eitlen Freude/ womit sich solche hohe Häupter betriegen! Wann sie betrachteten/ wie bald sie davon müssen; würden sie den Rauch einer so kurz-währenden Freude und Glori nicht/ mit so vieler Gefahr und Blut- </p> </div> </body> </text> </TEI> [69/0077]
Verrätherey / veranlasset: wolle lieber sterben/ als solche Marter/ die den Todes-Schmerzen übertreffe / länger ausstehen.
Der König/ welcher/ wie man sagen wolte/ genugsame Kundschafft gehabt/ daß er nicht unschuldig wäre/ hat ihn/ so wol durch den Kerkermeister/ als einen absonderlichen Abgefertigten/ ermahnen lassen/ sein Verbrechen zu bekennen; nebst dem Versprechen/ daß / wann er um Gnade bitten würde/ dieselbe ihm nicht versagt werden solte. Dannoch hat man ihn nicht bewegen können/ Gnade zu zuchen/ und um sein Leben zu bitten; sintemal er fürchtete/ man mögte ihn abstraffen/ als einen/ der die Majestät hätte beleidigt: darum wolte er lieber den Kopf nicht/ als den Namen/ haben/ daß er ein so meineidiges Verräther-Stück begangen; lieber als ein Unüberwiesener/ in einigem Zweiffel der Schuld und Unschuld/ sterben/ weder als ein Uberwiesener/ in der Schand-Gewißheit einer so grossen Schuld/ leben. Oder er stellete sich vielmehr/ ob wolte er lieber sterben: weil er förchtete/ daß er/ nach freyer Bekenntnis/ gewiß sterben müste.
Allein/ solche Halsstarrigkeit brachte ihn erst recht um den Hals/ und bewegte den König/ dem Gericht völligen Gewalt und Fortgang über ihn zu verhengen. Da er dann endlich überführt/ und zum Schwerdt verurtheilet ward. Also führte man ihn nach dem Markt/ da die Execution geschehn solte.
Das Volk zu Wien betrübte sich/ um seinen Tod/ nicht wenig. Ihrer viele baten den Scharffrichter heimlich/ er solte ihm keinen tödtlichen Streich geben. Er mag es nun/ um versprochener Verehrung willen/ oder aus fehlender Mißlingung/ gethan haben; so ist gleichwol der Streich nicht durch-sondern von der halben Seiten deß Nackens in die Schulter/ und also gar nicht durch den Hals/ gangen. Als er aber den andern Hieb thun will/ hebt der Pöfel an/ mit Steinen/ nach ihm/ zu werffen. Worauf er/ mit blossem Schwert in der Faust Platz machend/ die Flucht genommen/ und sich davon gemacht.
Den übel-getroffenen/ und gleichwol tieff-verwundeten/ Hieresla brachte man in das nechste Haus: da er/ von allzu hefftiger Verblutung/ bald hernach den Tod genommen. Sein Bruder/ Pandobles/ empfand darüber so grossen Verdruß/ daß er zum Käiser überging.
Der König verwilligte den Bürgern alle Privilegien/ so sie verlangten: und/ nachdem er sechs Monaten/ zu Wien/ sich aufgehalten; brach er/ samt der Königin/ von dannen wieder auf/ und gelangte/ am heiligen Weihnacht-Abend/ zu Ofen/ an. Sein Feldherr aber belagerte unterdessen noch unterschiedliche Plätze/ sonderlich die schön-gebaute Neustadt: damit ja nichts übrig bliebe/ so dem König/ an einer vollkommenen Freude / nemlich wegen Eroberung Oesterreichs/ mögte Abbruch thun.
Aber O der elenden und eitlen Freude/ womit sich solche hohe Häupter betriegen! Wann sie betrachteten/ wie bald sie davon müssen; würden sie den Rauch einer so kurz-währenden Freude und Glori nicht/ mit so vieler Gefahr und Blut-
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Zitationshilfe: | Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/77>, abgerufen am 16.02.2025. |