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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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vermißt, antwortete ich gefaßt: aber gewiß wür-
den diese theuren Aeltern niemahls über meine
Hand verfügt haben, ohne mein Herz zu Rathe
zu ziehen. Ja, ja, sagte sie, mein Bruder dachte
freilich etwas bürgerlich; in unserm Stande kann
aber davon die Rede nicht seyn. Jch will doch
nicht hoffen, daß dein Herz schon eingenommen ist?
etwa für einen kleinen Emporkömmling von ehe-
mahls? ich rathe dir, ihn in der Stille daraus
zu verbannen, es könnte ihm leicht ein schlim-
mes Spiel machen. Jch schwieg, denn ob ich
gleich die versteckte Drohung nicht zu fürchten
hatte, so war mir Mucius Name, und meine
Liebe zu heilig, um sie hier auszusprechen.
Deine Mutter glaubte in meinem fortdauernden
Stillschweigen und in meiner ruhiger werden-
den Miene ein günstiges Zeichen zu sehn; sie
glaubte mich zum Nachgeben gestimmt, und
verließ mich mit vieler Zufriedenheit, indem
sie mich wiederholt umarmte, und mich ihre
gute Tochter ihre vernünftige Virginia nannte --
sie irrte sehr. Jn meiner Seele arbeitete sich
der Vorsatz empor, diese Fesseln, um jeden Preis,

vermißt, antwortete ich gefaßt: aber gewiß wuͤr-
den dieſe theuren Aeltern niemahls uͤber meine
Hand verfuͤgt haben, ohne mein Herz zu Rathe
zu ziehen. Ja, ja, ſagte ſie, mein Bruder dachte
freilich etwas buͤrgerlich; in unſerm Stande kann
aber davon die Rede nicht ſeyn. Jch will doch
nicht hoffen, daß dein Herz ſchon eingenommen iſt?
etwa fuͤr einen kleinen Emporkoͤmmling von ehe-
mahls? ich rathe dir, ihn in der Stille daraus
zu verbannen, es koͤnnte ihm leicht ein ſchlim-
mes Spiel machen. Jch ſchwieg, denn ob ich
gleich die verſteckte Drohung nicht zu fuͤrchten
hatte, ſo war mir Mucius Name, und meine
Liebe zu heilig, um ſie hier auszuſprechen.
Deine Mutter glaubte in meinem fortdauernden
Stillſchweigen und in meiner ruhiger werden-
den Miene ein guͤnſtiges Zeichen zu ſehn; ſie
glaubte mich zum Nachgeben geſtimmt, und
verließ mich mit vieler Zufriedenheit, indem
ſie mich wiederholt umarmte, und mich ihre
gute Tochter ihre vernuͤnftige Virginia nannte —
ſie irrte ſehr. Jn meiner Seele arbeitete ſich
der Vorſatz empor, dieſe Feſſeln, um jeden Preis,

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[189[197]/0207] vermißt, antwortete ich gefaßt: aber gewiß wuͤr- den dieſe theuren Aeltern niemahls uͤber meine Hand verfuͤgt haben, ohne mein Herz zu Rathe zu ziehen. Ja, ja, ſagte ſie, mein Bruder dachte freilich etwas buͤrgerlich; in unſerm Stande kann aber davon die Rede nicht ſeyn. Jch will doch nicht hoffen, daß dein Herz ſchon eingenommen iſt? etwa fuͤr einen kleinen Emporkoͤmmling von ehe- mahls? ich rathe dir, ihn in der Stille daraus zu verbannen, es koͤnnte ihm leicht ein ſchlim- mes Spiel machen. Jch ſchwieg, denn ob ich gleich die verſteckte Drohung nicht zu fuͤrchten hatte, ſo war mir Mucius Name, und meine Liebe zu heilig, um ſie hier auszuſprechen. Deine Mutter glaubte in meinem fortdauernden Stillſchweigen und in meiner ruhiger werden- den Miene ein guͤnſtiges Zeichen zu ſehn; ſie glaubte mich zum Nachgeben geſtimmt, und verließ mich mit vieler Zufriedenheit, indem ſie mich wiederholt umarmte, und mich ihre gute Tochter ihre vernuͤnftige Virginia nannte — ſie irrte ſehr. Jn meiner Seele arbeitete ſich der Vorſatz empor, dieſe Feſſeln, um jeden Preis,

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 189[197]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/207>, abgerufen am 25.11.2024.