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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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meines Vaters, machte ihn vorzüglich für Fremde
sehr anziehend, welchen er auch seiner Seits im-
mer eine besondre Aufmerksamkeit widmete, ein
Zug in seinem Karakter welcher mir immer
sehr schätzbar gewesen ist. Er liebte gewiß sein
Vaterland und seine Mitbürger mit glühen-
der Seele, wovon sein ganzes Leben und sein
Tod unwidersprechliche Beweise gegeben haben.
Er war stolz, ein Franzose zu seyn, doch war er
nicht eitel es zu seyn, er erkannte den Werth eines
jedes fremden Volkes, und konnte diese vor-
nehme Absonderung durchaus nicht leiden, welche
viele für Vaterlandsliebe ausgeben. Wir sind
ja alle Kinder eines Vaters, pflegte er zu sagen,
und noch immer zeigt dieser gütige Vater, durch
seinen gleichvertheilten Segen, daß wir ihm, im
Ganzen, alle gleich wohlgefällig sind. Wir
schlagen uns wie unartige Kinder um das Spiel-
geräth, ich hoffe aber, wir werden einst vernünf-
tig genug werden, um uns alle mit Bruderliebe
zu umfassen. Freilich, so lange die Flegeljahre
noch dauern, muß jeder die Partei deßjenigen
nehmen, mit welchem er eine gemeinschaftliche
Mutter hat, oder, welcher der schwächere ist, oder,

meines Vaters, machte ihn vorzuͤglich fuͤr Fremde
ſehr anziehend, welchen er auch ſeiner Seits im-
mer eine beſondre Aufmerkſamkeit widmete, ein
Zug in ſeinem Karakter welcher mir immer
ſehr ſchaͤtzbar geweſen iſt. Er liebte gewiß ſein
Vaterland und ſeine Mitbuͤrger mit gluͤhen-
der Seele, wovon ſein ganzes Leben und ſein
Tod unwiderſprechliche Beweiſe gegeben haben.
Er war ſtolz, ein Franzoſe zu ſeyn, doch war er
nicht eitel es zu ſeyn, er erkannte den Werth eines
jedes fremden Volkes, und konnte dieſe vor-
nehme Abſonderung durchaus nicht leiden, welche
viele fuͤr Vaterlandsliebe ausgeben. Wir ſind
ja alle Kinder eines Vaters, pflegte er zu ſagen,
und noch immer zeigt dieſer guͤtige Vater, durch
ſeinen gleichvertheilten Segen, daß wir ihm, im
Ganzen, alle gleich wohlgefaͤllig ſind. Wir
ſchlagen uns wie unartige Kinder um das Spiel-
geraͤth, ich hoffe aber, wir werden einſt vernuͤnf-
tig genug werden, um uns alle mit Bruderliebe
zu umfaſſen. Freilich, ſo lange die Flegeljahre
noch dauern, muß jeder die Partei deßjenigen
nehmen, mit welchem er eine gemeinſchaftliche
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[167/0177] meines Vaters, machte ihn vorzuͤglich fuͤr Fremde ſehr anziehend, welchen er auch ſeiner Seits im- mer eine beſondre Aufmerkſamkeit widmete, ein Zug in ſeinem Karakter welcher mir immer ſehr ſchaͤtzbar geweſen iſt. Er liebte gewiß ſein Vaterland und ſeine Mitbuͤrger mit gluͤhen- der Seele, wovon ſein ganzes Leben und ſein Tod unwiderſprechliche Beweiſe gegeben haben. Er war ſtolz, ein Franzoſe zu ſeyn, doch war er nicht eitel es zu ſeyn, er erkannte den Werth eines jedes fremden Volkes, und konnte dieſe vor- nehme Abſonderung durchaus nicht leiden, welche viele fuͤr Vaterlandsliebe ausgeben. Wir ſind ja alle Kinder eines Vaters, pflegte er zu ſagen, und noch immer zeigt dieſer guͤtige Vater, durch ſeinen gleichvertheilten Segen, daß wir ihm, im Ganzen, alle gleich wohlgefaͤllig ſind. Wir ſchlagen uns wie unartige Kinder um das Spiel- geraͤth, ich hoffe aber, wir werden einſt vernuͤnf- tig genug werden, um uns alle mit Bruderliebe zu umfaſſen. Freilich, ſo lange die Flegeljahre noch dauern, muß jeder die Partei deßjenigen nehmen, mit welchem er eine gemeinſchaftliche Mutter hat, oder, welcher der ſchwaͤchere iſt, oder,

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/177>, abgerufen am 14.05.2024.