Du wirst lachen, Adele, aber bedenke daß ich in der Provence gebohren bin, wo man früher und heißer empfindet, als in deinem kalten Eng- land, bedenke daß Gesänge der Troubadours meine Wiegenlieder waren, und daß ich in der Jdeen- welt, unter Heroenbildern aufwuchs. Die Ver- götterung meines Helden schallte mir aus jedem Munde entgegen; mein Vater und der Pfarrer waren von Bewunderung für ihn durchdrungen, und dieß steigerte meine Neigung bis zur Schwär- merei. Jch weiß, Adele, nach deiner leichten Sin- nesart, spottest du über diese abentheuerliche Liebe, aber ich erröthe nicht. Jch ergötze mich noch in diesen Augenblick an den verblichenen Farben jener Gefühle und würde die ganze Wirklichkeit meines jetzigen Lebens um die Träume meiner Kindheit geben. Jch schäme mich selbst nicht, dir mein kindisches Opfer zu erzählen, dessen Grund ich damals, so wie überhaupt meine Neigung, tief verhehlte. Als mein Held nach Aegypten ging, erbebte ich; noch mehr, als unsre Flotte geschlagen, und ihm der Rückweg abgeschnitten schien. Da schlich ich mich eines Abens in die entlegene Waldkapelle, und kniete vor dem Altar
Du wirſt lachen, Adele, aber bedenke daß ich in der Provence gebohren bin, wo man fruͤher und heißer empfindet, als in deinem kalten Eng- land, bedenke daß Geſaͤnge der Troubadours meine Wiegenlieder waren, und daß ich in der Jdeen- welt, unter Heroenbildern aufwuchs. Die Ver- goͤtterung meines Helden ſchallte mir aus jedem Munde entgegen; mein Vater und der Pfarrer waren von Bewunderung fuͤr ihn durchdrungen, und dieß ſteigerte meine Neigung bis zur Schwaͤr- merei. Jch weiß, Adele, nach deiner leichten Sin- nesart, ſpotteſt du uͤber dieſe abentheuerliche Liebe, aber ich erroͤthe nicht. Jch ergoͤtze mich noch in dieſen Augenblick an den verblichenen Farben jener Gefuͤhle und wuͤrde die ganze Wirklichkeit meines jetzigen Lebens um die Traͤume meiner Kindheit geben. Jch ſchaͤme mich ſelbſt nicht, dir mein kindiſches Opfer zu erzaͤhlen, deſſen Grund ich damals, ſo wie uͤberhaupt meine Neigung, tief verhehlte. Als mein Held nach Aegypten ging, erbebte ich; noch mehr, als unſre Flotte geſchlagen, und ihm der Ruͤckweg abgeſchnitten ſchien. Da ſchlich ich mich eines Abens in die entlegene Waldkapelle, und kniete vor dem Altar
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Du wirſt lachen, Adele, aber bedenke daß ich
in der Provence gebohren bin, wo man fruͤher
und heißer empfindet, als in deinem kalten Eng-
land, bedenke daß Geſaͤnge der Troubadours meine
Wiegenlieder waren, und daß ich in der Jdeen-
welt, unter Heroenbildern aufwuchs. Die Ver-
goͤtterung meines Helden ſchallte mir aus jedem
Munde entgegen; mein Vater und der Pfarrer
waren von Bewunderung fuͤr ihn durchdrungen,
und dieß ſteigerte meine Neigung bis zur Schwaͤr-
merei. Jch weiß, Adele, nach deiner leichten Sin-
nesart, ſpotteſt du uͤber dieſe abentheuerliche Liebe,
aber ich erroͤthe nicht. Jch ergoͤtze mich noch in
dieſen Augenblick an den verblichenen Farben
jener Gefuͤhle und wuͤrde die ganze Wirklichkeit
meines jetzigen Lebens um die Traͤume meiner
Kindheit geben. Jch ſchaͤme mich ſelbſt nicht, dir
mein kindiſches Opfer zu erzaͤhlen, deſſen Grund
ich damals, ſo wie uͤberhaupt meine Neigung,
tief verhehlte. Als mein Held nach Aegypten
ging, erbebte ich; noch mehr, als unſre Flotte
geſchlagen, und ihm der Ruͤckweg abgeſchnitten
ſchien. Da ſchlich ich mich eines Abens in die
entlegene Waldkapelle, und kniete vor dem Altar
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/84>, abgerufen am 16.02.2025.
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