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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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sagt, ich werde sentimental, aber ich bin ja nur so
außer mir vor Freude!

Eure Kläre.

Dieselbe an Dieselben.

Meine süßen Kinder! Eigentlich war es ur¬
komisch, wie ich mich gestern Abend an den Table
d'hote
-Tisch setze und plötzlich in meinem Nachbarn
zur Rechten, -- links saß Mama, -- den Feind, den
Landrath erkenne! Mein erster Gedanke war: Gott
sei Dank, Putzi ist geborgen in meinem Zimmer auf
dem Sopha. Da fing der schreckliche Mensch mit
vollem Munde an zu sprechen, ganz als ob wir immer
die besten Freunde gewesen wären! "Na, wie geht's
Ihnen, Fräulein? Haben Sie das Reisen noch nicht
bald dick? Mir ist die Geschichte jetzt schon bis übern
Hals! -- Thür zu!" brüllte er den Kellner an, "es
ist so schon 'ne Hundekälte hier!" Ich blickte ihn er¬
staunt an, aber er fuhr ganz zornig fort: "Na ja,
die Sonne kriecht ja schon um vier Nachmittags hin¬
ter die Berge, wie soll es da nicht kalt sein?" --
"O, es ist im Garten himmlisch," wagte ich zu
sagen, "die Nachtigallen singen jetzt die ganze Nacht!"
Da legte er Messer und Gabel hin und stotterte er¬

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ſagt, ich werde ſentimental, aber ich bin ja nur ſo
außer mir vor Freude!

Eure Kläre.

Dieſelbe an Dieſelben.

Meine ſüßen Kinder! Eigentlich war es ur¬
komiſch, wie ich mich geſtern Abend an den Table
d'hôte
-Tiſch ſetze und plötzlich in meinem Nachbarn
zur Rechten, — links ſaß Mama, — den Feind, den
Landrath erkenne! Mein erſter Gedanke war: Gott
ſei Dank, Putzi iſt geborgen in meinem Zimmer auf
dem Sopha. Da fing der ſchreckliche Menſch mit
vollem Munde an zu ſprechen, ganz als ob wir immer
die beſten Freunde geweſen wären! „Na, wie geht's
Ihnen, Fräulein? Haben Sie das Reiſen noch nicht
bald dick? Mir iſt die Geſchichte jetzt ſchon bis übern
Hals! — Thür zu!“ brüllte er den Kellner an, „es
iſt ſo ſchon 'ne Hundekälte hier!“ Ich blickte ihn er¬
ſtaunt an, aber er fuhr ganz zornig fort: „Na ja,
die Sonne kriecht ja ſchon um vier Nachmittags hin¬
ter die Berge, wie ſoll es da nicht kalt ſein?“ —
„O, es iſt im Garten himmliſch,“ wagte ich zu
ſagen, „die Nachtigallen ſingen jetzt die ganze Nacht!“
Da legte er Meſſer und Gabel hin und ſtotterte er¬

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[211/0227] ſagt, ich werde ſentimental, aber ich bin ja nur ſo außer mir vor Freude! Eure Kläre. Dieſelbe an Dieſelben. Riva, Hôtel du Lac, 31. März. 7 Uhr Morgens auf dem Balkon. Meine ſüßen Kinder! Eigentlich war es ur¬ komiſch, wie ich mich geſtern Abend an den Table d'hôte-Tiſch ſetze und plötzlich in meinem Nachbarn zur Rechten, — links ſaß Mama, — den Feind, den Landrath erkenne! Mein erſter Gedanke war: Gott ſei Dank, Putzi iſt geborgen in meinem Zimmer auf dem Sopha. Da fing der ſchreckliche Menſch mit vollem Munde an zu ſprechen, ganz als ob wir immer die beſten Freunde geweſen wären! „Na, wie geht's Ihnen, Fräulein? Haben Sie das Reiſen noch nicht bald dick? Mir iſt die Geſchichte jetzt ſchon bis übern Hals! — Thür zu!“ brüllte er den Kellner an, „es iſt ſo ſchon 'ne Hundekälte hier!“ Ich blickte ihn er¬ ſtaunt an, aber er fuhr ganz zornig fort: „Na ja, die Sonne kriecht ja ſchon um vier Nachmittags hin¬ ter die Berge, wie ſoll es da nicht kalt ſein?“ — „O, es iſt im Garten himmliſch,“ wagte ich zu ſagen, „die Nachtigallen ſingen jetzt die ganze Nacht!“ Da legte er Meſſer und Gabel hin und ſtotterte er¬ 14 *

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/227>, abgerufen am 24.11.2024.