den Lehrstunden bei der Fräulein Erzieherin ist's aus g'wesen. Ja, wo der Steg niedrig ist, darüber steigt man gern! Die Prinzeß ist aber drum nit schöner worden!" Sie lachte höhnisch. "Warum sollt' ich nicht lügen? Ich glaub' ja auch keinem was! Meinst, ich thät' Dir glauben, daß D' mich heirathen willst? Wenn du mich kriegen könnt'st, ohne das, gelt, Dir wär's noch lieber?"
Sie bückte sich, um in seine Augen zu sehen.
"O, Moni, Du weißt net, was gut und bös' ischt!" rief Michel.
Sie lachte leichtfertig.
"Bös' ist, wenn man nichts zu essen hat, und gut ist, wenn man sich lieben thut," scherzte sie und wollte ihn umarmen.
Aber er schob sie weg.
"'s gaht nemme! 's gaht nemme!" murmelte er und griff sich an die Stirn.
Da warf sie schmollend die Lippe auf: "Hab' ich Dir's nicht g'sagt? Weil ich en arm's Madel bin -- o, so eins hat kein Glück! Jetzt hab' ich denkt', der ist treu, dem kannst emal Dein Herz aus¬ schütten --" und wieder begann sie qualvoll zu weinen.
"Wenn i net mei' Ehr ei'g'setzt hätt'," sagte Michel zu sich selbst; "wenn i net meines Königs Rock b'schmutzt und zerrisse hätt', wenn i net -- --"
den Lehrſtunden bei der Fräulein Erzieherin iſt's aus g'weſen. Ja, wo der Steg niedrig iſt, darüber ſteigt man gern! Die Prinzeß iſt aber drum nit ſchöner worden!“ Sie lachte höhniſch. „Warum ſollt' ich nicht lügen? Ich glaub' ja auch keinem was! Meinſt, ich thät' Dir glauben, daß D' mich heirathen willſt? Wenn du mich kriegen könnt'ſt, ohne das, gelt, Dir wär's noch lieber?“
Sie bückte ſich, um in ſeine Augen zu ſehen.
„O, Moni, Du weißt net, was gut und böſ' iſcht!“ rief Michel.
Sie lachte leichtfertig.
„Böſ' iſt, wenn man nichts zu eſſen hat, und gut iſt, wenn man ſich lieben thut,“ ſcherzte ſie und wollte ihn umarmen.
Aber er ſchob ſie weg.
„'s gaht nemme! 's gaht nemme!“ murmelte er und griff ſich an die Stirn.
Da warf ſie ſchmollend die Lippe auf: „Hab' ich Dir's nicht g'ſagt? Weil ich en arm's Madel bin — o, ſo eins hat kein Glück! Jetzt hab' ich denkt', der iſt treu, dem kannſt emal Dein Herz aus¬ ſchütten —“ und wieder begann ſie qualvoll zu weinen.
„Wenn i net mei' Ehr ei'g'ſetzt hätt',“ ſagte Michel zu ſich ſelbſt; „wenn i net meines Königs Rock b'ſchmutzt und zerriſſe hätt', wenn i net — —“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0197"n="181"/>
den Lehrſtunden bei der Fräulein Erzieherin iſt's aus<lb/>
g'weſen. Ja, wo der Steg niedrig iſt, darüber ſteigt<lb/>
man gern! Die Prinzeß iſt aber drum nit ſchöner<lb/>
worden!“ Sie lachte höhniſch. „Warum ſollt' ich<lb/>
nicht lügen? Ich glaub' ja auch keinem was!<lb/>
Meinſt, ich thät' Dir glauben, daß D' mich heirathen<lb/>
willſt? Wenn du mich kriegen könnt'ſt, ohne das,<lb/>
gelt, Dir wär's noch lieber?“</p><lb/><p>Sie bückte ſich, um in ſeine Augen zu ſehen.</p><lb/><p>„O, Moni, Du weißt net, was gut und böſ'<lb/>
iſcht!“ rief Michel.</p><lb/><p>Sie lachte leichtfertig.</p><lb/><p>„Böſ' iſt, wenn man nichts zu eſſen hat, und<lb/>
gut iſt, wenn man ſich lieben thut,“ſcherzte ſie und<lb/>
wollte ihn umarmen.</p><lb/><p>Aber er ſchob ſie weg.</p><lb/><p>„'s gaht nemme! 's gaht nemme!“ murmelte<lb/>
er und griff ſich an die Stirn.</p><lb/><p>Da warf ſie ſchmollend die Lippe auf: „Hab'<lb/>
ich Dir's nicht g'ſagt? Weil ich en arm's Madel bin<lb/>— o, ſo eins hat kein Glück! Jetzt hab' ich denkt',<lb/>
der iſt treu, dem kannſt emal Dein Herz aus¬<lb/>ſchütten —“ und wieder begann ſie qualvoll zu<lb/>
weinen.</p><lb/><p>„Wenn i net mei' Ehr ei'g'ſetzt hätt',“ſagte<lb/>
Michel zu ſich ſelbſt; „wenn i net meines Königs<lb/>
Rock b'ſchmutzt und zerriſſe hätt', wenn i net ——“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[181/0197]
den Lehrſtunden bei der Fräulein Erzieherin iſt's aus
g'weſen. Ja, wo der Steg niedrig iſt, darüber ſteigt
man gern! Die Prinzeß iſt aber drum nit ſchöner
worden!“ Sie lachte höhniſch. „Warum ſollt' ich
nicht lügen? Ich glaub' ja auch keinem was!
Meinſt, ich thät' Dir glauben, daß D' mich heirathen
willſt? Wenn du mich kriegen könnt'ſt, ohne das,
gelt, Dir wär's noch lieber?“
Sie bückte ſich, um in ſeine Augen zu ſehen.
„O, Moni, Du weißt net, was gut und böſ'
iſcht!“ rief Michel.
Sie lachte leichtfertig.
„Böſ' iſt, wenn man nichts zu eſſen hat, und
gut iſt, wenn man ſich lieben thut,“ ſcherzte ſie und
wollte ihn umarmen.
Aber er ſchob ſie weg.
„'s gaht nemme! 's gaht nemme!“ murmelte
er und griff ſich an die Stirn.
Da warf ſie ſchmollend die Lippe auf: „Hab'
ich Dir's nicht g'ſagt? Weil ich en arm's Madel bin
— o, ſo eins hat kein Glück! Jetzt hab' ich denkt',
der iſt treu, dem kannſt emal Dein Herz aus¬
ſchütten —“ und wieder begann ſie qualvoll zu
weinen.
„Wenn i net mei' Ehr ei'g'ſetzt hätt',“ ſagte
Michel zu ſich ſelbſt; „wenn i net meines Königs
Rock b'ſchmutzt und zerriſſe hätt', wenn i net — —“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/197>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.