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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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von der Straße. Unter den Büschen auf niederen
Bänken saßen einige Knaben, mit Strohflechten be¬
schäftigt; sie hoben die Köpfe beim Geräusch der
Schritte, standen aber nicht auf. Die Hausthür war
nur angelehnt. Drinnen war es angenehm kühl und
sonnenlos. Wolff zog die Glocke. Sogleich sprang
die zweite innere Thür auf, und nun standen sie auf
einem großen Flur, in den eine Reihe von Sälen
mündete, Alles nüchtern, schmucklos, viereckig. Es
war still hier; die beklemmende Atmosphäre, die grö¬
ßeren Anstalten eigen ist, fiel bei der Hitze doppelt
auf. Loni schüttelte den Kopf: "Hier sind wir nicht
recht; sie hat doch geschrieben, es gehe ihr so gut."

Ein Mädchen trat aus einem der Säle, einige
Teller in der Hand.

Wolff ging auf sie zu und fragte nach dem
Fräulein Marianne. Nein, Fräulein Marianne war
nicht daheim, das gute Fräulein war mit einigen der
Zöglinge ausgegangen. "Sie heißt auch hier das
gute Fräulein," flüsterte Wolff seiner Frau zu, "frag'
doch, wann wir sie sicher treffen." Das Mädchen
gab für den nächsten Tag eine bestimmte Zeit an;
sie trugen ihr Gr[u]ße auf; dann wandten sie sich
mit schwer enttäuschten Gesichtern zum Weggehen.
Loni wagte kaum, die Kinder anzusehen, die mit vor¬
sichtigen, tastenden Bewegungen über den Flur gin¬
gen, und deren blicklose Augen beredt genug sprachen.

von der Straße. Unter den Büſchen auf niederen
Bänken ſaßen einige Knaben, mit Strohflechten be¬
ſchäftigt; ſie hoben die Köpfe beim Geräuſch der
Schritte, ſtanden aber nicht auf. Die Hausthür war
nur angelehnt. Drinnen war es angenehm kühl und
ſonnenlos. Wolff zog die Glocke. Sogleich ſprang
die zweite innere Thür auf, und nun ſtanden ſie auf
einem großen Flur, in den eine Reihe von Sälen
mündete, Alles nüchtern, ſchmucklos, viereckig. Es
war ſtill hier; die beklemmende Atmoſphäre, die grö¬
ßeren Anſtalten eigen iſt, fiel bei der Hitze doppelt
auf. Loni ſchüttelte den Kopf: „Hier ſind wir nicht
recht; ſie hat doch geſchrieben, es gehe ihr ſo gut.“

Ein Mädchen trat aus einem der Säle, einige
Teller in der Hand.

Wolff ging auf ſie zu und fragte nach dem
Fräulein Marianne. Nein, Fräulein Marianne war
nicht daheim, das gute Fräulein war mit einigen der
Zöglinge ausgegangen. „Sie heißt auch hier das
gute Fräulein,“ flüſterte Wolff ſeiner Frau zu, „frag'
doch, wann wir ſie ſicher treffen.“ Das Mädchen
gab für den nächſten Tag eine beſtimmte Zeit an;
ſie trugen ihr Gr[u]ße auf; dann wandten ſie ſich
mit ſchwer enttäuſchten Geſichtern zum Weggehen.
Loni wagte kaum, die Kinder anzuſehen, die mit vor¬
ſichtigen, taſtenden Bewegungen über den Flur gin¬
gen, und deren blickloſe Augen beredt genug ſprachen.

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[137/0153] von der Straße. Unter den Büſchen auf niederen Bänken ſaßen einige Knaben, mit Strohflechten be¬ ſchäftigt; ſie hoben die Köpfe beim Geräuſch der Schritte, ſtanden aber nicht auf. Die Hausthür war nur angelehnt. Drinnen war es angenehm kühl und ſonnenlos. Wolff zog die Glocke. Sogleich ſprang die zweite innere Thür auf, und nun ſtanden ſie auf einem großen Flur, in den eine Reihe von Sälen mündete, Alles nüchtern, ſchmucklos, viereckig. Es war ſtill hier; die beklemmende Atmoſphäre, die grö¬ ßeren Anſtalten eigen iſt, fiel bei der Hitze doppelt auf. Loni ſchüttelte den Kopf: „Hier ſind wir nicht recht; ſie hat doch geſchrieben, es gehe ihr ſo gut.“ Ein Mädchen trat aus einem der Säle, einige Teller in der Hand. Wolff ging auf ſie zu und fragte nach dem Fräulein Marianne. Nein, Fräulein Marianne war nicht daheim, das gute Fräulein war mit einigen der Zöglinge ausgegangen. „Sie heißt auch hier das gute Fräulein,“ flüſterte Wolff ſeiner Frau zu, „frag' doch, wann wir ſie ſicher treffen.“ Das Mädchen gab für den nächſten Tag eine beſtimmte Zeit an; ſie trugen ihr Gruße auf; dann wandten ſie ſich mit ſchwer enttäuſchten Geſichtern zum Weggehen. Loni wagte kaum, die Kinder anzuſehen, die mit vor¬ ſichtigen, taſtenden Bewegungen über den Flur gin¬ gen, und deren blickloſe Augen beredt genug ſprachen.

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/153>, abgerufen am 21.11.2024.