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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Absichtliche Unpünktlichkeit von Seiten eines kur¬
sächsischen Blutsverwandten konnte nicht angenommen
werden; es mußte ein Mißverständniß obwalten, oder
ein Unfall eingetreten sein. Nach langer Deliberation
setzte sich der Chef des Comite's zu einer unterthä¬
nigen Anfrage in Bewegung, und hat die Familie
dieses Chefs späterhin vertraulich in Erfahrung ge¬
bracht, daß es mit der unannehmbaren fürstlichen Unhöf¬
lichkeit doch nicht so ganz ohne gewesen sei. Als
der Abgesandte vor dem hohen Gaste erschien, lag der¬
selbe gemächlich im Schlafrock auf der Causeuse aus¬
gestreckt, eine lange Türkenpfeife im Munde und den
Hamburger Correspondenten in der Hand. "Schon?"
fragte er gähnend. "Sind die Schönen ihrer Reize
so sicher, um sie bei Sonnenschein preiszugeben?"
Doch verhieß er sein Erscheinen, sobald Zeitung und
Toilette vollendet sein würden.

Es dämmerte bereits, als der Abgesandte mit
dieser Botschaft zurückkehrte. Flugs wurden die Fen¬
sterläden geschlossen, die Kronleuchter angezündet. Die
Gesellschaft rangirte sich in zwei Heckenwände, zwischen
denen der erlauchte Gast seinen Durchgang nehmen
sollte. Obenan die Gemahlinnen des Adels, dann die
bürgerlichen; nunmehr die Fräulein, neben ihnen die

Abſichtliche Unpünktlichkeit von Seiten eines kur¬
ſächſiſchen Blutsverwandten konnte nicht angenommen
werden; es mußte ein Mißverſtändniß obwalten, oder
ein Unfall eingetreten ſein. Nach langer Deliberation
ſetzte ſich der Chef des Comité's zu einer unterthä¬
nigen Anfrage in Bewegung, und hat die Familie
dieſes Chefs ſpäterhin vertraulich in Erfahrung ge¬
bracht, daß es mit der unannehmbaren fürſtlichen Unhöf¬
lichkeit doch nicht ſo ganz ohne geweſen ſei. Als
der Abgeſandte vor dem hohen Gaſte erſchien, lag der¬
ſelbe gemächlich im Schlafrock auf der Cauſeuſe aus¬
geſtreckt, eine lange Türkenpfeife im Munde und den
Hamburger Correſpondenten in der Hand. „Schon?“
fragte er gähnend. „Sind die Schönen ihrer Reize
ſo ſicher, um ſie bei Sonnenſchein preiszugeben?“
Doch verhieß er ſein Erſcheinen, ſobald Zeitung und
Toilette vollendet ſein würden.

Es dämmerte bereits, als der Abgeſandte mit
dieſer Botſchaft zurückkehrte. Flugs wurden die Fen¬
ſterläden geſchloſſen, die Kronleuchter angezündet. Die
Geſellſchaft rangirte ſich in zwei Heckenwände, zwiſchen
denen der erlauchte Gaſt ſeinen Durchgang nehmen
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[230/0237] Abſichtliche Unpünktlichkeit von Seiten eines kur¬ ſächſiſchen Blutsverwandten konnte nicht angenommen werden; es mußte ein Mißverſtändniß obwalten, oder ein Unfall eingetreten ſein. Nach langer Deliberation ſetzte ſich der Chef des Comité's zu einer unterthä¬ nigen Anfrage in Bewegung, und hat die Familie dieſes Chefs ſpäterhin vertraulich in Erfahrung ge¬ bracht, daß es mit der unannehmbaren fürſtlichen Unhöf¬ lichkeit doch nicht ſo ganz ohne geweſen ſei. Als der Abgeſandte vor dem hohen Gaſte erſchien, lag der¬ ſelbe gemächlich im Schlafrock auf der Cauſeuſe aus¬ geſtreckt, eine lange Türkenpfeife im Munde und den Hamburger Correſpondenten in der Hand. „Schon?“ fragte er gähnend. „Sind die Schönen ihrer Reize ſo ſicher, um ſie bei Sonnenſchein preiszugeben?“ Doch verhieß er ſein Erſcheinen, ſobald Zeitung und Toilette vollendet ſein würden. Es dämmerte bereits, als der Abgeſandte mit dieſer Botſchaft zurückkehrte. Flugs wurden die Fen¬ ſterläden geſchloſſen, die Kronleuchter angezündet. Die Geſellſchaft rangirte ſich in zwei Heckenwände, zwiſchen denen der erlauchte Gaſt ſeinen Durchgang nehmen ſollte. Obenan die Gemahlinnen des Adels, dann die bürgerlichen; nunmehr die Fräulein, neben ihnen die

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/237>, abgerufen am 21.11.2024.