ßen selbst bestimmen zu können, und wünschte ihm herzlich Glück, doch warnte sie ihn zugleich mit mädchenhafter Furchtsamkeit. Zu dieser ge- liebten Schwester flog nun mein Vater. Sie empfing ihn mit der lebhaftesten Freude, aber ihr Herz beklemmten ängstliche Sorgen. Jhr Gemahl hatte ihr wenige Stunden zuvor ange- kündigt, daß die Prinzeu entschlossen wären, über die Gränze zu gehen, in Hoffnung, daß der größere Theil des Adels ihnen folgen werde, und daß man von dort aus den Anmaßungen des dritten Standes vernichtend begegnen könne. Er hatte ihr befohlen, sich reisefertig zu halten, um ihm zu folgen. Sie befand sich im neun- ten Monat ihrer Schwangerschaft, liebte ihre Umgebung, und fürchtete den unbekannten rau- hen Norden. So sank sie weinend in die Arme ihres bekümmerten Bruders. Der Her- zog Dein Vater trat kurz darauf ins Zimmer. Die Begrüßung der beiden Schwäger war kalt und förmlich. Mein Vater lenkte sogleich das Gespräch auf das Jnteresse der Zeit, der Dei- nige wich ihm mit stolzer Höflichkeit aus, oder sprach mit wegwerfender Anmaßung ab. Jener
be-
ßen ſelbſt beſtimmen zu koͤnnen, und wuͤnſchte ihm herzlich Gluͤck, doch warnte ſie ihn zugleich mit maͤdchenhafter Furchtſamkeit. Zu dieſer ge- liebten Schweſter flog nun mein Vater. Sie empfing ihn mit der lebhafteſten Freude, aber ihr Herz beklemmten aͤngſtliche Sorgen. Jhr Gemahl hatte ihr wenige Stunden zuvor ange- kuͤndigt, daß die Prinzeu entſchloſſen waͤren, uͤber die Graͤnze zu gehen, in Hoffnung, daß der groͤßere Theil des Adels ihnen folgen werde, und daß man von dort aus den Anmaßungen des dritten Standes vernichtend begegnen koͤnne. Er hatte ihr befohlen, ſich reiſefertig zu halten, um ihm zu folgen. Sie befand ſich im neun- ten Monat ihrer Schwangerſchaft, liebte ihre Umgebung, und fuͤrchtete den unbekannten rau- hen Norden. So ſank ſie weinend in die Arme ihres bekuͤmmerten Bruders. Der Her- zog Dein Vater trat kurz darauf ins Zimmer. Die Begruͤßung der beiden Schwaͤger war kalt und foͤrmlich. Mein Vater lenkte ſogleich das Geſpraͤch auf das Jntereſſe der Zeit, der Dei- nige wich ihm mit ſtolzer Hoͤflichkeit aus, oder ſprach mit wegwerfender Anmaßung ab. Jener
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ßen ſelbſt beſtimmen zu koͤnnen, und wuͤnſchte
ihm herzlich Gluͤck, doch warnte ſie ihn zugleich
mit maͤdchenhafter Furchtſamkeit. Zu dieſer ge-
liebten Schweſter flog nun mein Vater. Sie
empfing ihn mit der lebhafteſten Freude, aber
ihr Herz beklemmten aͤngſtliche Sorgen. Jhr
Gemahl hatte ihr wenige Stunden zuvor ange-
kuͤndigt, daß die Prinzeu entſchloſſen waͤren,
uͤber die Graͤnze zu gehen, in Hoffnung, daß der
groͤßere Theil des Adels ihnen folgen werde, und
daß man von dort aus den Anmaßungen des
dritten Standes vernichtend begegnen koͤnne.
Er hatte ihr befohlen, ſich reiſefertig zu halten,
um ihm zu folgen. Sie befand ſich im neun-
ten Monat ihrer Schwangerſchaft, liebte ihre
Umgebung, und fuͤrchtete den unbekannten rau-
hen Norden. So ſank ſie weinend in die
Arme ihres bekuͤmmerten Bruders. Der Her-
zog Dein Vater trat kurz darauf ins Zimmer.
Die Begruͤßung der beiden Schwaͤger war kalt
und foͤrmlich. Mein Vater lenkte ſogleich das
Geſpraͤch auf das Jntereſſe der Zeit, der Dei-
nige wich ihm mit ſtolzer Hoͤflichkeit aus, oder
ſprach mit wegwerfender Anmaßung ab. Jener
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/56>, abgerufen am 16.02.2025.
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