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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Verschiedenheiten in den Werken
ist die Bewegung mitten im Meere, die Wellen zer-
schlagen sich gegen einander, keine reicht bis ans
Ufer. -- Aber der Sturm wächst, die Wellen
werden größer, eine treibt die andre fort, die lezte
bricht sich schon mit großem Geräusch am Lande,
Kherso Regnumenon. Der Sturm erreicht seine größ-
te Höhe, die Wellen thürmen sich bey den Vorge-
birgen, wo sie weniger Raum haben, sich auszu-
breiten, krümmen sich in ihrer größten Erhebung,
kurton eon koruphoutai, werfen an ihrer Spitze ei-
nen weißen Schaum aus, und stürzen wieder zu-
rück. Diese auf einander folgenden Erscheinun-
gen wird schwerlich irgend eine neuere Sprache
mit gleicher Genauigkeit und Kürze ausdrücken
können.

So werden wir in den meisten Beschreibun-
gen Homers immer den Anblick, den die Sache ge-
währt, die Art und Weise, wie sie sich dem Auge
darstellt, genau angegeben finden. Wenn wir
bloß sagen: er hat ihn mit seinem Schwerte durch-
bohrt; so sagt er:

Verſchiedenheiten in den Werken
iſt die Bewegung mitten im Meere, die Wellen zer-
ſchlagen ſich gegen einander, keine reicht bis ans
Ufer. — Aber der Sturm waͤchſt, die Wellen
werden groͤßer, eine treibt die andre fort, die lezte
bricht ſich ſchon mit großem Geraͤuſch am Lande,
Χέρσῳ ῥηγνύμενον. Der Sturm erreicht ſeine groͤß-
te Hoͤhe, die Wellen thuͤrmen ſich bey den Vorge-
birgen, wo ſie weniger Raum haben, ſich auszu-
breiten, kruͤmmen ſich in ihrer groͤßten Erhebung,
κυρτὸν ἐὸν κορυϕοῦται, werfen an ihrer Spitze ei-
nen weißen Schaum aus, und ſtuͤrzen wieder zu-
ruͤck. Dieſe auf einander folgenden Erſcheinun-
gen wird ſchwerlich irgend eine neuere Sprache
mit gleicher Genauigkeit und Kuͤrze ausdruͤcken
koͤnnen.

So werden wir in den meiſten Beſchreibun-
gen Homers immer den Anblick, den die Sache ge-
waͤhrt, die Art und Weiſe, wie ſie ſich dem Auge
darſtellt, genau angegeben finden. Wenn wir
bloß ſagen: er hat ihn mit ſeinem Schwerte durch-
bohrt; ſo ſagt er:

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[144/0150] Verſchiedenheiten in den Werken iſt die Bewegung mitten im Meere, die Wellen zer- ſchlagen ſich gegen einander, keine reicht bis ans Ufer. — Aber der Sturm waͤchſt, die Wellen werden groͤßer, eine treibt die andre fort, die lezte bricht ſich ſchon mit großem Geraͤuſch am Lande, Χέρσῳ ῥηγνύμενον. Der Sturm erreicht ſeine groͤß- te Hoͤhe, die Wellen thuͤrmen ſich bey den Vorge- birgen, wo ſie weniger Raum haben, ſich auszu- breiten, kruͤmmen ſich in ihrer groͤßten Erhebung, κυρτὸν ἐὸν κορυϕοῦται, werfen an ihrer Spitze ei- nen weißen Schaum aus, und ſtuͤrzen wieder zu- ruͤck. Dieſe auf einander folgenden Erſcheinun- gen wird ſchwerlich irgend eine neuere Sprache mit gleicher Genauigkeit und Kuͤrze ausdruͤcken koͤnnen. So werden wir in den meiſten Beſchreibun- gen Homers immer den Anblick, den die Sache ge- waͤhrt, die Art und Weiſe, wie ſie ſich dem Auge darſtellt, genau angegeben finden. Wenn wir bloß ſagen: er hat ihn mit ſeinem Schwerte durch- bohrt; ſo ſagt er:

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/150>, abgerufen am 28.04.2024.