François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.dem Ofenwinkel. Der Herr Rittmeister aber in wei¬ Allein Manches wird der Erinnerung zum Gold, Meine Mittänzerin dahingegen, o welche leichte dem Ofenwinkel. Der Herr Rittmeiſter aber in wei¬ Allein Manches wird der Erinnerung zum Gold, Meine Mittänzerin dahingegen, o welche leichte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="103"/> dem Ofenwinkel. Der Herr Rittmeiſter aber in wei¬<lb/> chen Filzſocken und flanellgefüttertem Schlafrock von<lb/> gelblichem Kattun, den fauſtdicken Zopf wie ein Per¬<lb/> pendikel im Nacken hin und wieder hüpfend, ſtand ſei¬<lb/> ner Tochter Hardine und deren Partnerin gegenüber,<lb/> um ſie gewiſſenhaft die ganze hohe Schule ſeiner Lieb¬<lb/> lingskunſt durchlaufen zu laſſen: von Poſitionen und<lb/> Portebras, durch alle Wendungen und Senkungen des<lb/> Menuet, durch Chaſſ<hi rendition="#aq">é</hi>s und Entrechats der Anglaiſe,<lb/> bis zum heiteren Rundtanz mit dem gefälligen Drei¬<lb/> ſchlag der Hacken.</p><lb/> <p>Allein Manches wird der Erinnerung zum Gold,<lb/> was uns in der Gegenwart Blei gedünkt. Heute<lb/> ſchaue ich auf jene Tanzabende zurück als auf die<lb/> luſtvollſten meiner Kinderzeit; damals erduldete ich ſie<lb/> wie ein quälendes Verhängniß. Die väterliche In¬<lb/> ſtructorenrolle beleidigte mein Gefühl der Reckenburg¬<lb/> ſchen Würde, und die ererbten Reckenburg'ſchen Glied¬<lb/> maßen zeigten ſich wenig geſchickt für das gelenkige Spiel.</p><lb/> <p>Meine Mittänzerin dahingegen, o welche leichte<lb/> Erſcheinung, welche helle, unerſchöpfliche Luſt! Roſig<lb/> überhaucht bis unter den goldigen Lockenſcheitel, halb¬<lb/> geöffnet das Mündchen, ſo kreiſelte ſie ſich wie in<lb/> ihrem Element, lachend und jauchzend, die ächte, rechte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0110]
dem Ofenwinkel. Der Herr Rittmeiſter aber in wei¬
chen Filzſocken und flanellgefüttertem Schlafrock von
gelblichem Kattun, den fauſtdicken Zopf wie ein Per¬
pendikel im Nacken hin und wieder hüpfend, ſtand ſei¬
ner Tochter Hardine und deren Partnerin gegenüber,
um ſie gewiſſenhaft die ganze hohe Schule ſeiner Lieb¬
lingskunſt durchlaufen zu laſſen: von Poſitionen und
Portebras, durch alle Wendungen und Senkungen des
Menuet, durch Chaſſés und Entrechats der Anglaiſe,
bis zum heiteren Rundtanz mit dem gefälligen Drei¬
ſchlag der Hacken.
Allein Manches wird der Erinnerung zum Gold,
was uns in der Gegenwart Blei gedünkt. Heute
ſchaue ich auf jene Tanzabende zurück als auf die
luſtvollſten meiner Kinderzeit; damals erduldete ich ſie
wie ein quälendes Verhängniß. Die väterliche In¬
ſtructorenrolle beleidigte mein Gefühl der Reckenburg¬
ſchen Würde, und die ererbten Reckenburg'ſchen Glied¬
maßen zeigten ſich wenig geſchickt für das gelenkige Spiel.
Meine Mittänzerin dahingegen, o welche leichte
Erſcheinung, welche helle, unerſchöpfliche Luſt! Roſig
überhaucht bis unter den goldigen Lockenſcheitel, halb¬
geöffnet das Mündchen, ſo kreiſelte ſie ſich wie in
ihrem Element, lachend und jauchzend, die ächte, rechte,
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