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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Der eine stürzte sich in einen nahen Pful, weil er
glaubte, er wäre in eine Ganse verwandelt; der an-
dere zerriß seine Kleider, suchte einen Fluß, um sei-
nen innerlichen Brand zu löschen, weil er zur Ente ge-
worden wäre, und ohne Wasser nicht leben könnte.*)
Ohne Zweifel wäre das Anschütten oder Baaden mit
kaltem Wasser die beste Kurart für die Wirkungen
der betäubenden Gifte und der aufwallenden Säfte.
Die bleichsüchtigen Mädchen, die schwangern Frauen
werden oft aufs gewaltthätigste von den sonderbarsten
Gelüsten hingerissen; der Mangel an Befriedigung
macht sie kleinmüthig, mürrisch, abgeschlagen; manch-
mal schadet er ihnen auf andere Arten. Hingegen er-
tragen sie die unverdaulichsten, seltsamsten, eckelhaf-
testen Dinge, und befinden sich wohl und vergnügt
dabey. Allermeist sind ihre Begierden von der Art,
daß dadurch ihre rohen, zähen, rotzigen, schleimich-
ten Säfte zertheilt und ausgeleert, oder besser ver-
dauet werden, z. B. wenn sie Pfeffer, Kalkerden,
Asche, Salzen, stinkenden Käß, Häringe, thierische
Auswürfe, Wurzeln, säuerlichte Obstfrüchten, schar-
fe Pflanzen u. d. gl. verschlingen. Eben so sehnen sich
fast alle Hypochondern nach scharfen Pflanzen, nach ge-
salzenem, geräuchertem Fleische, nach Häringen etc:
lauter Dinge, die ihnen der vernünftige Arzt ohnehin
nur selten nicht anempfehlen sollte. Die hysterischen
Frauen lieben scharfe Gerüche, stinkende, flüchtige,
durchdringende Geister und Rauchwerke; manche tra-
gen Kampfer, verfaulte Stücke Leder etc. bey sich,

ob-
*) Wepfer de Ciouta aquatica.

Der eine ſtuͤrzte ſich in einen nahen Pful, weil er
glaubte, er waͤre in eine Ganſe verwandelt; der an-
dere zerriß ſeine Kleider, ſuchte einen Fluß, um ſei-
nen innerlichen Brand zu loͤſchen, weil er zur Ente ge-
worden waͤre, und ohne Waſſer nicht leben koͤnnte.*)
Ohne Zweifel waͤre das Anſchuͤtten oder Baaden mit
kaltem Waſſer die beſte Kurart fuͤr die Wirkungen
der betaͤubenden Gifte und der aufwallenden Saͤfte.
Die bleichſuͤchtigen Maͤdchen, die ſchwangern Frauen
werden oft aufs gewaltthaͤtigſte von den ſonderbarſten
Geluͤſten hingeriſſen; der Mangel an Befriedigung
macht ſie kleinmuͤthig, muͤrriſch, abgeſchlagen; manch-
mal ſchadet er ihnen auf andere Arten. Hingegen er-
tragen ſie die unverdaulichſten, ſeltſamſten, eckelhaf-
teſten Dinge, und befinden ſich wohl und vergnuͤgt
dabey. Allermeiſt ſind ihre Begierden von der Art,
daß dadurch ihre rohen, zaͤhen, rotzigen, ſchleimich-
ten Saͤfte zertheilt und ausgeleert, oder beſſer ver-
dauet werden, z. B. wenn ſie Pfeffer, Kalkerden,
Aſche, Salzen, ſtinkenden Kaͤß, Haͤringe, thieriſche
Auswuͤrfe, Wurzeln, ſaͤuerlichte Obſtfruͤchten, ſchar-
fe Pflanzen u. d. gl. verſchlingen. Eben ſo ſehnen ſich
faſt alle Hypochondern nach ſcharfen Pflanzen, nach ge-
ſalzenem, geraͤuchertem Fleiſche, nach Haͤringen ꝛc:
lauter Dinge, die ihnen der vernuͤnftige Arzt ohnehin
nur ſelten nicht anempfehlen ſollte. Die hyſteriſchen
Frauen lieben ſcharfe Geruͤche, ſtinkende, fluͤchtige,
durchdringende Geiſter und Rauchwerke; manche tra-
gen Kampfer, verfaulte Stuͤcke Leder ꝛc. bey ſich,

ob-
*) Wepfer de Ciouta aquatica.
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[661/0680] Der eine ſtuͤrzte ſich in einen nahen Pful, weil er glaubte, er waͤre in eine Ganſe verwandelt; der an- dere zerriß ſeine Kleider, ſuchte einen Fluß, um ſei- nen innerlichen Brand zu loͤſchen, weil er zur Ente ge- worden waͤre, und ohne Waſſer nicht leben koͤnnte. *) Ohne Zweifel waͤre das Anſchuͤtten oder Baaden mit kaltem Waſſer die beſte Kurart fuͤr die Wirkungen der betaͤubenden Gifte und der aufwallenden Saͤfte. Die bleichſuͤchtigen Maͤdchen, die ſchwangern Frauen werden oft aufs gewaltthaͤtigſte von den ſonderbarſten Geluͤſten hingeriſſen; der Mangel an Befriedigung macht ſie kleinmuͤthig, muͤrriſch, abgeſchlagen; manch- mal ſchadet er ihnen auf andere Arten. Hingegen er- tragen ſie die unverdaulichſten, ſeltſamſten, eckelhaf- teſten Dinge, und befinden ſich wohl und vergnuͤgt dabey. Allermeiſt ſind ihre Begierden von der Art, daß dadurch ihre rohen, zaͤhen, rotzigen, ſchleimich- ten Saͤfte zertheilt und ausgeleert, oder beſſer ver- dauet werden, z. B. wenn ſie Pfeffer, Kalkerden, Aſche, Salzen, ſtinkenden Kaͤß, Haͤringe, thieriſche Auswuͤrfe, Wurzeln, ſaͤuerlichte Obſtfruͤchten, ſchar- fe Pflanzen u. d. gl. verſchlingen. Eben ſo ſehnen ſich faſt alle Hypochondern nach ſcharfen Pflanzen, nach ge- ſalzenem, geraͤuchertem Fleiſche, nach Haͤringen ꝛc: lauter Dinge, die ihnen der vernuͤnftige Arzt ohnehin nur ſelten nicht anempfehlen ſollte. Die hyſteriſchen Frauen lieben ſcharfe Geruͤche, ſtinkende, fluͤchtige, durchdringende Geiſter und Rauchwerke; manche tra- gen Kampfer, verfaulte Stuͤcke Leder ꝛc. bey ſich, ob- *) Wepfer de Ciouta aquatica.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/680>, abgerufen am 22.11.2024.