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Freudenberg, Ika: Ein Manifest gegen das Frauenstimmrecht. In: Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit. Heft 16 (1908), S. 18–25.

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Ein Manifest gegen das Frauenstimmrecht.
Fragen der Volkswohlfahrt und Volkserziehung der Kommune zufielen; sie begrüßt
deshalb die Eingliederung von Frauen in die englischen Gemeinde- und Grafschafts-
räte; dort seien sie an ihrem Platze, meint sie. Sie vergißt indessen, daß eine von
sozialem Geiste erfüllte Gesetzgebung die Voraussetzung für ein gedeihliches Wirken der
kommunalen Jnstanzen bildet.

Absatz d sieht voraus, daß die so notwendige und wertvolle Mitarbeit der Frau
gestört und beeinträchtigt werden würde, wenn sie sich einmal nicht mehr fern vom
Parteigetriebe, sondern im Zusammenhange mit ihm und unter seinem Einflusse voll-
ziehen werde. Dürfen wir nicht mit gerade so viel Recht annehmen, daß von der
sozialen Arbeit und ihren unmittelbaren, jedem verständlichen und in der Regel nur
einer einzigen Auffassung zugänglichen Aufgaben eher ein mildernder und ausgleichender
Einfluß auf die Parteigegensätze zu erwarten ist? Schon jetzt tritt in den Ländern,
wo die Frauen das politische Stimmrecht ausüben, eine entschiedene Neigung zutage,
die Rücksicht auf das praktische Bedürfnis dem Parteistandpunkte voranzusetzen. Just
darum, weil die Frau so ist, wie sie ist, und weil ihr natürlicher Wirkungskreis ihr
die realen Bedürfnisse des Lebens stets gegenwärtig hält, bleibt sie freier von Doktri-
narismus und wird weniger bereit sein, sich theoretisch gebundene Marschrouten vor-
schreiben zu lassen. Schon allein die große Zahl der weiblichen Wählermassen, von
der ja auch Punkt f des Manifestes eine overpowering majority fürchtet, dürfte
dazu beitragen, die Parteiunterschiede zu verwischen, nach dem Gesetze, daß jede Jdee
durch Ausbreitung an Jntensität verlieren muß.

Wir dürfen nicht blind dagegen sein, daß das Erscheinen einer mehr wie doppelt
so großen Volksmasse auf politischem Boden eine bedeutende Erschwerung und Kom-
plikation des politischen Lebens mit sich bringen wird. Das Regieren ist um so ein-
facher, je weniger Leute sich hinein teilen, und bei uns in Deutschland hat man noch
vor 50 Jahren von der Einführung des allgemeinen Stimmrechts ungefähr den Zu-
sammenbruch aller Ordnung erwartet. Kein Zweifel, die Frauen laden sich mit dem
neuen Rechte auch eine neue, sehr ernste Pflicht auf; und wer dürfte sich vermessen,
zu behaupten, es würden von der Beteiligung der Frauen am politischen Leben nicht
auch gelegentlich üble Wirkungen ausgehen -- aber alles dies sind keine Gründe, vor einem
Fortschritt zurückzuschrecken, der im Jnteresse einer gleichmäßigen Verteilung und Durch-
bildung unserer Kultur so dringend zu wünschen ist.

1)
1) Anmerkung der Redaktion. Mrs. Ward behauptet, um ihre Ablehnung des Frauenstimmrechts
zu stützen, in Amerika sei auf Grund der üblen Erfahrungen, die man gemacht habe, die Sympathie für
das Frauenstimmrecht erloschen und damit die Bewegung dafür tatsächlich erstickt. Dieser überraschenden --
von der deutschen Presse übrigens ebenso eilfertig wie gläubig weiter gegebenen -- Behauptung gegenüber
teilt uns auf unsere Anfrage die Vorsitzende des Frauenstimmrechtsverbandes der Vereinigten Staaten,
Reverend Anna Shaw, über den Stand der Frauenstimmrechtsangelegenheit dort folgendes mit:
"Jn bezug auf die Behauptung von Mrs. Ward, daß die Stimmrechtssache in den Vereinigten
Staaten tot sei, habe ich nur zu bemerken, daß sie sich augenscheinlich während ihres kurzen Aufenthalts
hier nicht genügend unterrichtet hat, obgleich ausreichend Gelegenheit dazu gewesen wäre, wenn sie es
gewollt hätte. Während des letzten Jahres, und ich könnte hinzufügen, während der letzten zehn Jahre
ist der Stimmrechtsverband fortwährend gewachsen und zählt augenblicklich mehr Mitglieder als je seit
der Geschichte unserer Bewegung.
Jm Jahre 1904 brachten 334 Nationalvereine und -verbände, die nicht zum Stimmrechtsverband
gehören, eine Frauenstimmrechtsresolution durch. Diese Verbände bestanden manchmal nur aus Männern,
wie der Arbeitsverband (Federation of Labor), der noch Hundertausenden zählt; andere bestanden aus
Männern und Frauen, wie der Erziehungs- und Mäßigkeitsverein; wieder andere nur aus Frauen.

