macht's Bücken nichts, aber ich hab' derweil mit'm Johann zu reden." Das Reden ist stundenlang fort¬ gangen, sie haben scharmirt, ordentlich g'schmatzt haben's, und ich hab' für sie g'schafft. Wenn's aber zu Tisch gangen ist, da bin ich wieder "a kloans Madel" g'wesen, das essen kann, was die Hund' übrig lassen! Meinst, daß die Dienstleut' einander was gunnen? Glaubst, ich wär' stark und groß wor¬ den, wenn ich mir nit g'nommen hätt', was ich braucht hab'? O, Du bist leicht durch d' Welt kom¬ men, Michel, aber ich! Nur kein uneh'lich's Kind sein! En herrenloses Katzerl hat's besser! Da lernt man's erkennen, wie schlecht die Menschen sind, und 's wird einem alles gleichgültig!" Sie sah ihn furchtlos an. "Sogar unterrichten hat sie mich lassen, die gnä' Frau Fürstin, zwei ganze Jahr, weil näm¬ lich die gnä' Prinzeß nit hat lernen wollen! O, sie hat können recht lieb sein, hat mir auch manches herg'schenkt von abg'legten Kleidern. Da ist aber emal einer kommen, ein Verwandter, auch so e nob¬ liger Herr, der hat g'meint, die gnä' Prinzeß wär' ich, weil ich bin sauber und groß g'wesen und sie nur en elendes, schieches Ding! Das hat emal en Bum¬ per*) geben. Da ist sie nimmer lieb g'wesen! Gleich hab' ich die Kleider herunterthun müssen, und mit
*) Lärm, Schlag.
macht's Bücken nichts, aber ich hab' derweil mit'm Johann zu reden.“ Das Reden iſt ſtundenlang fort¬ gangen, ſie haben ſcharmirt, ordentlich g'ſchmatzt haben's, und ich hab' für ſie g'ſchafft. Wenn's aber zu Tiſch gangen iſt, da bin ich wieder „a kloans Madel“ g'weſen, das eſſen kann, was die Hund' übrig laſſen! Meinſt, daß die Dienſtleut' einander was gunnen? Glaubſt, ich wär' ſtark und groß wor¬ den, wenn ich mir nit g'nommen hätt', was ich braucht hab'? O, Du biſt leicht durch d' Welt kom¬ men, Michel, aber ich! Nur kein uneh'lich's Kind ſein! En herrenloſes Katzerl hat's beſſer! Da lernt man's erkennen, wie ſchlecht die Menſchen ſind, und 's wird einem alles gleichgültig!“ Sie ſah ihn furchtlos an. „Sogar unterrichten hat ſie mich laſſen, die gnä' Frau Fürſtin, zwei ganze Jahr, weil näm¬ lich die gnä' Prinzeß nit hat lernen wollen! O, ſie hat können recht lieb ſein, hat mir auch manches herg'ſchenkt von abg'legten Kleidern. Da iſt aber emal einer kommen, ein Verwandter, auch ſo e nob¬ liger Herr, der hat g'meint, die gnä' Prinzeß wär' ich, weil ich bin ſauber und groß g'weſen und ſie nur en elendes, ſchieches Ding! Das hat emal en Bum¬ per*) geben. Da iſt ſie nimmer lieb g'weſen! Gleich hab' ich die Kleider herunterthun müſſen, und mit
*) Lärm, Schlag.
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macht's Bücken nichts, aber ich hab' derweil mit'm
Johann zu reden.“ Das Reden iſt ſtundenlang fort¬
gangen, ſie haben ſcharmirt, ordentlich g'ſchmatzt
haben's, und ich hab' für ſie g'ſchafft. Wenn's aber
zu Tiſch gangen iſt, da bin ich wieder „a kloans
Madel“ g'weſen, das eſſen kann, was die Hund'
übrig laſſen! Meinſt, daß die Dienſtleut' einander
was gunnen? Glaubſt, ich wär' ſtark und groß wor¬
den, wenn ich mir nit g'nommen hätt', was ich
braucht hab'? O, Du biſt leicht durch d' Welt kom¬
men, Michel, aber ich! Nur kein uneh'lich's Kind
ſein! En herrenloſes Katzerl hat's beſſer! Da lernt
man's erkennen, wie ſchlecht die Menſchen ſind, und
's wird einem alles gleichgültig!“ Sie ſah ihn
furchtlos an. „Sogar unterrichten hat ſie mich laſſen,
die gnä' Frau Fürſtin, zwei ganze Jahr, weil näm¬
lich die gnä' Prinzeß nit hat lernen wollen! O, ſie
hat können recht lieb ſein, hat mir auch manches
herg'ſchenkt von abg'legten Kleidern. Da iſt aber
emal einer kommen, ein Verwandter, auch ſo e nob¬
liger Herr, der hat g'meint, die gnä' Prinzeß wär'
ich, weil ich bin ſauber und groß g'weſen und ſie nur
en elendes, ſchieches Ding! Das hat emal en Bum¬
per *) geben. Da iſt ſie nimmer lieb g'weſen! Gleich
hab' ich die Kleider herunterthun müſſen, und mit
*) Lärm, Schlag.
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/196>, abgerufen am 16.02.2025.
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