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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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Sie ging ins Nebenzimmer und sang ein paar
Volkslieder, einfach und lieblich.

"Du hast die blaue Stimme, die Märchenstimme,"
flüsterte Alfred, "laß mich Deine Hand küssen."

"Nein," sagte sie leise, "die Hand hat nichts
damit zu thun, schlafe nun."

"Du machst mich gesund," rief er, "kannst Du
mich auch wieder sehend machen?" -- Es klang kaum
wie eine Frage.

"Willst Geduld haben zu warten, Alfred?" Es
war das erste Mal, daß sie ihn Alfred nannte.

"Bleib bei mir, und ich will, Du Gute, Beste,
Einzige," brach er aus, und es stieg ihm heiß in die
Wangen.

Sie trat rasch heran, um ihm den Eis-Umschlag
zu erneuern. "Kein Wort mehr reden sollst!
schlafen sollst!" flüsterte sie ihm zu, "weißt ja, daß
ich Dich nicht verlasse," es gelang ihm nicht wieder,
ihre Hand zu erhaschen.

Für die Nacht hatte Marianne sich eine Wär¬
terin senden lassen, weil ihr vor der Rückkehr des
Fiebers bangte. Doch ging sie leidlich gut vorüber,
und am nächsten Tage sprach der Arzt davon, daß
der Kranke das Bett verlassen dürfe, wenn er so
fortmache. Der Bruder der Emerenz ward von dem
Fräulein zu einem kleinen vorläufigen Kammerdiener
erhöht, und eine Woche grade nach dem Unfall saß

Sie ging ins Nebenzimmer und ſang ein paar
Volkslieder, einfach und lieblich.

„Du haſt die blaue Stimme, die Märchenſtimme,“
flüſterte Alfred, „laß mich Deine Hand küſſen.“

„Nein,“ ſagte ſie leiſe, „die Hand hat nichts
damit zu thun, ſchlafe nun.“

„Du machſt mich geſund,“ rief er, „kannſt Du
mich auch wieder ſehend machen?“ — Es klang kaum
wie eine Frage.

„Willſt Geduld haben zu warten, Alfred?“ Es
war das erſte Mal, daß ſie ihn Alfred nannte.

„Bleib bei mir, und ich will, Du Gute, Beſte,
Einzige,“ brach er aus, und es ſtieg ihm heiß in die
Wangen.

Sie trat raſch heran, um ihm den Eis-Umſchlag
zu erneuern. „Kein Wort mehr reden ſollſt!
ſchlafen ſollſt!“ flüſterte ſie ihm zu, „weißt ja, daß
ich Dich nicht verlaſſe,“ es gelang ihm nicht wieder,
ihre Hand zu erhaſchen.

Für die Nacht hatte Marianne ſich eine Wär¬
terin ſenden laſſen, weil ihr vor der Rückkehr des
Fiebers bangte. Doch ging ſie leidlich gut vorüber,
und am nächſten Tage ſprach der Arzt davon, daß
der Kranke das Bett verlaſſen dürfe, wenn er ſo
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Fräulein zu einem kleinen vorläufigen Kammerdiener
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[89/0105] Sie ging ins Nebenzimmer und ſang ein paar Volkslieder, einfach und lieblich. „Du haſt die blaue Stimme, die Märchenſtimme,“ flüſterte Alfred, „laß mich Deine Hand küſſen.“ „Nein,“ ſagte ſie leiſe, „die Hand hat nichts damit zu thun, ſchlafe nun.“ „Du machſt mich geſund,“ rief er, „kannſt Du mich auch wieder ſehend machen?“ — Es klang kaum wie eine Frage. „Willſt Geduld haben zu warten, Alfred?“ Es war das erſte Mal, daß ſie ihn Alfred nannte. „Bleib bei mir, und ich will, Du Gute, Beſte, Einzige,“ brach er aus, und es ſtieg ihm heiß in die Wangen. Sie trat raſch heran, um ihm den Eis-Umſchlag zu erneuern. „Kein Wort mehr reden ſollſt! ſchlafen ſollſt!“ flüſterte ſie ihm zu, „weißt ja, daß ich Dich nicht verlaſſe,“ es gelang ihm nicht wieder, ihre Hand zu erhaſchen. Für die Nacht hatte Marianne ſich eine Wär¬ terin ſenden laſſen, weil ihr vor der Rückkehr des Fiebers bangte. Doch ging ſie leidlich gut vorüber, und am nächſten Tage ſprach der Arzt davon, daß der Kranke das Bett verlaſſen dürfe, wenn er ſo fortmache. Der Bruder der Emerenz ward von dem Fräulein zu einem kleinen vorläufigen Kammerdiener erhöht, und eine Woche grade nach dem Unfall ſaß

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/105>, abgerufen am 24.11.2024.