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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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dem Tanz, die hintere passirte als Speisesaal. Die
vorausgesendeten Gerichte gewährten eine anlockende
Decoration, wie auch, gemischt mit den vom Garten
hereindringenden Frühlingsdüften, einen gar würzigen
Parfüm. Unter der Draperie, zwischen beiden Ab¬
theilungen, stand Meister Müllers Büffet und seine
behäbige Gestalt lehnte in der Thür, die zur Seite
in Küche und Keller führte. Dorothee verhielt sich
natürlich hinter der Scene.

In diesem Raume, der übrigens sein fürstliches
Ansehen leidlich bewahrt hatte, harrte die vollzählig
versammelte Gesellschaft eine Stunde lang, zwei
Stunden, noch länger auf den Ersehnten, der -- nicht
kam. Keiner setzte sich, keiner hatte die Geduld ein
Gespräch fortzuführen. Aller Blicke hingen gespannt
an der geöffneten Thür. Es war so stumm in dem ge¬
füllten Saale, daß man die Vögel draußen zwitschern
hörte. Auf der Tribüne hielt die Regimentsmusik
standhaft die Trompeten am Munde, um den Bewill¬
kommnungstusch nicht zu versäumen. Unter dem Ein¬
gange stand, im Prallsonnenscheine, chapeau bas,
das Comite, an seiner Spitze, mit zum Tubus gehöhl¬
ter Hand, der Rittmeister von Reckenburg. Alles
lauschte, lugte, lauerte -- kein Prinz kam.

dem Tanz, die hintere paſſirte als Speiſeſaal. Die
vorausgeſendeten Gerichte gewährten eine anlockende
Decoration, wie auch, gemiſcht mit den vom Garten
hereindringenden Frühlingsdüften, einen gar würzigen
Parfüm. Unter der Draperie, zwiſchen beiden Ab¬
theilungen, ſtand Meiſter Müllers Büffet und ſeine
behäbige Geſtalt lehnte in der Thür, die zur Seite
in Küche und Keller führte. Dorothee verhielt ſich
natürlich hinter der Scene.

In dieſem Raume, der übrigens ſein fürſtliches
Anſehen leidlich bewahrt hatte, harrte die vollzählig
verſammelte Geſellſchaft eine Stunde lang, zwei
Stunden, noch länger auf den Erſehnten, der — nicht
kam. Keiner ſetzte ſich, keiner hatte die Geduld ein
Geſpräch fortzuführen. Aller Blicke hingen geſpannt
an der geöffneten Thür. Es war ſo ſtumm in dem ge¬
füllten Saale, daß man die Vögel draußen zwitſchern
hörte. Auf der Tribüne hielt die Regimentsmuſik
ſtandhaft die Trompeten am Munde, um den Bewill¬
kommnungstuſch nicht zu verſäumen. Unter dem Ein¬
gange ſtand, im Prallſonnenſcheine, chapeau bas,
das Comité, an ſeiner Spitze, mit zum Tubus gehöhl¬
ter Hand, der Rittmeiſter von Reckenburg. Alles
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[229/0236] dem Tanz, die hintere paſſirte als Speiſeſaal. Die vorausgeſendeten Gerichte gewährten eine anlockende Decoration, wie auch, gemiſcht mit den vom Garten hereindringenden Frühlingsdüften, einen gar würzigen Parfüm. Unter der Draperie, zwiſchen beiden Ab¬ theilungen, ſtand Meiſter Müllers Büffet und ſeine behäbige Geſtalt lehnte in der Thür, die zur Seite in Küche und Keller führte. Dorothee verhielt ſich natürlich hinter der Scene. In dieſem Raume, der übrigens ſein fürſtliches Anſehen leidlich bewahrt hatte, harrte die vollzählig verſammelte Geſellſchaft eine Stunde lang, zwei Stunden, noch länger auf den Erſehnten, der — nicht kam. Keiner ſetzte ſich, keiner hatte die Geduld ein Geſpräch fortzuführen. Aller Blicke hingen geſpannt an der geöffneten Thür. Es war ſo ſtumm in dem ge¬ füllten Saale, daß man die Vögel draußen zwitſchern hörte. Auf der Tribüne hielt die Regimentsmuſik ſtandhaft die Trompeten am Munde, um den Bewill¬ kommnungstuſch nicht zu verſäumen. Unter dem Ein¬ gange ſtand, im Prallſonnenſcheine, chapeau bas, das Comité, an ſeiner Spitze, mit zum Tubus gehöhl¬ ter Hand, der Rittmeiſter von Reckenburg. Alles lauſchte, lugte, lauerte — kein Prinz kam.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/236>, abgerufen am 15.05.2024.