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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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der einzige Fachmann, der es für nöthig erachtete, das Nean-
derthal und die fraglichen Grotten persönlich in Augenschein zu
nehmen, noch einige Zweifel bestehen läßt, hat wohl seinen
Grund nur darin, daß sein durch höchst ungünstiges Wetter
beschleunigter Besuch erst im Sommer 1860 erfolgte, wo
von der kleineren Grotte kaum noch das hintere Drittheil
vorhanden war, so daß die früheren und wahrscheinlich auch
ursprünglichen Bedingungen der Schutteinlagerung, wie sie
mir bekannt waren, nicht mehr vollständig übersehen wer-
den konnten.

Nach diesen Bemerkungen, mit welchen ich den früher
erwähnten irrigen Voraussetzungen über den geologischen
Charakter des Neanderthals begegnen und meine Zuhörer
auf die nähere Kenntnißnahme von der kleineren Feld-
hofer Grotte, dem eigentlichen Fundorte der fossilen
menschlichen Reste des Neanderthals, angemessen vorbereiten
wollte, komme ich nun zu der Auffindung dieser Reste selbst.

Jch erwähnte bereits die Erweiterung der Neander-
thaler Schlucht durch Steinbruchbetrieb. Schon im Sommer
1856*) war die Zerstörung der Felswände auf der linken
Schluchtseite bis zum Abbruch der der Feldhofer Grotte vor-
liegenden schmalen Terrasse vorgeschritten, und dadurch die
bis dahin größten Theils unsichtbare Mündung der kleineren
Grotte in ihrem ganzen, 8 Fuß im Lichten messenden Um-
fange bloßgelegt worden. Es fand sich, daß der bei Weitem
größere Theil des nach Jnnen keilförmig verjüngten, etwa
15 Fuß langen Grottenraums von einem über 6 Fuß mäch-
tigen, compacten Lehmlager gefüllt war. Als die Arbeiter

*) Nicht im Jahre 1857, wie es bei Lyell heißt.
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der einzige Fachmann, der es für nöthig erachtete, das Nean-
derthal und die fraglichen Grotten perſönlich in Augenſchein zu
nehmen, noch einige Zweifel beſtehen läßt, hat wohl ſeinen
Grund nur darin, daß ſein durch höchſt ungünſtiges Wetter
beſchleunigter Beſuch erſt im Sommer 1860 erfolgte, wo
von der kleineren Grotte kaum noch das hintere Drittheil
vorhanden war, ſo daß die früheren und wahrſcheinlich auch
urſprünglichen Bedingungen der Schutteinlagerung, wie ſie
mir bekannt waren, nicht mehr vollſtändig überſehen wer-
den konnten.

Nach dieſen Bemerkungen, mit welchen ich den früher
erwähnten irrigen Vorausſetzungen über den geologiſchen
Charakter des Neanderthals begegnen und meine Zuhörer
auf die nähere Kenntnißnahme von der kleineren Feld-
hofer Grotte, dem eigentlichen Fundorte der foſſilen
menſchlichen Reſte des Neanderthals, angemeſſen vorbereiten
wollte, komme ich nun zu der Auffindung dieſer Reſte ſelbſt.

Jch erwähnte bereits die Erweiterung der Neander-
thaler Schlucht durch Steinbruchbetrieb. Schon im Sommer
1856*) war die Zerſtörung der Felswände auf der linken
Schluchtſeite bis zum Abbruch der der Feldhofer Grotte vor-
liegenden ſchmalen Terraſſe vorgeſchritten, und dadurch die
bis dahin größten Theils unſichtbare Mündung der kleineren
Grotte in ihrem ganzen, 8 Fuß im Lichten meſſenden Um-
fange bloßgelegt worden. Es fand ſich, daß der bei Weitem
größere Theil des nach Jnnen keilförmig verjüngten, etwa
15 Fuß langen Grottenraums von einem über 6 Fuß mäch-
tigen, compacten Lehmlager gefüllt war. Als die Arbeiter

*) Nicht im Jahre 1857, wie es bei Lyell heißt.
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[49/0053] der einzige Fachmann, der es für nöthig erachtete, das Nean- derthal und die fraglichen Grotten perſönlich in Augenſchein zu nehmen, noch einige Zweifel beſtehen läßt, hat wohl ſeinen Grund nur darin, daß ſein durch höchſt ungünſtiges Wetter beſchleunigter Beſuch erſt im Sommer 1860 erfolgte, wo von der kleineren Grotte kaum noch das hintere Drittheil vorhanden war, ſo daß die früheren und wahrſcheinlich auch urſprünglichen Bedingungen der Schutteinlagerung, wie ſie mir bekannt waren, nicht mehr vollſtändig überſehen wer- den konnten. Nach dieſen Bemerkungen, mit welchen ich den früher erwähnten irrigen Vorausſetzungen über den geologiſchen Charakter des Neanderthals begegnen und meine Zuhörer auf die nähere Kenntnißnahme von der kleineren Feld- hofer Grotte, dem eigentlichen Fundorte der foſſilen menſchlichen Reſte des Neanderthals, angemeſſen vorbereiten wollte, komme ich nun zu der Auffindung dieſer Reſte ſelbſt. Jch erwähnte bereits die Erweiterung der Neander- thaler Schlucht durch Steinbruchbetrieb. Schon im Sommer 1856 *) war die Zerſtörung der Felswände auf der linken Schluchtſeite bis zum Abbruch der der Feldhofer Grotte vor- liegenden ſchmalen Terraſſe vorgeſchritten, und dadurch die bis dahin größten Theils unſichtbare Mündung der kleineren Grotte in ihrem ganzen, 8 Fuß im Lichten meſſenden Um- fange bloßgelegt worden. Es fand ſich, daß der bei Weitem größere Theil des nach Jnnen keilförmig verjüngten, etwa 15 Fuß langen Grottenraums von einem über 6 Fuß mäch- tigen, compacten Lehmlager gefüllt war. Als die Arbeiter *) Nicht im Jahre 1857, wie es bei Lyell heißt. 4

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/53>, abgerufen am 23.11.2024.