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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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lichen Bangigkeit befallen. Meinen Grundsätzen zu
Folge nahm ich auf die zärtliche Leibesbeschaffenheit
Rücksicht, obschon ich jetzt noch das Uebel für einen
wandelnden Rheumatismus hielt. Ich gab die gelind-
sten auflösenden Mittel, weil die Zunge immer feucht
und schleimig war; -- allein es gieng schlimmer. Ich
verordnete gelinde schweißtreibende Dinge von Min-
ders Geist, hofmannische Tropfen u. d. gl., sie
schwitzte; aber der Schweiß war kalt, und roch sehr
sauer. Nun zweifelte ich nimmer mehr an der Na-
tur eines zwar gelinden Nervenfiebers; versetzte die
letztern Dinge mit der Rinde; ließ einen guten To-
kayerwein trinken; -- den 7ten Tag bekam sie in den
Hintetbacken außerordentlich brennende Schmerzen; ich
erwartete eine brandige Verwerfung um das heilige
Bein; es geschah aber nicht; denn der Stoff war noch
zu gutartig; auf dem Handrücken zwischen dem Zeigefin-
ger und dem Daumen erschien ein kohlschwarzer, run-
der, einer Linse großer Fleck -- und als man die
Stellen untersuchte, welche den 7ten Tag so sehr
schmerzten, waren sie vom heiligen Beine an bis über
den rechten Hinterbacken und die Hälfte des äußern
Theils des Schenkels ganz mit unregelmäßigen eben
solchen Flecken und Striemen besetzt. Sie wurden nach
einiger Zeit blasser, und verloren sich nach drey Wo-
chen. Den eilften Tag war der Harn vollkommen
gekocht, und es giengen gekochte, breyartige, weiße,
und weißgraue Stühle ab, worauf die Genesung voll-
ständig wurde.


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lichen Bangigkeit befallen. Meinen Grundſaͤtzen zu
Folge nahm ich auf die zaͤrtliche Leibesbeſchaffenheit
Ruͤckſicht, obſchon ich jetzt noch das Uebel fuͤr einen
wandelnden Rheumatismus hielt. Ich gab die gelind-
ſten aufloͤſenden Mittel, weil die Zunge immer feucht
und ſchleimig war; — allein es gieng ſchlimmer. Ich
verordnete gelinde ſchweißtreibende Dinge von Min-
ders Geiſt, hofmanniſche Tropfen u. d. gl., ſie
ſchwitzte; aber der Schweiß war kalt, und roch ſehr
ſauer. Nun zweifelte ich nimmer mehr an der Na-
tur eines zwar gelinden Nervenfiebers; verſetzte die
letztern Dinge mit der Rinde; ließ einen guten To-
kayerwein trinken; — den 7ten Tag bekam ſie in den
Hintetbacken außerordentlich brennende Schmerzen; ich
erwartete eine brandige Verwerfung um das heilige
Bein; es geſchah aber nicht; denn der Stoff war noch
zu gutartig; auf dem Handruͤcken zwiſchen dem Zeigefin-
ger und dem Daumen erſchien ein kohlſchwarzer, run-
der, einer Linſe großer Fleck — und als man die
Stellen unterſuchte, welche den 7ten Tag ſo ſehr
ſchmerzten, waren ſie vom heiligen Beine an bis uͤber
den rechten Hinterbacken und die Haͤlfte des aͤußern
Theils des Schenkels ganz mit unregelmaͤßigen eben
ſolchen Flecken und Striemen beſetzt. Sie wurden nach
einiger Zeit blaſſer, und verloren ſich nach drey Wo-
chen. Den eilften Tag war der Harn vollkommen
gekocht, und es giengen gekochte, breyartige, weiße,
und weißgraue Stuͤhle ab, worauf die Geneſung voll-
ſtaͤndig wurde.


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[335/0374] lichen Bangigkeit befallen. Meinen Grundſaͤtzen zu Folge nahm ich auf die zaͤrtliche Leibesbeſchaffenheit Ruͤckſicht, obſchon ich jetzt noch das Uebel fuͤr einen wandelnden Rheumatismus hielt. Ich gab die gelind- ſten aufloͤſenden Mittel, weil die Zunge immer feucht und ſchleimig war; — allein es gieng ſchlimmer. Ich verordnete gelinde ſchweißtreibende Dinge von Min- ders Geiſt, hofmanniſche Tropfen u. d. gl., ſie ſchwitzte; aber der Schweiß war kalt, und roch ſehr ſauer. Nun zweifelte ich nimmer mehr an der Na- tur eines zwar gelinden Nervenfiebers; verſetzte die letztern Dinge mit der Rinde; ließ einen guten To- kayerwein trinken; — den 7ten Tag bekam ſie in den Hintetbacken außerordentlich brennende Schmerzen; ich erwartete eine brandige Verwerfung um das heilige Bein; es geſchah aber nicht; denn der Stoff war noch zu gutartig; auf dem Handruͤcken zwiſchen dem Zeigefin- ger und dem Daumen erſchien ein kohlſchwarzer, run- der, einer Linſe großer Fleck — und als man die Stellen unterſuchte, welche den 7ten Tag ſo ſehr ſchmerzten, waren ſie vom heiligen Beine an bis uͤber den rechten Hinterbacken und die Haͤlfte des aͤußern Theils des Schenkels ganz mit unregelmaͤßigen eben ſolchen Flecken und Striemen beſetzt. Sie wurden nach einiger Zeit blaſſer, und verloren ſich nach drey Wo- chen. Den eilften Tag war der Harn vollkommen gekocht, und es giengen gekochte, breyartige, weiße, und weißgraue Stuͤhle ab, worauf die Geneſung voll- ſtaͤndig wurde. Ei- Z 2

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/374>, abgerufen am 24.11.2024.