François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.von ihr ab und starrte geradeaus in den Spiegel, der Nach langer Pause und einem tiefen Athemzuge "Du hast Dich hinreißen lassen, Dorothee," sagte "Leid?" rief sie, erbebend unter dem Schauer von ihr ab und ſtarrte geradeaus in den Spiegel, der Nach langer Pauſe und einem tiefen Athemzuge „Du haſt Dich hinreißen laſſen, Dorothee,“ ſagte „Leid?“ rief ſie, erbebend unter dem Schauer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0256" n="249"/> von ihr ab und ſtarrte geradeaus in den Spiegel, der<lb/> auf meinem Nachttiſche ſtand. Und dieſer Spiegel¬<lb/> blick löſte den Bann. Denn was heißt denn gerecht<lb/> ſein, als richtig ſehen? Ich aber ſah in dem engen<lb/> Rahmen das Freifräulein von Reckenburg in ſeinem<lb/> hohen Toupet und ſteifen Brocat, die mannshohe Ge¬<lb/> ſtalt, mit dem hochgerötheten Geſicht, zu der die welt¬<lb/> kundige Greiſin geſagt hatte: „Du entzündeſt kein jun¬<lb/> ges Herz.“ In ihrem Schoße aber lag, vom golde¬<lb/> nen Lockenſchleier umhüllt, ein Kind mit allen Reizen<lb/> des Weibes, mit pulſirender Gluth und auf der Stirn<lb/> den Stempel: „Dir wird kein junges Herz wider¬<lb/> ſtehen.“</p><lb/> <p>Nach langer Pauſe und einem tiefen Athemzuge<lb/> ſenkte ich den Blick von dem Spiegelbilde hinab in<lb/> den Schoß. „Gut ſein, gut ſein!“ flüſterte die Zau¬<lb/> berin und ihre Lippen brannten auf meiner Hand,<lb/> heiß von dem Leben, den eines Anderen Athem dem<lb/> Buſen eingehaucht hatte.</p><lb/> <p>„Du haſt Dich hinreißen laſſen, Dorothee,“ ſagte<lb/> ich, indem ich ſie in die Höhe zog und mich erhob.<lb/> „Wenn es Dir aber leid iſt —“</p><lb/> <p>„Leid?“ rief ſie, erbebend unter dem Schauer<lb/> des erſten, kaum geahnten Glücks. „Leid? Nein, o<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [249/0256]
von ihr ab und ſtarrte geradeaus in den Spiegel, der
auf meinem Nachttiſche ſtand. Und dieſer Spiegel¬
blick löſte den Bann. Denn was heißt denn gerecht
ſein, als richtig ſehen? Ich aber ſah in dem engen
Rahmen das Freifräulein von Reckenburg in ſeinem
hohen Toupet und ſteifen Brocat, die mannshohe Ge¬
ſtalt, mit dem hochgerötheten Geſicht, zu der die welt¬
kundige Greiſin geſagt hatte: „Du entzündeſt kein jun¬
ges Herz.“ In ihrem Schoße aber lag, vom golde¬
nen Lockenſchleier umhüllt, ein Kind mit allen Reizen
des Weibes, mit pulſirender Gluth und auf der Stirn
den Stempel: „Dir wird kein junges Herz wider¬
ſtehen.“
Nach langer Pauſe und einem tiefen Athemzuge
ſenkte ich den Blick von dem Spiegelbilde hinab in
den Schoß. „Gut ſein, gut ſein!“ flüſterte die Zau¬
berin und ihre Lippen brannten auf meiner Hand,
heiß von dem Leben, den eines Anderen Athem dem
Buſen eingehaucht hatte.
„Du haſt Dich hinreißen laſſen, Dorothee,“ ſagte
ich, indem ich ſie in die Höhe zog und mich erhob.
„Wenn es Dir aber leid iſt —“
„Leid?“ rief ſie, erbebend unter dem Schauer
des erſten, kaum geahnten Glücks. „Leid? Nein, o
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