Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebesgötter ab zu streifen; an dem Lächeln der
Ehepaare sehe ich jedoch, daß die losen Buben
überall hervorgucken. O könntest Du mir doch
den Brautkranz winden, meine traute Adele!
Mucius übernimmt es au Deiner Statt, jeder
Verlobte flicht ihn der Verlobten. Lebe wohl Du
Freundinn meiner Kindheit! zum letzten Mahle
schreibt Dir das Mädchen Virginia, das nächste
Mahl Mucius Gattinn.



Wir rüsten uns zur Abreise. Alle verlassen
diese gastliche Gegend, ohne die leiseste Reue. An
der Hand des Geliebten wandelt man ja freudig
zur Unterwelt, um wie viel lieber also einem stil-
len Paradiese entgegen, wie wir es zu finden hof-
fen. Selbst Walters und Stauffachs Gattinnen,
Fanny und Lucia, verlassen ihre Verwandten, ohne
Schmerz. Jn ihren Familien ist diese Tren-
nung nichts mehr, als wenn man bei Euch von
Lyon nach Avignon zöge. Die Wanderungslust
ist hier überhaupt fast ansteckend. Der Ameri-
kaner hangt bei weiten nicht so fest an der
Erdscholle, auf welcher er gebohren wurde, als

Liebesgoͤtter ab zu ſtreifen; an dem Laͤcheln der
Ehepaare ſehe ich jedoch, daß die loſen Buben
uͤberall hervorgucken. O koͤnnteſt Du mir doch
den Brautkranz winden, meine traute Adele!
Mucius uͤbernimmt es au Deiner Statt, jeder
Verlobte flicht ihn der Verlobten. Lebe wohl Du
Freundinn meiner Kindheit! zum letzten Mahle
ſchreibt Dir das Maͤdchen Virginia, das naͤchſte
Mahl Mucius Gattinn.



Wir ruͤſten uns zur Abreiſe. Alle verlaſſen
dieſe gaſtliche Gegend, ohne die leiſeſte Reue. An
der Hand des Geliebten wandelt man ja freudig
zur Unterwelt, um wie viel lieber alſo einem ſtil-
len Paradieſe entgegen, wie wir es zu finden hof-
fen. Selbſt Walters und Stauffachs Gattinnen,
Fanny und Lucia, verlaſſen ihre Verwandten, ohne
Schmerz. Jn ihren Familien iſt dieſe Tren-
nung nichts mehr, als wenn man bei Euch von
Lyon nach Avignon zoͤge. Die Wanderungsluſt
iſt hier uͤberhaupt faſt anſteckend. Der Ameri-
kaner hangt bei weiten nicht ſo feſt an der
Erdſcholle, auf welcher er gebohren wurde, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0101" n="91"/>
Liebesgo&#x0364;tter ab zu &#x017F;treifen; an dem La&#x0364;cheln der<lb/>
Ehepaare &#x017F;ehe ich jedoch, daß die lo&#x017F;en Buben<lb/>
u&#x0364;berall hervorgucken. O ko&#x0364;nnte&#x017F;t Du mir doch<lb/>
den Brautkranz winden, meine traute Adele!<lb/>
Mucius u&#x0364;bernimmt es au Deiner Statt, jeder<lb/>
Verlobte flicht ihn der Verlobten. Lebe wohl Du<lb/>
Freundinn meiner Kindheit! zum letzten Mahle<lb/>
&#x017F;chreibt Dir das Ma&#x0364;dchen Virginia, das na&#x0364;ch&#x017F;te<lb/>
Mahl Mucius Gattinn.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Wir ru&#x0364;&#x017F;ten uns zur Abrei&#x017F;e. Alle verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die&#x017F;e ga&#x017F;tliche Gegend, ohne die lei&#x017F;e&#x017F;te Reue. An<lb/>
der Hand des Geliebten wandelt man ja freudig<lb/>
zur Unterwelt, um wie viel lieber al&#x017F;o einem &#x017F;til-<lb/>
len Paradie&#x017F;e entgegen, wie wir es zu finden hof-<lb/>
fen. Selb&#x017F;t Walters und Stauffachs Gattinnen,<lb/>
Fanny und Lucia, verla&#x017F;&#x017F;en ihre Verwandten, ohne<lb/>
Schmerz. Jn ihren Familien i&#x017F;t die&#x017F;e Tren-<lb/>
nung nichts mehr, als wenn man bei Euch von<lb/>
Lyon nach Avignon zo&#x0364;ge. Die Wanderungslu&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t hier u&#x0364;berhaupt fa&#x017F;t an&#x017F;teckend. Der Ameri-<lb/>
kaner hangt bei weiten nicht &#x017F;o fe&#x017F;t an der<lb/>
Erd&#x017F;cholle, auf welcher er gebohren wurde, als<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0101] Liebesgoͤtter ab zu ſtreifen; an dem Laͤcheln der Ehepaare ſehe ich jedoch, daß die loſen Buben uͤberall hervorgucken. O koͤnnteſt Du mir doch den Brautkranz winden, meine traute Adele! Mucius uͤbernimmt es au Deiner Statt, jeder Verlobte flicht ihn der Verlobten. Lebe wohl Du Freundinn meiner Kindheit! zum letzten Mahle ſchreibt Dir das Maͤdchen Virginia, das naͤchſte Mahl Mucius Gattinn. Wir ruͤſten uns zur Abreiſe. Alle verlaſſen dieſe gaſtliche Gegend, ohne die leiſeſte Reue. An der Hand des Geliebten wandelt man ja freudig zur Unterwelt, um wie viel lieber alſo einem ſtil- len Paradieſe entgegen, wie wir es zu finden hof- fen. Selbſt Walters und Stauffachs Gattinnen, Fanny und Lucia, verlaſſen ihre Verwandten, ohne Schmerz. Jn ihren Familien iſt dieſe Tren- nung nichts mehr, als wenn man bei Euch von Lyon nach Avignon zoͤge. Die Wanderungsluſt iſt hier uͤberhaupt faſt anſteckend. Der Ameri- kaner hangt bei weiten nicht ſo feſt an der Erdſcholle, auf welcher er gebohren wurde, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/101
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/101>, abgerufen am 21.11.2024.