empörtes Gemüth. Dein Bruder Louis ließ sich melden, um die Bekanntschaft seiner schönen Cousine so schnell als möglich zu machen. Du warst Zeuge, wie sein Benehmen und seine Ma- nieren mir auffielen, und lachtest mehrmahls laut auf, über meine verlegene Befremdung. Ja, man wirft im Auslande unsern Landsleuten Frivolität und Leichtsinn vor, und wohl leider nicht mit Unrecht, wie ich seit meinem Aufent- halt in Paris mit Unwillen wahrgenommen habe; hier aber überbot ein Ausländer alle Muster welche ich bisher in dieser Art gesehen. Wie froh war ich, als ihn seine Vergnügungen von uns rissen, ganz gegen seine Neigung, wie er tausend Mahl schwur. Jetzt fing ich an auf zu athmen, und mich ein wenig in dieser neuen fremden Welt zu finden. Tausend Stimmen in meinem Jnnern riefen, daß sie nimmer, nim- mer die meinige werden könne; doch war ich entschlossen, sie näher ins Auge zu fassen, und reiflich zu erwägen, was mir zu thun von- nöthen sey. Wir verlebten nun unsre Tage ganz angenehm, unter uns, indem wir uns durch Musik und Lesen aufheiterten. Deine Mutter war
empoͤrtes Gemuͤth. Dein Bruder Louis ließ ſich melden, um die Bekanntſchaft ſeiner ſchoͤnen Couſine ſo ſchnell als moͤglich zu machen. Du warſt Zeuge, wie ſein Benehmen und ſeine Ma- nieren mir auffielen, und lachteſt mehrmahls laut auf, uͤber meine verlegene Befremdung. Ja, man wirft im Auslande unſern Landsleuten Frivolitaͤt und Leichtſinn vor, und wohl leider nicht mit Unrecht, wie ich ſeit meinem Aufent- halt in Paris mit Unwillen wahrgenommen habe; hier aber uͤberbot ein Auslaͤnder alle Muſter welche ich bisher in dieſer Art geſehen. Wie froh war ich, als ihn ſeine Vergnuͤgungen von uns riſſen, ganz gegen ſeine Neigung, wie er tauſend Mahl ſchwur. Jetzt fing ich an auf zu athmen, und mich ein wenig in dieſer neuen fremden Welt zu finden. Tauſend Stimmen in meinem Jnnern riefen, daß ſie nimmer, nim- mer die meinige werden koͤnne; doch war ich entſchloſſen, ſie naͤher ins Auge zu faſſen, und reiflich zu erwaͤgen, was mir zu thun von- noͤthen ſey. Wir verlebten nun unſre Tage ganz angenehm, unter uns, indem wir uns durch Muſik und Leſen aufheiterten. Deine Mutter war
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empoͤrtes Gemuͤth. Dein Bruder Louis ließ
ſich melden, um die Bekanntſchaft ſeiner ſchoͤnen
Couſine ſo ſchnell als moͤglich zu machen. Du
warſt Zeuge, wie ſein Benehmen und ſeine Ma-
nieren mir auffielen, und lachteſt mehrmahls
laut auf, uͤber meine verlegene Befremdung.
Ja, man wirft im Auslande unſern Landsleuten
Frivolitaͤt und Leichtſinn vor, und wohl leider
nicht mit Unrecht, wie ich ſeit meinem Aufent-
halt in Paris mit Unwillen wahrgenommen habe;
hier aber uͤberbot ein Auslaͤnder alle Muſter
welche ich bisher in dieſer Art geſehen. Wie
froh war ich, als ihn ſeine Vergnuͤgungen von
uns riſſen, ganz gegen ſeine Neigung, wie er
tauſend Mahl ſchwur. Jetzt fing ich an auf zu
athmen, und mich ein wenig in dieſer neuen
fremden Welt zu finden. Tauſend Stimmen
in meinem Jnnern riefen, daß ſie nimmer, nim-
mer die meinige werden koͤnne; doch war ich
entſchloſſen, ſie naͤher ins Auge zu faſſen, und
reiflich zu erwaͤgen, was mir zu thun von-
noͤthen ſey. Wir verlebten nun unſre Tage
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/197>, abgerufen am 16.02.2025.
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