ein Hündchen oder Kätzchen, das ein Recht hat auf den Eintritt.
Leo kam ihm entgegen, es schien, daß er eine Frage in seinem dicken Kopf bewege.
"Fräulein Marianne?" sagte er erwartungsvoll.
"Sie war nicht hier?" rief Alfred, von einer blassen Hoffnung erfaßt.
Der Junge schüttelte den Kopf. "Es hat mich selbst gewundert."
Alfred schlug die Thür hinter ihm zu und warf sich in einen Stuhl. Doch war kaum eine Minute vergangen, so ward die Thür wieder geöffnet, und der Junge guckte herein:
"Die Emerenz hat gesagt, das Fräulein sei fort."
"Wo ist die Emerenz?" rief Alfred aufspringend.
"Sie ist schon wieder weg, und die Hausfrau hat mir den Brief da geben."
Alfred nahm ihn kopfnickend, wie etwas Er¬ wartetes. Als er ihn aber entfaltete und las, all die Liebe und Zärtlichkeit, die ein blutendes Herz in diese Blätter gelegt, da brach er ganz zusammen und rief mit tausend Schmerzen nach der Geliebten und Verlorenen. Warum verloren? Ach, da stand es nur zu klar:
"Ich bin nicht schwach, geliebter Freund, aber doch auch nicht stark genug, um noch einmal Dein Zurückschaudern zu ertragen, wenn Du mich erblick¬
ein Hündchen oder Kätzchen, das ein Recht hat auf den Eintritt.
Leo kam ihm entgegen, es ſchien, daß er eine Frage in ſeinem dicken Kopf bewege.
„Fräulein Marianne?“ ſagte er erwartungsvoll.
„Sie war nicht hier?“ rief Alfred, von einer blaſſen Hoffnung erfaßt.
Der Junge ſchüttelte den Kopf. „Es hat mich ſelbſt gewundert.“
Alfred ſchlug die Thür hinter ihm zu und warf ſich in einen Stuhl. Doch war kaum eine Minute vergangen, ſo ward die Thür wieder geöffnet, und der Junge guckte herein:
„Die Emerenz hat geſagt, das Fräulein ſei fort.“
„Wo iſt die Emerenz?“ rief Alfred aufſpringend.
„Sie iſt ſchon wieder weg, und die Hausfrau hat mir den Brief da geben.“
Alfred nahm ihn kopfnickend, wie etwas Er¬ wartetes. Als er ihn aber entfaltete und las, all die Liebe und Zärtlichkeit, die ein blutendes Herz in dieſe Blätter gelegt, da brach er ganz zuſammen und rief mit tauſend Schmerzen nach der Geliebten und Verlorenen. Warum verloren? Ach, da ſtand es nur zu klar:
„Ich bin nicht ſchwach, geliebter Freund, aber doch auch nicht ſtark genug, um noch einmal Dein Zurückſchaudern zu ertragen, wenn Du mich erblick¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0150"n="134"/>
ein Hündchen oder Kätzchen, das ein Recht hat auf<lb/>
den Eintritt.</p><lb/><p>Leo kam ihm entgegen, es ſchien, daß er eine<lb/>
Frage in ſeinem dicken Kopf bewege.</p><lb/><p>„Fräulein Marianne?“ſagte er erwartungsvoll.</p><lb/><p>„Sie war nicht hier?“ rief Alfred, von einer<lb/>
blaſſen Hoffnung erfaßt.</p><lb/><p>Der Junge ſchüttelte den Kopf. „Es hat mich<lb/>ſelbſt gewundert.“</p><lb/><p>Alfred ſchlug die Thür hinter ihm zu und warf<lb/>ſich in einen Stuhl. Doch war kaum eine Minute<lb/>
vergangen, ſo ward die Thür wieder geöffnet, und<lb/>
der Junge guckte herein:</p><lb/><p>„Die Emerenz hat geſagt, das Fräulein ſei fort.“</p><lb/><p>„Wo iſt die Emerenz?“ rief Alfred aufſpringend.</p><lb/><p>„Sie iſt ſchon wieder weg, und die Hausfrau<lb/>
hat mir den Brief da geben.“</p><lb/><p>Alfred nahm ihn kopfnickend, wie etwas Er¬<lb/>
wartetes. Als er ihn aber entfaltete und las, all die<lb/>
Liebe und Zärtlichkeit, die ein blutendes Herz in<lb/>
dieſe Blätter gelegt, da brach er ganz zuſammen und<lb/>
rief mit tauſend Schmerzen nach der Geliebten und<lb/>
Verlorenen. Warum verloren? Ach, da ſtand es<lb/>
nur zu klar:</p><lb/><p>„Ich bin nicht ſchwach, geliebter Freund, aber<lb/>
doch auch nicht ſtark genug, um noch einmal Dein<lb/>
Zurückſchaudern zu ertragen, wenn Du mich erblick¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[134/0150]
ein Hündchen oder Kätzchen, das ein Recht hat auf
den Eintritt.
Leo kam ihm entgegen, es ſchien, daß er eine
Frage in ſeinem dicken Kopf bewege.
„Fräulein Marianne?“ ſagte er erwartungsvoll.
„Sie war nicht hier?“ rief Alfred, von einer
blaſſen Hoffnung erfaßt.
Der Junge ſchüttelte den Kopf. „Es hat mich
ſelbſt gewundert.“
Alfred ſchlug die Thür hinter ihm zu und warf
ſich in einen Stuhl. Doch war kaum eine Minute
vergangen, ſo ward die Thür wieder geöffnet, und
der Junge guckte herein:
„Die Emerenz hat geſagt, das Fräulein ſei fort.“
„Wo iſt die Emerenz?“ rief Alfred aufſpringend.
„Sie iſt ſchon wieder weg, und die Hausfrau
hat mir den Brief da geben.“
Alfred nahm ihn kopfnickend, wie etwas Er¬
wartetes. Als er ihn aber entfaltete und las, all die
Liebe und Zärtlichkeit, die ein blutendes Herz in
dieſe Blätter gelegt, da brach er ganz zuſammen und
rief mit tauſend Schmerzen nach der Geliebten und
Verlorenen. Warum verloren? Ach, da ſtand es
nur zu klar:
„Ich bin nicht ſchwach, geliebter Freund, aber
doch auch nicht ſtark genug, um noch einmal Dein
Zurückſchaudern zu ertragen, wenn Du mich erblick¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/150>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.