Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.Das Mädchen unterbrach die jammervolle Klage: "Einer weiß scho," sagte Michel dumpf. "Ha, Du verrathst mich nit, und der droben, Da schlug plötzlich die Kirchenuhr, klar und nah, Das Mädchen drängte ihn zurück auf die Bank. Michel schüttelte sie ab: "No krieg i de erschte Das Mädchen unterbrach die jammervolle Klage: „Einer weiß ſcho,“ ſagte Michel dumpf. „Ha, Du verrathſt mich nit, und der droben, Da ſchlug plötzlich die Kirchenuhr, klar und nah, Das Mädchen drängte ihn zurück auf die Bank. Michel ſchüttelte ſie ab: „No krieg i de erſchte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0198" n="182"/> <p>Das Mädchen unterbrach die jammervolle Klage:<lb/> „Jetzt, Michel, gib Ruh; ich hab' Dich tauſendmal<lb/> lieber, als vorher, das ſag' ich Dir gleich, und wenn's<lb/> keiner weiß — —“</p><lb/> <p>„Einer weiß ſcho,“ ſagte Michel dumpf.</p><lb/> <p>„Ha, Du verrathſt mich nit, und der droben,<lb/> wenn Du den meinſt, den gibt's nicht,“ rief das<lb/> Mädchen zuverſichtlich. „Schau, wenn er da wär',<lb/> hätt' er mir wohl helfen können manch liebes Mal;<lb/> wann er aber nicht helfen will, ſoll er auch nicht<lb/> ſtrafen! 's iſt kein Blitz kommen heut Nachmittag!“<lb/> fuhr ſie fort und warf einen erwartungsvollen Blick<lb/> nach dem Himmel.</p><lb/> <p>Da ſchlug plötzlich die Kirchenuhr, klar und nah,<lb/> Michel horchte auf, zählte laut. Er war aufgeſprun¬<lb/> gen. Als aber das Schlagen gar kein Ende nahm<lb/> und er nun „elf“ zählte, ſchrie er Monika an: „Mä¬<lb/> dele, iſcht des wahr? No iſcht jo o' Zeit verpaßt,<lb/> no komm' i net mehr in d' Kaſern!“</p><lb/> <p>Das Mädchen drängte ihn zurück auf die Bank.<lb/> „So bleibſt hier,“ flüſterte ſie, „die Herrſchaft kommt<lb/> erſt gegen Morgen nach Haus.“</p><lb/> <p>Michel ſchüttelte ſie ab: „No krieg i de erſchte<lb/> Arreſt in meiner ganze Dienſchtzeit, — und mit em<lb/> Schultheiß iſch erſt nex, — i ka' ja kei Schultheiß<lb/> mehr ſei, — i halt's ja mit'er Diebin!“ Er ſtützte<lb/> den Kopf in die Hände und weinte bitterlich.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [182/0198]
Das Mädchen unterbrach die jammervolle Klage:
„Jetzt, Michel, gib Ruh; ich hab' Dich tauſendmal
lieber, als vorher, das ſag' ich Dir gleich, und wenn's
keiner weiß — —“
„Einer weiß ſcho,“ ſagte Michel dumpf.
„Ha, Du verrathſt mich nit, und der droben,
wenn Du den meinſt, den gibt's nicht,“ rief das
Mädchen zuverſichtlich. „Schau, wenn er da wär',
hätt' er mir wohl helfen können manch liebes Mal;
wann er aber nicht helfen will, ſoll er auch nicht
ſtrafen! 's iſt kein Blitz kommen heut Nachmittag!“
fuhr ſie fort und warf einen erwartungsvollen Blick
nach dem Himmel.
Da ſchlug plötzlich die Kirchenuhr, klar und nah,
Michel horchte auf, zählte laut. Er war aufgeſprun¬
gen. Als aber das Schlagen gar kein Ende nahm
und er nun „elf“ zählte, ſchrie er Monika an: „Mä¬
dele, iſcht des wahr? No iſcht jo o' Zeit verpaßt,
no komm' i net mehr in d' Kaſern!“
Das Mädchen drängte ihn zurück auf die Bank.
„So bleibſt hier,“ flüſterte ſie, „die Herrſchaft kommt
erſt gegen Morgen nach Haus.“
Michel ſchüttelte ſie ab: „No krieg i de erſchte
Arreſt in meiner ganze Dienſchtzeit, — und mit em
Schultheiß iſch erſt nex, — i ka' ja kei Schultheiß
mehr ſei, — i halt's ja mit'er Diebin!“ Er ſtützte
den Kopf in die Hände und weinte bitterlich.
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