Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

licher Protest gegen den elterlichen Plan erklärt. Dorothee
liebte ihn nicht und Siegmund Faber war zu gut
für eine Frau, die ihn nicht lieben konnte.

Ich lud meine kleine Nachbarin ein, den Nach¬
mittag mit mir zuzubringen; wir setzten uns in die
Laube und bald fielen unter den runden Fingerchen
die Bohnenschnitzel flink und zierlich in die Schüssel
auf ihrem Schooß. Sie plauderte und lachte über
meine ungeschickten "Hünenpflocken"; der drohende Be¬
werber war vergessen.

Eine Stunde mochte so vergangen sein, als ein
hastiger Schritt auf der Terrassentreppe uns den un¬
gewohntesten Gartenbesucher verkündete. Im nächsten
Moment stand Siegmund Faber uns gegenüber; er
trug seinen Sonntagsstaat und verbeugte sich rasch
und tief, so wie die Kleine ihm vorhin nachgeäfft
hatte. Das lustige Lachen erstarb auf ihren Lippen,
sie wurde roth bis unter das Busentuch, blickte in die
Schüssel und schnitzelte mit Fieberhast.

Um so gespannter blickte ich zu dem jungen
Mann hinüber. Die gewaltigste Aufregung las ich
auf der sonst so ruhigen Stirn; die rothe Farbe war von
seinem Gesichte gewichen, das Herz hämmerte sicht¬
bar unter dem silbergestickten Gilet und die Hände

licher Proteſt gegen den elterlichen Plan erklärt. Dorothee
liebte ihn nicht und Siegmund Faber war zu gut
für eine Frau, die ihn nicht lieben konnte.

Ich lud meine kleine Nachbarin ein, den Nach¬
mittag mit mir zuzubringen; wir ſetzten uns in die
Laube und bald fielen unter den runden Fingerchen
die Bohnenſchnitzel flink und zierlich in die Schüſſel
auf ihrem Schooß. Sie plauderte und lachte über
meine ungeſchickten „Hünenpflocken“; der drohende Be¬
werber war vergeſſen.

Eine Stunde mochte ſo vergangen ſein, als ein
haſtiger Schritt auf der Terraſſentreppe uns den un¬
gewohnteſten Gartenbeſucher verkündete. Im nächſten
Moment ſtand Siegmund Faber uns gegenüber; er
trug ſeinen Sonntagsſtaat und verbeugte ſich raſch
und tief, ſo wie die Kleine ihm vorhin nachgeäfft
hatte. Das luſtige Lachen erſtarb auf ihren Lippen,
ſie wurde roth bis unter das Buſentuch, blickte in die
Schüſſel und ſchnitzelte mit Fieberhaſt.

Um ſo geſpannter blickte ich zu dem jungen
Mann hinüber. Die gewaltigſte Aufregung las ich
auf der ſonſt ſo ruhigen Stirn; die rothe Farbe war von
ſeinem Geſichte gewichen, das Herz hämmerte ſicht¬
bar unter dem ſilbergeſtickten Gilet und die Hände

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="130"/>
licher Prote&#x017F;t gegen den elterlichen Plan erklärt. Dorothee<lb/>
liebte ihn nicht und Siegmund Faber war zu gut<lb/>
für eine Frau, die ihn nicht lieben konnte.</p><lb/>
        <p>Ich lud meine kleine Nachbarin ein, den Nach¬<lb/>
mittag mit mir zuzubringen; wir &#x017F;etzten uns in die<lb/>
Laube und bald fielen unter den runden Fingerchen<lb/>
die Bohnen&#x017F;chnitzel flink und zierlich in die Schü&#x017F;&#x017F;el<lb/>
auf ihrem Schooß. Sie plauderte und lachte über<lb/>
meine unge&#x017F;chickten &#x201E;Hünenpflocken&#x201C;; der drohende Be¬<lb/>
werber war verge&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Eine Stunde mochte &#x017F;o vergangen &#x017F;ein, als ein<lb/>
ha&#x017F;tiger Schritt auf der Terra&#x017F;&#x017F;entreppe uns den un¬<lb/>
gewohnte&#x017F;ten Gartenbe&#x017F;ucher verkündete. Im näch&#x017F;ten<lb/>
Moment &#x017F;tand Siegmund Faber uns gegenüber; er<lb/>
trug &#x017F;einen Sonntags&#x017F;taat und verbeugte &#x017F;ich ra&#x017F;ch<lb/>
und tief, &#x017F;o wie die Kleine ihm vorhin nachgeäfft<lb/>
hatte. Das lu&#x017F;tige Lachen er&#x017F;tarb auf ihren Lippen,<lb/>
&#x017F;ie wurde roth bis unter das Bu&#x017F;entuch, blickte in die<lb/>
Schü&#x017F;&#x017F;el und &#x017F;chnitzelte mit Fieberha&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Um &#x017F;o ge&#x017F;pannter blickte ich zu dem jungen<lb/>
Mann hinüber. Die gewaltig&#x017F;te Aufregung las ich<lb/>
auf der &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o ruhigen Stirn; die rothe Farbe war von<lb/>
&#x017F;einem Ge&#x017F;ichte gewichen, das Herz hämmerte &#x017F;icht¬<lb/>
bar unter dem &#x017F;ilberge&#x017F;tickten Gilet und die Hände<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0137] licher Proteſt gegen den elterlichen Plan erklärt. Dorothee liebte ihn nicht und Siegmund Faber war zu gut für eine Frau, die ihn nicht lieben konnte. Ich lud meine kleine Nachbarin ein, den Nach¬ mittag mit mir zuzubringen; wir ſetzten uns in die Laube und bald fielen unter den runden Fingerchen die Bohnenſchnitzel flink und zierlich in die Schüſſel auf ihrem Schooß. Sie plauderte und lachte über meine ungeſchickten „Hünenpflocken“; der drohende Be¬ werber war vergeſſen. Eine Stunde mochte ſo vergangen ſein, als ein haſtiger Schritt auf der Terraſſentreppe uns den un¬ gewohnteſten Gartenbeſucher verkündete. Im nächſten Moment ſtand Siegmund Faber uns gegenüber; er trug ſeinen Sonntagsſtaat und verbeugte ſich raſch und tief, ſo wie die Kleine ihm vorhin nachgeäfft hatte. Das luſtige Lachen erſtarb auf ihren Lippen, ſie wurde roth bis unter das Buſentuch, blickte in die Schüſſel und ſchnitzelte mit Fieberhaſt. Um ſo geſpannter blickte ich zu dem jungen Mann hinüber. Die gewaltigſte Aufregung las ich auf der ſonſt ſo ruhigen Stirn; die rothe Farbe war von ſeinem Geſichte gewichen, das Herz hämmerte ſicht¬ bar unter dem ſilbergeſtickten Gilet und die Hände

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/137
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/137>, abgerufen am 15.05.2024.