Ein Manifest gegen das Frauenstimmrecht.
Fragen der Volkswohlfahrt und Volkserziehung der Kommune zufielen; sie begrüßt
deshalb die Eingliederung von Frauen in die englischen Gemeinde- und Grafschafts-
räte; dort seien sie an ihrem Platze, meint sie. Sie vergißt indessen, daß eine von
sozialem Geiste erfüllte Gesetzgebung die Voraussetzung für ein gedeihliches Wirken der
kommunalen Jnstanzen bildet.

Absatz d sieht voraus, daß die so notwendige und wertvolle Mitarbeit der Frau
gestört und beeinträchtigt werden würde, wenn sie sich einmal nicht mehr fern vom
Parteigetriebe, sondern im Zusammenhange mit ihm und unter seinem Einflusse voll-
ziehen werde. Dürfen wir nicht mit gerade so viel Recht annehmen, daß von der
sozialen Arbeit und ihren unmittelbaren, jedem verständlichen und in der Regel nur
einer einzigen Auffassung zugänglichen Aufgaben eher ein mildernder und ausgleichender
Einfluß auf die Parteigegensätze zu erwarten ist? Schon jetzt tritt in den Ländern,
wo die Frauen das politische Stimmrecht ausüben, eine entschiedene Neigung zutage,
die Rücksicht auf das praktische Bedürfnis dem Parteistandpunkte voranzusetzen. Just
darum, weil die Frau so ist, wie sie ist, und weil ihr natürlicher Wirkungskreis ihr
die realen Bedürfnisse des Lebens stets gegenwärtig hält, bleibt sie freier von Doktri-
narismus und wird weniger bereit sein, sich theoretisch gebundene Marschrouten vor-
schreiben zu lassen. Schon allein die große Zahl der weiblichen Wählermassen, von
der ja auch Punkt f des Manifestes eine overpowering majority fürchtet, dürfte
dazu beitragen, die Parteiunterschiede zu verwischen, nach dem Gesetze, daß jede Jdee
durch Ausbreitung an Jntensität verlieren muß.

Wir dürfen nicht blind dagegen sein, daß das Erscheinen einer mehr wie doppelt
so großen Volksmasse auf politischem Boden eine bedeutende Erschwerung und Kom-
plikation des politischen Lebens mit sich bringen wird. Das Regieren ist um so ein-
facher, je weniger Leute sich hinein teilen, und bei uns in Deutschland hat man noch
vor 50 Jahren von der Einführung des allgemeinen Stimmrechts ungefähr den Zu-
sammenbruch aller Ordnung erwartet. Kein Zweifel, die Frauen laden sich mit dem
neuen Rechte auch eine neue, sehr ernste Pflicht auf; und wer dürfte sich vermessen,
zu behaupten, es würden von der Beteiligung der Frauen am politischen Leben nicht
auch gelegentlich üble Wirkungen ausgehen — aber alles dies sind keine Gründe, vor einem
Fortschritt zurückzuschrecken, der im Jnteresse einer gleichmäßigen Verteilung und Durch-
bildung unserer Kultur so dringend zu wünschen ist.

