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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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mehreren glücklichen Gefechten beigewohnt, und
sprach mir viel Muth ein. Die Nachrichten
von der großen Armee lauteten günstig: der
Kaiser sah sich wieder stark genug, gegen den
Rhein vorzurücken; man hoffte daß die Feinde
ihm folgen würden und müßten, und daß so,
das Kriegstheater über unsere Gränzen hinaus ver-
legt werden würde. Eitle menschliche Hoffnung,
trügliche Berechnungen des endlichen Verstandes!
im Buche des Schicksals stand es anders ge-
schrieben, als in den Operationsplanen eines er-
fahrenen Kriegsraths. Der Feind rückte, un-
bekümmert um seinen gefährdeten Rückzug, mit
seiner ganzen Macht auf Paris, und der Mar-
schall Marmont mußte auf Vertheidigung den-
ken; er besetzte die feste Stellung von Mont-
martre. Mein Vater kam bei dieser Gelegen-
heit noch ein Mahl in die Stadt, mich mit sei-
ner Gegenwart zu erfreuen. Jn seiner Gesell-
schaft befand sich ein junger Pohle, von den
Lanziers, jetzt Adjoint des Marschalls, ein
junger schöner Mann voll Feuer und Muth,
dem Kaiser von ganzen Herzen ergeben. Die
natürliche Leutseligkeit und Zuvorkommenheit

mehreren gluͤcklichen Gefechten beigewohnt, und
ſprach mir viel Muth ein. Die Nachrichten
von der großen Armee lauteten guͤnſtig: der
Kaiſer ſah ſich wieder ſtark genug, gegen den
Rhein vorzuruͤcken; man hoffte daß die Feinde
ihm folgen wuͤrden und muͤßten, und daß ſo,
das Kriegstheater uͤber unſere Graͤnzen hinaus ver-
legt werden wuͤrde. Eitle menſchliche Hoffnung,
truͤgliche Berechnungen des endlichen Verſtandes!
im Buche des Schickſals ſtand es anders ge-
ſchrieben, als in den Operationsplanen eines er-
fahrenen Kriegsraths. Der Feind ruͤckte, un-
bekuͤmmert um ſeinen gefaͤhrdeten Ruͤckzug, mit
ſeiner ganzen Macht auf Paris, und der Mar-
ſchall Marmont mußte auf Vertheidigung den-
ken; er beſetzte die feſte Stellung von Mont-
martre. Mein Vater kam bei dieſer Gelegen-
heit noch ein Mahl in die Stadt, mich mit ſei-
ner Gegenwart zu erfreuen. Jn ſeiner Geſell-
ſchaft befand ſich ein junger Pohle, von den
Lanziers, jetzt Adjoint des Marſchalls, ein
junger ſchoͤner Mann voll Feuer und Muth,
dem Kaiſer von ganzen Herzen ergeben. Die
natuͤrliche Leutſeligkeit und Zuvorkommenheit

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[166/0176] mehreren gluͤcklichen Gefechten beigewohnt, und ſprach mir viel Muth ein. Die Nachrichten von der großen Armee lauteten guͤnſtig: der Kaiſer ſah ſich wieder ſtark genug, gegen den Rhein vorzuruͤcken; man hoffte daß die Feinde ihm folgen wuͤrden und muͤßten, und daß ſo, das Kriegstheater uͤber unſere Graͤnzen hinaus ver- legt werden wuͤrde. Eitle menſchliche Hoffnung, truͤgliche Berechnungen des endlichen Verſtandes! im Buche des Schickſals ſtand es anders ge- ſchrieben, als in den Operationsplanen eines er- fahrenen Kriegsraths. Der Feind ruͤckte, un- bekuͤmmert um ſeinen gefaͤhrdeten Ruͤckzug, mit ſeiner ganzen Macht auf Paris, und der Mar- ſchall Marmont mußte auf Vertheidigung den- ken; er beſetzte die feſte Stellung von Mont- martre. Mein Vater kam bei dieſer Gelegen- heit noch ein Mahl in die Stadt, mich mit ſei- ner Gegenwart zu erfreuen. Jn ſeiner Geſell- ſchaft befand ſich ein junger Pohle, von den Lanziers, jetzt Adjoint des Marſchalls, ein junger ſchoͤner Mann voll Feuer und Muth, dem Kaiſer von ganzen Herzen ergeben. Die natuͤrliche Leutſeligkeit und Zuvorkommenheit

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/176>, abgerufen am 14.05.2024.