Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen mich, den Worten Doppelsinn gab.
Wollte der Himmel, setzte er hinzu, und nahm
eine Traube, daß meine Lorbern, für dasselbe
immer von so süßen Früchten begleitet seyn
möchten! Bald darauf reißte er ab, indem er
meine Gabe eigenhändig zum Wagen trug, aus
welchem er mich noch mehrere Mahle, mit
Hand und Blick grüßte. Jch blieb in einer
sehr veränderten Stimmung zurück. Meine
Phantasie schwieg, aber ich fühlte mich von
einer Ergebenheit durchdrungen, welche ich bei
meiner freien Erziehung, selbst nicht für meinen
Vater empfunden. Dieser war mit der Szene
nicht so ganz zufrieden. "Die Ueberreichung des
Lorbers und der Früchte war ganz hübsch,"
sagte er, "ich hätte sie aber stehend dargebracht."
-- Jch konnte nicht anders, erwiederte ich, eine
höhere Macht warf mich nieder, wie vor dem
Beherrscher des Erdkreises.

Der Nachklang jenes Gefühls hat immer-
fort in meiner Seele leise getönt, als dieser
kleine Vorfall in meinem Kreise längst vergessen
war, und ich selbst seiner kaum mehr gedachte.
Ueberhaupt ist vorherrschende Eigenschaft meines

Gemüths,

gegen mich, den Worten Doppelſinn gab.
Wollte der Himmel, ſetzte er hinzu, und nahm
eine Traube, daß meine Lorbern, fuͤr daſſelbe
immer von ſo ſuͤßen Fruͤchten begleitet ſeyn
moͤchten! Bald darauf reißte er ab, indem er
meine Gabe eigenhaͤndig zum Wagen trug, aus
welchem er mich noch mehrere Mahle, mit
Hand und Blick gruͤßte. Jch blieb in einer
ſehr veraͤnderten Stimmung zuruͤck. Meine
Phantaſie ſchwieg, aber ich fuͤhlte mich von
einer Ergebenheit durchdrungen, welche ich bei
meiner freien Erziehung, ſelbſt nicht fuͤr meinen
Vater empfunden. Dieſer war mit der Szene
nicht ſo ganz zufrieden. „Die Ueberreichung des
Lorbers und der Fruͤchte war ganz huͤbſch,‟
ſagte er, „ich haͤtte ſie aber ſtehend dargebracht.‟
— Jch konnte nicht anders, erwiederte ich, eine
hoͤhere Macht warf mich nieder, wie vor dem
Beherrſcher des Erdkreiſes.

Der Nachklang jenes Gefuͤhls hat immer-
fort in meiner Seele leiſe getoͤnt, als dieſer
kleine Vorfall in meinem Kreiſe laͤngſt vergeſſen
war, und ich ſelbſt ſeiner kaum mehr gedachte.
Ueberhaupt iſt vorherrſchende Eigenſchaft meines

Gemuͤths,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="80"/>
gegen mich, den Worten Doppel&#x017F;inn gab.<lb/>
Wollte der Himmel, &#x017F;etzte er hinzu, und nahm<lb/>
eine Traube, daß meine Lorbern, fu&#x0364;r da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
immer von &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ßen Fru&#x0364;chten begleitet &#x017F;eyn<lb/>
mo&#x0364;chten! Bald darauf reißte er ab, indem er<lb/>
meine Gabe eigenha&#x0364;ndig zum Wagen trug, aus<lb/>
welchem er mich noch mehrere Mahle, mit<lb/>
Hand und Blick gru&#x0364;ßte. Jch blieb in einer<lb/>
&#x017F;ehr vera&#x0364;nderten Stimmung zuru&#x0364;ck. Meine<lb/>
Phanta&#x017F;ie &#x017F;chwieg, aber ich fu&#x0364;hlte mich von<lb/>
einer Ergebenheit durchdrungen, welche ich bei<lb/>
meiner freien Erziehung, &#x017F;elb&#x017F;t nicht fu&#x0364;r meinen<lb/>
Vater empfunden. Die&#x017F;er war mit der Szene<lb/>
nicht &#x017F;o ganz zufrieden. &#x201E;Die Ueberreichung des<lb/>
Lorbers und der Fru&#x0364;chte war ganz hu&#x0364;b&#x017F;ch,&#x201F;<lb/>
&#x017F;agte er, &#x201E;ich ha&#x0364;tte &#x017F;ie aber &#x017F;tehend dargebracht.&#x201F;<lb/>
&#x2014; Jch konnte nicht anders, erwiederte ich, eine<lb/>
ho&#x0364;here Macht warf mich nieder, wie vor dem<lb/>
Beherr&#x017F;cher des Erdkrei&#x017F;es.</p><lb/>
          <p>Der Nachklang jenes Gefu&#x0364;hls hat immer-<lb/>
fort in meiner Seele lei&#x017F;e geto&#x0364;nt, als die&#x017F;er<lb/>
kleine Vorfall in meinem Krei&#x017F;e la&#x0364;ng&#x017F;t verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
war, und ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;einer kaum mehr gedachte.<lb/>
Ueberhaupt i&#x017F;t vorherr&#x017F;chende Eigen&#x017F;chaft meines<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Gemu&#x0364;ths,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0090] gegen mich, den Worten Doppelſinn gab. Wollte der Himmel, ſetzte er hinzu, und nahm eine Traube, daß meine Lorbern, fuͤr daſſelbe immer von ſo ſuͤßen Fruͤchten begleitet ſeyn moͤchten! Bald darauf reißte er ab, indem er meine Gabe eigenhaͤndig zum Wagen trug, aus welchem er mich noch mehrere Mahle, mit Hand und Blick gruͤßte. Jch blieb in einer ſehr veraͤnderten Stimmung zuruͤck. Meine Phantaſie ſchwieg, aber ich fuͤhlte mich von einer Ergebenheit durchdrungen, welche ich bei meiner freien Erziehung, ſelbſt nicht fuͤr meinen Vater empfunden. Dieſer war mit der Szene nicht ſo ganz zufrieden. „Die Ueberreichung des Lorbers und der Fruͤchte war ganz huͤbſch,‟ ſagte er, „ich haͤtte ſie aber ſtehend dargebracht.‟ — Jch konnte nicht anders, erwiederte ich, eine hoͤhere Macht warf mich nieder, wie vor dem Beherrſcher des Erdkreiſes. Der Nachklang jenes Gefuͤhls hat immer- fort in meiner Seele leiſe getoͤnt, als dieſer kleine Vorfall in meinem Kreiſe laͤngſt vergeſſen war, und ich ſelbſt ſeiner kaum mehr gedachte. Ueberhaupt iſt vorherrſchende Eigenſchaft meines Gemuͤths,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/90
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/90>, abgerufen am 15.05.2024.