Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

seine Horden entgegentreibt! Schmach, ewige Schmach,
daß dieser, unser baldiger Kaiser heute noch sich win¬
det und krümmt wie ein Aal. Aber Gottlob! König
Friedrich Wilhelm ist Feuer und Flamme, jenen
Häschern die Daumschrauben anzusetzen. Stelle er
sich an die Spitze der Armee, rufe er sein Vorwärts
und wenigstens wir, das heißt die Legion deutscher
Fürsten ohne Land, werden nicht säumen, um unter
Friedrichs Banner dem Erben des heiligen Ludwig
seine königliche Freiheit zurückzuerobern."

Auf diese Weise zwischen Scherz und Pathos
plauderte mein junger Held unter dem Rauschen des
Wiener Walzers, harmlos seine Zukunftspläne aus.
Ich wußte ja, wie kriegerisch sein Sinn gestellt sei.
Nur daß er damit umgehe, in preußische Dienste zu
desertiren, mußte mich Wunder nehmen. Und so ent¬
blödete ich mich denn auch nicht, ihn daran zu erin¬
nern, daß eine Schwenkung just in dieses Lager wenig
Anklang in sächsischen Herzen finden werde.

"Habe ich eine eigene Armee in's Feld zu füh¬
ren?" versetzte er lachend. "Oder soll ich darauf war¬
ten, bis das heilige römische Reich deutscher Nation
sich auf seine Pflicht -- bah! nur auf seine Nothwehr
besonnen hat? Bis am Ende auch der obersächsische

ſeine Horden entgegentreibt! Schmach, ewige Schmach,
daß dieſer, unſer baldiger Kaiſer heute noch ſich win¬
det und krümmt wie ein Aal. Aber Gottlob! König
Friedrich Wilhelm iſt Feuer und Flamme, jenen
Häſchern die Daumſchrauben anzuſetzen. Stelle er
ſich an die Spitze der Armee, rufe er ſein Vorwärts
und wenigſtens wir, das heißt die Legion deutſcher
Fürſten ohne Land, werden nicht ſäumen, um unter
Friedrichs Banner dem Erben des heiligen Ludwig
ſeine königliche Freiheit zurückzuerobern.“

Auf dieſe Weiſe zwiſchen Scherz und Pathos
plauderte mein junger Held unter dem Rauſchen des
Wiener Walzers, harmlos ſeine Zukunftspläne aus.
Ich wußte ja, wie kriegeriſch ſein Sinn geſtellt ſei.
Nur daß er damit umgehe, in preußiſche Dienſte zu
deſertiren, mußte mich Wunder nehmen. Und ſo ent¬
blödete ich mich denn auch nicht, ihn daran zu erin¬
nern, daß eine Schwenkung juſt in dieſes Lager wenig
Anklang in ſächſiſchen Herzen finden werde.

„Habe ich eine eigene Armee in's Feld zu füh¬
ren?“ verſetzte er lachend. „Oder ſoll ich darauf war¬
ten, bis das heilige römiſche Reich deutſcher Nation
ſich auf ſeine Pflicht — bah! nur auf ſeine Nothwehr
beſonnen hat? Bis am Ende auch der oberſächſiſche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0243" n="236"/>
&#x017F;eine Horden entgegentreibt! Schmach, ewige Schmach,<lb/>
daß die&#x017F;er, un&#x017F;er baldiger Kai&#x017F;er heute noch &#x017F;ich win¬<lb/>
det und krümmt wie ein Aal. Aber Gottlob! König<lb/>
Friedrich Wilhelm i&#x017F;t Feuer und Flamme, jenen<lb/>&#x017F;chern die Daum&#x017F;chrauben anzu&#x017F;etzen. Stelle er<lb/>
&#x017F;ich an die Spitze der Armee, rufe er &#x017F;ein Vorwärts<lb/>
und wenig&#x017F;tens wir, das heißt die Legion deut&#x017F;cher<lb/>
Für&#x017F;ten ohne Land, werden nicht &#x017F;äumen, um unter<lb/>
Friedrichs Banner dem Erben des heiligen Ludwig<lb/>
&#x017F;eine königliche Freiheit zurückzuerobern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e zwi&#x017F;chen Scherz und Pathos<lb/>
plauderte mein junger Held unter dem Rau&#x017F;chen des<lb/>
Wiener Walzers, harmlos &#x017F;eine Zukunftspläne aus.<lb/>
Ich wußte ja, wie kriegeri&#x017F;ch &#x017F;ein Sinn ge&#x017F;tellt &#x017F;ei.<lb/>
Nur daß er damit umgehe, in preußi&#x017F;che Dien&#x017F;te zu<lb/>
de&#x017F;ertiren, mußte mich Wunder nehmen. Und &#x017F;o ent¬<lb/>
blödete ich mich denn auch nicht, ihn daran zu erin¬<lb/>
nern, daß eine Schwenkung ju&#x017F;t in die&#x017F;es Lager wenig<lb/>
Anklang in &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen Herzen finden werde.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Habe ich eine <hi rendition="#g">eigene</hi> Armee in's Feld zu füh¬<lb/>
ren?&#x201C; ver&#x017F;etzte er lachend. &#x201E;Oder &#x017F;oll ich darauf war¬<lb/>
ten, bis das heilige römi&#x017F;che Reich deut&#x017F;cher Nation<lb/>
&#x017F;ich auf &#x017F;eine Pflicht &#x2014; bah! nur auf &#x017F;eine Nothwehr<lb/>
be&#x017F;onnen hat? Bis am Ende auch der ober&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0243] ſeine Horden entgegentreibt! Schmach, ewige Schmach, daß dieſer, unſer baldiger Kaiſer heute noch ſich win¬ det und krümmt wie ein Aal. Aber Gottlob! König Friedrich Wilhelm iſt Feuer und Flamme, jenen Häſchern die Daumſchrauben anzuſetzen. Stelle er ſich an die Spitze der Armee, rufe er ſein Vorwärts und wenigſtens wir, das heißt die Legion deutſcher Fürſten ohne Land, werden nicht ſäumen, um unter Friedrichs Banner dem Erben des heiligen Ludwig ſeine königliche Freiheit zurückzuerobern.“ Auf dieſe Weiſe zwiſchen Scherz und Pathos plauderte mein junger Held unter dem Rauſchen des Wiener Walzers, harmlos ſeine Zukunftspläne aus. Ich wußte ja, wie kriegeriſch ſein Sinn geſtellt ſei. Nur daß er damit umgehe, in preußiſche Dienſte zu deſertiren, mußte mich Wunder nehmen. Und ſo ent¬ blödete ich mich denn auch nicht, ihn daran zu erin¬ nern, daß eine Schwenkung juſt in dieſes Lager wenig Anklang in ſächſiſchen Herzen finden werde. „Habe ich eine eigene Armee in's Feld zu füh¬ ren?“ verſetzte er lachend. „Oder ſoll ich darauf war¬ ten, bis das heilige römiſche Reich deutſcher Nation ſich auf ſeine Pflicht — bah! nur auf ſeine Nothwehr beſonnen hat? Bis am Ende auch der oberſächſiſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/243
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/243>, abgerufen am 16.05.2024.