1)
1) Anmerkung der Redaktion. Mrs. Ward behauptet, um ihre Ablehnung des Frauenstimmrechts
zu stützen, in Amerika sei auf Grund der üblen Erfahrungen, die man gemacht habe, die Sympathie für
das Frauenstimmrecht erloschen und damit die Bewegung dafür tatsächlich erstickt. Dieser überraschenden —
von der deutschen Presse übrigens ebenso eilfertig wie gläubig weiter gegebenen — Behauptung gegenüber
teilt uns auf unsere Anfrage die Vorsitzende des Frauenstimmrechtsverbandes der Vereinigten Staaten,
Reverend Anna Shaw, über den Stand der Frauenstimmrechtsangelegenheit dort folgendes mit:
„Jn bezug auf die Behauptung von Mrs. Ward, daß die Stimmrechtssache in den Vereinigten
Staaten tot sei, habe ich nur zu bemerken, daß sie sich augenscheinlich während ihres kurzen Aufenthalts
hier nicht genügend unterrichtet hat, obgleich ausreichend Gelegenheit dazu gewesen wäre, wenn sie es
gewollt hätte. Während des letzten Jahres, und ich könnte hinzufügen, während der letzten zehn Jahre
ist der Stimmrechtsverband fortwährend gewachsen und zählt augenblicklich mehr Mitglieder als je seit
der Geschichte unserer Bewegung.
Jm Jahre 1904 brachten 334 Nationalvereine und -verbände, die nicht zum Stimmrechtsverband
gehören, eine Frauenstimmrechtsresolution durch. Diese Verbände bestanden manchmal nur aus Männern,
wie der Arbeitsverband (Federation of Labor), der noch Hundertausenden zählt; andere bestanden aus
Männern und Frauen, wie der Erziehungs- und Mäßigkeitsverein; wieder andere nur aus Frauen.
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[22/0005] Ein Manifest gegen das Frauenstimmrecht. Fragen der Volkswohlfahrt und Volkserziehung der Kommune zufielen; sie begrüßt deshalb die Eingliederung von Frauen in die englischen Gemeinde- und Grafschafts- räte; dort seien sie an ihrem Platze, meint sie. Sie vergißt indessen, daß eine von sozialem Geiste erfüllte Gesetzgebung die Voraussetzung für ein gedeihliches Wirken der kommunalen Jnstanzen bildet. Absatz d sieht voraus, daß die so notwendige und wertvolle Mitarbeit der Frau gestört und beeinträchtigt werden würde, wenn sie sich einmal nicht mehr fern vom Parteigetriebe, sondern im Zusammenhange mit ihm und unter seinem Einflusse voll- ziehen werde. Dürfen wir nicht mit gerade so viel Recht annehmen, daß von der sozialen Arbeit und ihren unmittelbaren, jedem verständlichen und in der Regel nur einer einzigen Auffassung zugänglichen Aufgaben eher ein mildernder und ausgleichender Einfluß auf die Parteigegensätze zu erwarten ist? Schon jetzt tritt in den Ländern, wo die Frauen das politische Stimmrecht ausüben, eine entschiedene Neigung zutage, die Rücksicht auf das praktische Bedürfnis dem Parteistandpunkte voranzusetzen. Just darum, weil die Frau so ist, wie sie ist, und weil ihr natürlicher Wirkungskreis ihr die realen Bedürfnisse des Lebens stets gegenwärtig hält, bleibt sie freier von Doktri- narismus und wird weniger bereit sein, sich theoretisch gebundene Marschrouten vor- schreiben zu lassen. Schon allein die große Zahl der weiblichen Wählermassen, von der ja auch Punkt f des Manifestes eine overpowering majority fürchtet, dürfte dazu beitragen, die Parteiunterschiede zu verwischen, nach dem Gesetze, daß jede Jdee durch Ausbreitung an Jntensität verlieren muß. Wir dürfen nicht blind dagegen sein, daß das Erscheinen einer mehr wie doppelt so großen Volksmasse auf politischem Boden eine bedeutende Erschwerung und Kom- plikation des politischen Lebens mit sich bringen wird. Das Regieren ist um so ein- facher, je weniger Leute sich hinein teilen, und bei uns in Deutschland hat man noch vor 50 Jahren von der Einführung des allgemeinen Stimmrechts ungefähr den Zu- sammenbruch aller Ordnung erwartet. Kein Zweifel, die Frauen laden sich mit dem neuen Rechte auch eine neue, sehr ernste Pflicht auf; und wer dürfte sich vermessen, zu behaupten, es würden von der Beteiligung der Frauen am politischen Leben nicht auch gelegentlich üble Wirkungen ausgehen — aber alles dies sind keine Gründe, vor einem Fortschritt zurückzuschrecken, der im Jnteresse einer gleichmäßigen Verteilung und Durch- bildung unserer Kultur so dringend zu wünschen ist. 1) 1) Anmerkung der Redaktion. Mrs. Ward behauptet, um ihre Ablehnung des Frauenstimmrechts zu stützen, in Amerika sei auf Grund der üblen Erfahrungen, die man gemacht habe, die Sympathie für das Frauenstimmrecht erloschen und damit die Bewegung dafür tatsächlich erstickt. Dieser überraschenden — von der deutschen Presse übrigens ebenso eilfertig wie gläubig weiter gegebenen — Behauptung gegenüber teilt uns auf unsere Anfrage die Vorsitzende des Frauenstimmrechtsverbandes der Vereinigten Staaten, Reverend Anna Shaw, über den Stand der Frauenstimmrechtsangelegenheit dort folgendes mit: „Jn bezug auf die Behauptung von Mrs. Ward, daß die Stimmrechtssache in den Vereinigten Staaten tot sei, habe ich nur zu bemerken, daß sie sich augenscheinlich während ihres kurzen Aufenthalts hier nicht genügend unterrichtet hat, obgleich ausreichend Gelegenheit dazu gewesen wäre, wenn sie es gewollt hätte. Während des letzten Jahres, und ich könnte hinzufügen, während der letzten zehn Jahre ist der Stimmrechtsverband fortwährend gewachsen und zählt augenblicklich mehr Mitglieder als je seit der Geschichte unserer Bewegung. Jm Jahre 1904 brachten 334 Nationalvereine und -verbände, die nicht zum Stimmrechtsverband gehören, eine Frauenstimmrechtsresolution durch. Diese Verbände bestanden manchmal nur aus Männern, wie der Arbeitsverband (Federation of Labor), der noch Hundertausenden zählt; andere bestanden aus Männern und Frauen, wie der Erziehungs- und Mäßigkeitsverein; wieder andere nur aus Frauen.

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Zitationshilfe: Freudenberg, Ika: Ein Manifest gegen das Frauenstimmrecht. In: Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit. Heft 16 (1908), S. 18–25, hier S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/freudenberg_manifest_1908/5>, abgerufen am 22.11.2024.