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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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Wege zum Parnaß, so wie zum Tempel des Anden-
kens bahnen. Wer ein feines Gefühl hat, kann dieses
schon bemerken. Man muß also nur die alten und
neuern klassischen Schriftsteller in unsre Sprache über-
setzen. Soll das Geld bey uns circuliren, so müssen
wir es ins Publikum bringen, und die Wissenschaften,
die ehemals so selten waren, allgemeiner machen. Um
endlich nichts zu übergehen, was die Fortschritte un-
serer Litteratur aufgehalten hat, will ich auch noch den
Umstand bemerken, daß an den meisten Höfen die
deutsche Sprache so wenig geredet wird. Unter Kai-
ser Joseph I.
redete man in Wien nur Italiänisch;
unter Carl VI. wurde dieses vom Spanischen verdrun-
gen; und während der Regierung Franz I. eines ge-
bornen Lothringers, wurde am Wiener Hofe weit mehr
Französisch als Deutsch geredet. An den Churfürstli-
chen Höfen gieng es eben so. Sie werden hievon kei-
ne andre Ursache finden, als die ich Ihnen schon oft an-
geführt habe. Die spanische, italiänische und franzö-
sische Sprache waren gebildet und bestimmt; die un-
sre war es nicht. Aber es muß uns trösten, daß Frank-
reich
eben dieses Schicksal erfahren hat. Unter Franz I.,
Carl IX. und Heinrich III. redte man in allen guten
Gesellschaften mehr Spanisch und Italiänisch als Fran-
zösisch. Die Landessprache bekam nicht eher die Ober-
hand, bis sie feiner, deutlich und zierlich geworden, auch
von einer Menge klassischer Schriftsteller durch mah-

lerische

Wege zum Parnaß, ſo wie zum Tempel des Anden-
kens bahnen. Wer ein feines Gefuͤhl hat, kann dieſes
ſchon bemerken. Man muß alſo nur die alten und
neuern klaſſiſchen Schriftſteller in unſre Sprache uͤber-
ſetzen. Soll das Geld bey uns circuliren, ſo muͤſſen
wir es ins Publikum bringen, und die Wiſſenſchaften,
die ehemals ſo ſelten waren, allgemeiner machen. Um
endlich nichts zu uͤbergehen, was die Fortſchritte un-
ſerer Litteratur aufgehalten hat, will ich auch noch den
Umſtand bemerken, daß an den meiſten Hoͤfen die
deutſche Sprache ſo wenig geredet wird. Unter Kai-
ſer Joſeph I.
redete man in Wien nur Italiaͤniſch;
unter Carl VI. wurde dieſes vom Spaniſchen verdrun-
gen; und waͤhrend der Regierung Franz I. eines ge-
bornen Lothringers, wurde am Wiener Hofe weit mehr
Franzoͤſiſch als Deutſch geredet. An den Churfuͤrſtli-
chen Hoͤfen gieng es eben ſo. Sie werden hievon kei-
ne andre Urſache finden, als die ich Ihnen ſchon oft an-
gefuͤhrt habe. Die ſpaniſche, italiaͤniſche und franzoͤ-
ſiſche Sprache waren gebildet und beſtimmt; die un-
ſre war es nicht. Aber es muß uns troͤſten, daß Frank-
reich
eben dieſes Schickſal erfahren hat. Unter Franz I.,
Carl IX. und Heinrich III. redte man in allen guten
Geſellſchaften mehr Spaniſch und Italiaͤniſch als Fran-
zoͤſiſch. Die Landesſprache bekam nicht eher die Ober-
hand, bis ſie feiner, deutlich und zierlich geworden, auch
von einer Menge klaſſiſcher Schriftſteller durch mah-

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[60/0066] Wege zum Parnaß, ſo wie zum Tempel des Anden- kens bahnen. Wer ein feines Gefuͤhl hat, kann dieſes ſchon bemerken. Man muß alſo nur die alten und neuern klaſſiſchen Schriftſteller in unſre Sprache uͤber- ſetzen. Soll das Geld bey uns circuliren, ſo muͤſſen wir es ins Publikum bringen, und die Wiſſenſchaften, die ehemals ſo ſelten waren, allgemeiner machen. Um endlich nichts zu uͤbergehen, was die Fortſchritte un- ſerer Litteratur aufgehalten hat, will ich auch noch den Umſtand bemerken, daß an den meiſten Hoͤfen die deutſche Sprache ſo wenig geredet wird. Unter Kai- ſer Joſeph I. redete man in Wien nur Italiaͤniſch; unter Carl VI. wurde dieſes vom Spaniſchen verdrun- gen; und waͤhrend der Regierung Franz I. eines ge- bornen Lothringers, wurde am Wiener Hofe weit mehr Franzoͤſiſch als Deutſch geredet. An den Churfuͤrſtli- chen Hoͤfen gieng es eben ſo. Sie werden hievon kei- ne andre Urſache finden, als die ich Ihnen ſchon oft an- gefuͤhrt habe. Die ſpaniſche, italiaͤniſche und franzoͤ- ſiſche Sprache waren gebildet und beſtimmt; die un- ſre war es nicht. Aber es muß uns troͤſten, daß Frank- reich eben dieſes Schickſal erfahren hat. Unter Franz I., Carl IX. und Heinrich III. redte man in allen guten Geſellſchaften mehr Spaniſch und Italiaͤniſch als Fran- zoͤſiſch. Die Landesſprache bekam nicht eher die Ober- hand, bis ſie feiner, deutlich und zierlich geworden, auch von einer Menge klaſſiſcher Schriftſteller durch mah- leriſche

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/66>, abgerufen am 21.11.2024.