blind! blind! unnütz! elend verurtheilt! dann könnt ich rasen, wie am ersten Tage, oder mich in das Wasser stürzen, wenn Du nicht wärst!"
"Ich glaub's schon," sagte sie. "Wir wären freilich nie zusammen kommen, ohne Dein Unglück."
"So will ich es doch segnen!" rief er hastig.
"Was redest Du!" flüsterte sie verwirrt.
"Segnen!" rief er, "segnen!" riß ihre Hand an sich und biß heftig hinein, daß sie mit Mühe einen Schrei unterdrückte. "Es thut mir weh, so lieb hab ich Dich! Du kennst mich noch nicht!" sprudelte er.
Marianne hatte die Lippen auf die blutende Wunde gepreßt, aber wenn er ihre leuchtenden Augen hätte sehen können, er hätte sie wohl noch nicht los¬ gelassen.
"Du Wilder!" lächelte sie, "es blutet ordentlich! Ich bin nur froh, daß die Loni es nicht gesehen hat."
Ein Schein von Uebermuth flog über sein Gesicht.
"Manchmal kannst Du auch eine rechte Schel¬ merei sagen, ganz wie andere Mädchen!" rief er be¬ wundernd. "Die Loni macht sich nichts aus mir, und ich mir nichts aus der Loni! Du aber --" seine Stimme schmolz, wie immer, wenn sie ihm er¬ laubte, von ihr zu reden. Er hatte jenes zugleich Weiche und Sprühende des Wesens, das eigentlich den Zauber der Jugend ausmacht und nur den Aus¬
blind! blind! unnütz! elend verurtheilt! dann könnt ich raſen, wie am erſten Tage, oder mich in das Waſſer ſtürzen, wenn Du nicht wärſt!“
„Ich glaub's ſchon,“ ſagte ſie. „Wir wären freilich nie zuſammen kommen, ohne Dein Unglück.“
„So will ich es doch ſegnen!“ rief er haſtig.
„Was redeſt Du!“ flüſterte ſie verwirrt.
„Segnen!“ rief er, „ſegnen!“ riß ihre Hand an ſich und biß heftig hinein, daß ſie mit Mühe einen Schrei unterdrückte. „Es thut mir weh, ſo lieb hab ich Dich! Du kennſt mich noch nicht!“ ſprudelte er.
Marianne hatte die Lippen auf die blutende Wunde gepreßt, aber wenn er ihre leuchtenden Augen hätte ſehen können, er hätte ſie wohl noch nicht los¬ gelaſſen.
„Du Wilder!“ lächelte ſie, „es blutet ordentlich! Ich bin nur froh, daß die Loni es nicht geſehen hat.“
Ein Schein von Uebermuth flog über ſein Geſicht.
„Manchmal kannſt Du auch eine rechte Schel¬ merei ſagen, ganz wie andere Mädchen!“ rief er be¬ wundernd. „Die Loni macht ſich nichts aus mir, und ich mir nichts aus der Loni! Du aber —“ ſeine Stimme ſchmolz, wie immer, wenn ſie ihm er¬ laubte, von ihr zu reden. Er hatte jenes zugleich Weiche und Sprühende des Weſens, das eigentlich den Zauber der Jugend ausmacht und nur den Aus¬
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blind! blind! unnütz! elend verurtheilt! dann könnt
ich raſen, wie am erſten Tage, oder mich in das
Waſſer ſtürzen, wenn Du nicht wärſt!“
„Ich glaub's ſchon,“ ſagte ſie. „Wir wären
freilich nie zuſammen kommen, ohne Dein Unglück.“
„So will ich es doch ſegnen!“ rief er haſtig.
„Was redeſt Du!“ flüſterte ſie verwirrt.
„Segnen!“ rief er, „ſegnen!“ riß ihre Hand an
ſich und biß heftig hinein, daß ſie mit Mühe einen
Schrei unterdrückte. „Es thut mir weh, ſo lieb hab
ich Dich! Du kennſt mich noch nicht!“ ſprudelte er.
Marianne hatte die Lippen auf die blutende
Wunde gepreßt, aber wenn er ihre leuchtenden Augen
hätte ſehen können, er hätte ſie wohl noch nicht los¬
gelaſſen.
„Du Wilder!“ lächelte ſie, „es blutet ordentlich!
Ich bin nur froh, daß die Loni es nicht geſehen hat.“
Ein Schein von Uebermuth flog über ſein Geſicht.
„Manchmal kannſt Du auch eine rechte Schel¬
merei ſagen, ganz wie andere Mädchen!“ rief er be¬
wundernd. „Die Loni macht ſich nichts aus mir,
und ich mir nichts aus der Loni! Du aber —“
ſeine Stimme ſchmolz, wie immer, wenn ſie ihm er¬
laubte, von ihr zu reden. Er hatte jenes zugleich
Weiche und Sprühende des Weſens, das eigentlich
den Zauber der Jugend ausmacht und nur den Aus¬
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/130>, abgerufen am 16.02.2025.
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