der Kranken in die lebhafteste Thätigkeit versetzen, und auf welche folglich ein jedes gutes Prüfungsmit- tel ebenfalls passen müste. Auch im gesunden Zustan- de, und in langwierigen Krankheiten, in der Wie- dergenesung der hitzigen giebt es heilsame und schäd- liche Instinkte, welche nach der Simsischen Methode auf keine Weise unterschieden werden können. Sims führt selbst Beyspiele an, wo Instinkte unter seinen Bedingnißen fruchtlos waren. Tissot erzählt von einem Kranken, der im Anfang der Krankheit schwar- ze Galle brach, und noch einige Stunden vor seinem Tode faselnd und mit Heftigkeit eine Aderläß verlang- te, die ihm ein Bartscheerer machte. Gleich darauf verfiel er in die heftigste Hirnwuth, welcher bald ein gäher Tod folgte. Die Klara Sied verlangte auf der höchsten Stufe der Krankheit, wo sie ganz aus- ser sich war, nicht nur ein Messer, um den Magen aufzureissen, sondern auch dringend und hartnäckig ei- ne Aderläße, die ihr gewiß den Tod gebracht hätte. -- Der Kranke S. 329 als er in tiefer Betäubung lag, verlangte Tokaierwein, den er sonst nicht ertra- gen konnte. Er trank und ertrug ihn in großer Men- ge; kam auch wirklich zu sich. In dem letzten Rück- falle verstund man aus seinen Gebehrden, daß er sich nach Obst sehnte; man stellte ihm alle Gattungen vor; nach den Pfirsichen streckte er eiligst, wie ein Kind, beyde Arme aus, machte die rührendesten Be- wegungen eines bittenden, und bebte vor Begierde; er aß mit unbeschreiblicher Freude, wie ein verhun- gertes Thier; schaute immer um sich her, ob wohl
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der Kranken in die lebhafteſte Thaͤtigkeit verſetzen, und auf welche folglich ein jedes gutes Pruͤfungsmit- tel ebenfalls paſſen muͤſte. Auch im geſunden Zuſtan- de, und in langwierigen Krankheiten, in der Wie- dergeneſung der hitzigen giebt es heilſame und ſchaͤd- liche Inſtinkte, welche nach der Simſiſchen Methode auf keine Weiſe unterſchieden werden koͤnnen. Sims fuͤhrt ſelbſt Beyſpiele an, wo Inſtinkte unter ſeinen Bedingnißen fruchtlos waren. Tiſſot erzaͤhlt von einem Kranken, der im Anfang der Krankheit ſchwar- ze Galle brach, und noch einige Stunden vor ſeinem Tode faſelnd und mit Heftigkeit eine Aderlaͤß verlang- te, die ihm ein Bartſcheerer machte. Gleich darauf verfiel er in die heftigſte Hirnwuth, welcher bald ein gaͤher Tod folgte. Die Klara Sied verlangte auf der hoͤchſten Stufe der Krankheit, wo ſie ganz auſ- ſer ſich war, nicht nur ein Meſſer, um den Magen aufzureiſſen, ſondern auch dringend und hartnaͤckig ei- ne Aderlaͤße, die ihr gewiß den Tod gebracht haͤtte. — Der Kranke S. 329 als er in tiefer Betaͤubung lag, verlangte Tokaierwein, den er ſonſt nicht ertra- gen konnte. Er trank und ertrug ihn in großer Men- ge; kam auch wirklich zu ſich. In dem letzten Ruͤck- falle verſtund man aus ſeinen Gebehrden, daß er ſich nach Obſt ſehnte; man ſtellte ihm alle Gattungen vor; nach den Pfirſichen ſtreckte er eiligſt, wie ein Kind, beyde Arme aus, machte die ruͤhrendeſten Be- wegungen eines bittenden, und bebte vor Begierde; er aß mit unbeſchreiblicher Freude, wie ein verhun- gertes Thier; ſchaute immer um ſich her, ob wohl
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der Kranken in die lebhafteſte Thaͤtigkeit verſetzen,
und auf welche folglich ein jedes gutes Pruͤfungsmit-
tel ebenfalls paſſen muͤſte. Auch im geſunden Zuſtan-
de, und in langwierigen Krankheiten, in der Wie-
dergeneſung der hitzigen giebt es heilſame und ſchaͤd-
liche Inſtinkte, welche nach der Simſiſchen Methode
auf keine Weiſe unterſchieden werden koͤnnen. Sims
fuͤhrt ſelbſt Beyſpiele an, wo Inſtinkte unter ſeinen
Bedingnißen fruchtlos waren. Tiſſot erzaͤhlt von
einem Kranken, der im Anfang der Krankheit ſchwar-
ze Galle brach, und noch einige Stunden vor ſeinem
Tode faſelnd und mit Heftigkeit eine Aderlaͤß verlang-
te, die ihm ein Bartſcheerer machte. Gleich darauf
verfiel er in die heftigſte Hirnwuth, welcher bald ein
gaͤher Tod folgte. Die Klara Sied verlangte auf
der hoͤchſten Stufe der Krankheit, wo ſie ganz auſ-
ſer ſich war, nicht nur ein Meſſer, um den Magen
aufzureiſſen, ſondern auch dringend und hartnaͤckig ei-
ne Aderlaͤße, die ihr gewiß den Tod gebracht haͤtte.
— Der Kranke S. 329 als er in tiefer Betaͤubung
lag, verlangte Tokaierwein, den er ſonſt nicht ertra-
gen konnte. Er trank und ertrug ihn in großer Men-
ge; kam auch wirklich zu ſich. In dem letzten Ruͤck-
falle verſtund man aus ſeinen Gebehrden, daß er ſich
nach Obſt ſehnte; man ſtellte ihm alle Gattungen
vor; nach den Pfirſichen ſtreckte er eiligſt, wie ein
Kind, beyde Arme aus, machte die ruͤhrendeſten Be-
wegungen eines bittenden, und bebte vor Begierde;
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gertes Thier; ſchaute immer um ſich her, ob wohl
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/691>, abgerufen am 22.11.2024.
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