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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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Fuß vom Düsselbache entfernt. Sie mündeten, die größere
mit portalähnlichem Eingange in der Richtung nach Westen,
die kleinere nach Norden auf eine vorliegende schmale Ter-
rasse, auf welche und zu den Grotten man über den südli-
chen Rand der Schlucht gelangen konnte. Jn die größere
konnte man eintreten, in die kleinere nicht, da die Mündung
der letzteren nur durch eine niedrige, segmentartige oder
halbkreisförmige Oeffnung markirt war, durch welche dem
Blicke des wißbegierigen Besuchers von der gewölbten Decke
und den eigentlichen Dimensionen der Grotte nur ein ge-
ringer Theil sichtbar war. Der Boden beider Grotten war
nämlich bis zu gleicher Höhe und zwar bis zum Niveau der
vorliegenden Terrasse mit einem Lehmlager bedeckt, dessen
mineralogische Zusammensetzung, verglichen mit der 10 bis
12 Fuß mächtigen Lehmablagerung, welche in den Umge-
bungen des Neanderthals das gesammte Kalkgebirge über-
deckt und die bereits erwähnten Klüfte mit fossilen Thierknochen
in den Steinbrüchen am Dornap und bei Wülfrath ausfüllt,
keinen Unterschied zeigte. Diese Thatsache, welche die Wahr-
scheinlichkeit, daß die Ablagerung des Lehms in den Grotten
des Neanderthals, wie in den Spalten und Klüften des
Kalkgebirges gleichzeitig mit der Ablagerung des darüber
ausgebreiteten Diluvialschuttes erfolgte, so wesentlich unter-
stützt und für die Einschlüsse dieses Schuttes, seien es Roll-
steine, Thier- oder Menschenknochen, -- so fern nicht abwei-
chende Verhältnisse der Einlagerung oder andere sichere
Merkmale für einen jüngeren Ursprung derselben sprechen, --
ein diluviales Alter bedingt; diese Thatsache ist bei der
Altersbestimmung des Neanderthaler Fundes, entweder ganz
übersehen oder wenigstens nicht in ihrer vollen Bedeutung
gewürdigt worden.*) Daß auch der englische Geologe Lyell,

*) Die einzige Ausnahme macht Prof. Vogt, der meinen früheren
Bericht darüber zu Rathe gezogen hat.

Fuß vom Düſſelbache entfernt. Sie mündeten, die größere
mit portalähnlichem Eingange in der Richtung nach Weſten,
die kleinere nach Norden auf eine vorliegende ſchmale Ter-
raſſe, auf welche und zu den Grotten man über den ſüdli-
chen Rand der Schlucht gelangen konnte. Jn die größere
konnte man eintreten, in die kleinere nicht, da die Mündung
der letzteren nur durch eine niedrige, ſegmentartige oder
halbkreisförmige Oeffnung markirt war, durch welche dem
Blicke des wißbegierigen Beſuchers von der gewölbten Decke
und den eigentlichen Dimenſionen der Grotte nur ein ge-
ringer Theil ſichtbar war. Der Boden beider Grotten war
nämlich bis zu gleicher Höhe und zwar bis zum Niveau der
vorliegenden Terraſſe mit einem Lehmlager bedeckt, deſſen
mineralogiſche Zuſammenſetzung, verglichen mit der 10 bis
12 Fuß mächtigen Lehmablagerung, welche in den Umge-
bungen des Neanderthals das geſammte Kalkgebirge über-
deckt und die bereits erwähnten Klüfte mit foſſilen Thierknochen
in den Steinbrüchen am Dornap und bei Wülfrath ausfüllt,
keinen Unterſchied zeigte. Dieſe Thatſache, welche die Wahr-
ſcheinlichkeit, daß die Ablagerung des Lehms in den Grotten
des Neanderthals, wie in den Spalten und Klüften des
Kalkgebirges gleichzeitig mit der Ablagerung des darüber
ausgebreiteten Diluvialſchuttes erfolgte, ſo weſentlich unter-
ſtützt und für die Einſchlüſſe dieſes Schuttes, ſeien es Roll-
ſteine, Thier- oder Menſchenknochen, — ſo fern nicht abwei-
chende Verhältniſſe der Einlagerung oder andere ſichere
Merkmale für einen jüngeren Urſprung derſelben ſprechen, —
ein diluviales Alter bedingt; dieſe Thatſache iſt bei der
Altersbeſtimmung des Neanderthaler Fundes, entweder ganz
überſehen oder wenigſtens nicht in ihrer vollen Bedeutung
gewürdigt worden.*) Daß auch der engliſche Geologe Lyell,

*) Die einzige Ausnahme macht Prof. Vogt, der meinen früheren
Bericht darüber zu Rathe gezogen hat.
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[48/0052] Fuß vom Düſſelbache entfernt. Sie mündeten, die größere mit portalähnlichem Eingange in der Richtung nach Weſten, die kleinere nach Norden auf eine vorliegende ſchmale Ter- raſſe, auf welche und zu den Grotten man über den ſüdli- chen Rand der Schlucht gelangen konnte. Jn die größere konnte man eintreten, in die kleinere nicht, da die Mündung der letzteren nur durch eine niedrige, ſegmentartige oder halbkreisförmige Oeffnung markirt war, durch welche dem Blicke des wißbegierigen Beſuchers von der gewölbten Decke und den eigentlichen Dimenſionen der Grotte nur ein ge- ringer Theil ſichtbar war. Der Boden beider Grotten war nämlich bis zu gleicher Höhe und zwar bis zum Niveau der vorliegenden Terraſſe mit einem Lehmlager bedeckt, deſſen mineralogiſche Zuſammenſetzung, verglichen mit der 10 bis 12 Fuß mächtigen Lehmablagerung, welche in den Umge- bungen des Neanderthals das geſammte Kalkgebirge über- deckt und die bereits erwähnten Klüfte mit foſſilen Thierknochen in den Steinbrüchen am Dornap und bei Wülfrath ausfüllt, keinen Unterſchied zeigte. Dieſe Thatſache, welche die Wahr- ſcheinlichkeit, daß die Ablagerung des Lehms in den Grotten des Neanderthals, wie in den Spalten und Klüften des Kalkgebirges gleichzeitig mit der Ablagerung des darüber ausgebreiteten Diluvialſchuttes erfolgte, ſo weſentlich unter- ſtützt und für die Einſchlüſſe dieſes Schuttes, ſeien es Roll- ſteine, Thier- oder Menſchenknochen, — ſo fern nicht abwei- chende Verhältniſſe der Einlagerung oder andere ſichere Merkmale für einen jüngeren Urſprung derſelben ſprechen, — ein diluviales Alter bedingt; dieſe Thatſache iſt bei der Altersbeſtimmung des Neanderthaler Fundes, entweder ganz überſehen oder wenigſtens nicht in ihrer vollen Bedeutung gewürdigt worden. *) Daß auch der engliſche Geologe Lyell, *) Die einzige Ausnahme macht Prof. Vogt, der meinen früheren Bericht darüber zu Rathe gezogen hat.

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/52>, abgerufen am 23.11.2024.