François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871."Ich möchte leben!" rief sie mit jenem unbe¬ Und wie sie damals in rascher Wandlung sich Gleichwohl verließ ich sie mit dem Vorgefühl "Kein Wunder! Sie langweilt sich, die arme "Hat unsere Tochter etwa mehr Freude von ihrer Der Vater streichelte meine Backen und ich sah „Ich möchte leben!“ rief ſie mit jenem unbe¬ Und wie ſie damals in raſcher Wandlung ſich Gleichwohl verließ ich ſie mit dem Vorgefühl „Kein Wunder! Sie langweilt ſich, die arme „Hat unſere Tochter etwa mehr Freude von ihrer Der Vater ſtreichelte meine Backen und ich ſah <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0230" n="223"/> <p>„Ich möchte leben!“ rief ſie mit jenem unbe¬<lb/> ſchreiblichen Impuls, mit welchem ſie damals im Gar¬<lb/> ten: „Gut ſein, Hardine, heißt Gottes Kind ſein!“<lb/> gerufen hatte.</p><lb/> <p>Und wie ſie damals in raſcher Wandlung ſich<lb/> auf die erſten Veilchen ſtürzte, um die Freundin mit<lb/> ihnen zu ſchmücken, ſo ſtürzte ſie ſich heute auf deren<lb/> Hände, drückte ſie an ihr Herz und frohlockte: „O,<lb/> aber nun habe ich Sie wieder, Fräulein Hardine, nun<lb/> bin ich nicht mehr allein, nun bin ich vergnügt und<lb/> glücklich wie ſonſt!“</p><lb/> <p>Gleichwohl verließ ich ſie mit dem Vorgefühl<lb/> nahender Schmerzen. „Dörtchen ſieht nicht mehr ſo<lb/> friſch aus, wie im Herbſt,“ ſagte ich, als ich zu den<lb/> Eltern zurückkehrte und der Vater entgegnete:</p><lb/> <p>„Kein Wunder! Sie langweilt ſich, die arme<lb/> kleine Dorl. Schön wie ein Bild, ſiebenzehn Jahre<lb/> und immer das nämliche, freudloſe Einerlei!“</p><lb/> <p>„Hat unſere Tochter etwa mehr Freude von ihrer<lb/> Jugend, Eberhard?“ fragte die Mutter ſcharf.</p><lb/> <p>Der Vater ſtreichelte meine Backen und ich ſah<lb/> es wie einen Nebel über ſeine Augen fliegen. „Un¬<lb/> ſere Dine, unſere brave, gute Dine!“ ſagte er beküm¬<lb/> mert. „Verdammtes altes Hexenneſt! Ging's nach<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [223/0230]
„Ich möchte leben!“ rief ſie mit jenem unbe¬
ſchreiblichen Impuls, mit welchem ſie damals im Gar¬
ten: „Gut ſein, Hardine, heißt Gottes Kind ſein!“
gerufen hatte.
Und wie ſie damals in raſcher Wandlung ſich
auf die erſten Veilchen ſtürzte, um die Freundin mit
ihnen zu ſchmücken, ſo ſtürzte ſie ſich heute auf deren
Hände, drückte ſie an ihr Herz und frohlockte: „O,
aber nun habe ich Sie wieder, Fräulein Hardine, nun
bin ich nicht mehr allein, nun bin ich vergnügt und
glücklich wie ſonſt!“
Gleichwohl verließ ich ſie mit dem Vorgefühl
nahender Schmerzen. „Dörtchen ſieht nicht mehr ſo
friſch aus, wie im Herbſt,“ ſagte ich, als ich zu den
Eltern zurückkehrte und der Vater entgegnete:
„Kein Wunder! Sie langweilt ſich, die arme
kleine Dorl. Schön wie ein Bild, ſiebenzehn Jahre
und immer das nämliche, freudloſe Einerlei!“
„Hat unſere Tochter etwa mehr Freude von ihrer
Jugend, Eberhard?“ fragte die Mutter ſcharf.
Der Vater ſtreichelte meine Backen und ich ſah
es wie einen Nebel über ſeine Augen fliegen. „Un¬
ſere Dine, unſere brave, gute Dine!“ ſagte er beküm¬
mert. „Verdammtes altes Hexenneſt! Ging's nach
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