nach beiden Seiten übernommen, auch den Wunsch ausgesprochen, ihn seinem eigenen preußischen Re¬ gimente aggregirt zu sehen. Unter dem nächsten Be¬ fehle eines sächsischen Verwandten, so meinte er, werde die unliebsame Uniform der kurfürstlichen Tutel er¬ träglich werden, und was könnte man im Grunde auch besseres wünschen, als den unbequemen Schütz¬ ling in den Kampf ziehen zu sehen für den bedräng¬ ten königlichen Sohn einer sächsischen Fürstentochter? Völlig unbefangen sprach er auch über seine pecuniairen Verlegenheiten und hoffte deren Abwicklung durch die nämliche vermittelnde Hand.
Der Prinz kehrte seit diesem Tage häufig in dem Reckenburg'schen Familienzimmer ein, ohne an der Quehle in der Hölle ein Aergerniß zu nehmen. Er begegnete uns wie Altbekannten, oder gar Verwandten, vertraute uns den Gang seiner geheimen Unterhandlungen; wir wußten um Zweck und Erfolg seiner häufigen Aus¬ flüge, wir hegten und bargen sein Schicksal wie das eines Angehörigen. Alle übrigen Kleinstädter dahin¬ gegen ließ er mit souveräner Verachtung bei Seite liegen und auf unsere schöne Hauswirthin stieß er un¬ ter unseren Augen nicht ein einziges Mal. Sie waltete still für sich in ihrem Dachgeschoß, wir selber
nach beiden Seiten übernommen, auch den Wunſch ausgeſprochen, ihn ſeinem eigenen preußiſchen Re¬ gimente aggregirt zu ſehen. Unter dem nächſten Be¬ fehle eines ſächſiſchen Verwandten, ſo meinte er, werde die unliebſame Uniform der kurfürſtlichen Tutel er¬ träglich werden, und was könnte man im Grunde auch beſſeres wünſchen, als den unbequemen Schütz¬ ling in den Kampf ziehen zu ſehen für den bedräng¬ ten königlichen Sohn einer ſächſiſchen Fürſtentochter? Völlig unbefangen ſprach er auch über ſeine pecuniairen Verlegenheiten und hoffte deren Abwicklung durch die nämliche vermittelnde Hand.
Der Prinz kehrte ſeit dieſem Tage häufig in dem Reckenburg'ſchen Familienzimmer ein, ohne an der Quehle in der Hölle ein Aergerniß zu nehmen. Er begegnete uns wie Altbekannten, oder gar Verwandten, vertraute uns den Gang ſeiner geheimen Unterhandlungen; wir wußten um Zweck und Erfolg ſeiner häufigen Aus¬ flüge, wir hegten und bargen ſein Schickſal wie das eines Angehörigen. Alle übrigen Kleinſtädter dahin¬ gegen ließ er mit ſouveräner Verachtung bei Seite liegen und auf unſere ſchöne Hauswirthin ſtieß er un¬ ter unſeren Augen nicht ein einziges Mal. Sie waltete ſtill für ſich in ihrem Dachgeſchoß, wir ſelber
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nach beiden Seiten übernommen, auch den Wunſch
ausgeſprochen, ihn ſeinem eigenen preußiſchen Re¬
gimente aggregirt zu ſehen. Unter dem nächſten Be¬
fehle eines ſächſiſchen Verwandten, ſo meinte er, werde
die unliebſame Uniform der kurfürſtlichen Tutel er¬
träglich werden, und was könnte man im Grunde
auch beſſeres wünſchen, als den unbequemen Schütz¬
ling in den Kampf ziehen zu ſehen für den bedräng¬
ten königlichen Sohn einer ſächſiſchen Fürſtentochter?
Völlig unbefangen ſprach er auch über ſeine pecuniairen
Verlegenheiten und hoffte deren Abwicklung durch die
nämliche vermittelnde Hand.
Der Prinz kehrte ſeit dieſem Tage häufig in dem
Reckenburg'ſchen Familienzimmer ein, ohne an der Quehle
in der Hölle ein Aergerniß zu nehmen. Er begegnete
uns wie Altbekannten, oder gar Verwandten, vertraute
uns den Gang ſeiner geheimen Unterhandlungen; wir
wußten um Zweck und Erfolg ſeiner häufigen Aus¬
flüge, wir hegten und bargen ſein Schickſal wie das
eines Angehörigen. Alle übrigen Kleinſtädter dahin¬
gegen ließ er mit ſouveräner Verachtung bei Seite
liegen und auf unſere ſchöne Hauswirthin ſtieß er un¬
ter unſeren Augen nicht ein einziges Mal. Sie
waltete ſtill für ſich in ihrem Dachgeſchoß, wir ſelber
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/263>, abgerufen am 21.11.2024.
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