Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.dessen Schriften und Charakter. andere Gegenstände, andere Absichten an derenStelle treten; aber dieser andere Gegenstand kann nur Gott, diese andere Absicht kann nur Voll- kommenheit, das heißt Tugend, seyn. Alle Dinge können nur diese doppelte Beziehung auf uns ha- ben: die Beziehung, nach der sie unsere äußern Vortheile, Bequemlichkeiten oder Ergötzungen vermehren; und die Beziehung, nach der sie un- ser Wesen vollkommener machen. Zu der ersten Beziehung brauchen wir den Gedanken von Gott nicht. Die Sinne lehren uns zuerst diese Wir- kungen jedes Gegenstandes; die Vernunft sagt sie uns, nach einigen Erfahrungen, zuvor; und al- les, was wir dabey mehr oder anders thun als die Thiere, ist, daß wir diese Vortheile auf einem längern Wege suchen. Die Gegenstände aber in der zweyten Beziehung anzusehen, und durch diese Beziehung bewegt zu werden, dazu gehört das lebhafte Bewußtseyn von der Gegenwart und dem Einflusse Gottes. Ohne den Begriff von Gott wissen wir nichts von einer innern Vortreflichkeit unsrer Natur, weil eben die Betrachtungen, die deſſen Schriften und Charakter. andere Gegenſtaͤnde, andere Abſichten an derenStelle treten; aber dieſer andere Gegenſtand kann nur Gott, dieſe andere Abſicht kann nur Voll- kommenheit, das heißt Tugend, ſeyn. Alle Dinge koͤnnen nur dieſe doppelte Beziehung auf uns ha- ben: die Beziehung, nach der ſie unſere aͤußern Vortheile, Bequemlichkeiten oder Ergoͤtzungen vermehren; und die Beziehung, nach der ſie un- ſer Weſen vollkommener machen. Zu der erſten Beziehung brauchen wir den Gedanken von Gott nicht. Die Sinne lehren uns zuerſt dieſe Wir- kungen jedes Gegenſtandes; die Vernunft ſagt ſie uns, nach einigen Erfahrungen, zuvor; und al- les, was wir dabey mehr oder anders thun als die Thiere, iſt, daß wir dieſe Vortheile auf einem laͤngern Wege ſuchen. Die Gegenſtaͤnde aber in der zweyten Beziehung anzuſehen, und durch dieſe Beziehung bewegt zu werden, dazu gehoͤrt das lebhafte Bewußtſeyn von der Gegenwart und dem Einfluſſe Gottes. Ohne den Begriff von Gott wiſſen wir nichts von einer innern Vortreflichkeit unſrer Natur, weil eben die Betrachtungen, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="237"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">deſſen Schriften und Charakter.</hi></fw><lb/> andere Gegenſtaͤnde, andere Abſichten an deren<lb/> Stelle treten; aber dieſer andere Gegenſtand kann<lb/> nur Gott, dieſe andere Abſicht kann nur Voll-<lb/> kommenheit, das heißt Tugend, ſeyn. Alle Dinge<lb/> koͤnnen nur dieſe doppelte Beziehung auf uns ha-<lb/> ben: die Beziehung, nach der ſie unſere aͤußern<lb/> Vortheile, Bequemlichkeiten oder Ergoͤtzungen<lb/> vermehren; und die Beziehung, nach der ſie un-<lb/> ſer Weſen vollkommener machen. Zu der erſten<lb/> Beziehung brauchen wir den Gedanken von Gott<lb/> nicht. Die Sinne lehren uns zuerſt dieſe Wir-<lb/> kungen jedes Gegenſtandes; die Vernunft ſagt ſie<lb/> uns, nach einigen Erfahrungen, zuvor; und al-<lb/> les, was wir dabey mehr oder anders thun als<lb/> die Thiere, iſt, daß wir dieſe Vortheile auf einem<lb/> laͤngern Wege ſuchen. Die Gegenſtaͤnde aber in<lb/> der zweyten Beziehung anzuſehen, und durch dieſe<lb/> Beziehung bewegt zu werden, dazu gehoͤrt das<lb/> lebhafte Bewußtſeyn von der Gegenwart und dem<lb/> Einfluſſe Gottes. Ohne den Begriff von Gott<lb/> wiſſen wir nichts von einer innern Vortreflichkeit<lb/> unſrer Natur, weil eben die Betrachtungen, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [237/0243]
deſſen Schriften und Charakter.
andere Gegenſtaͤnde, andere Abſichten an deren
Stelle treten; aber dieſer andere Gegenſtand kann
nur Gott, dieſe andere Abſicht kann nur Voll-
kommenheit, das heißt Tugend, ſeyn. Alle Dinge
koͤnnen nur dieſe doppelte Beziehung auf uns ha-
ben: die Beziehung, nach der ſie unſere aͤußern
Vortheile, Bequemlichkeiten oder Ergoͤtzungen
vermehren; und die Beziehung, nach der ſie un-
ſer Weſen vollkommener machen. Zu der erſten
Beziehung brauchen wir den Gedanken von Gott
nicht. Die Sinne lehren uns zuerſt dieſe Wir-
kungen jedes Gegenſtandes; die Vernunft ſagt ſie
uns, nach einigen Erfahrungen, zuvor; und al-
les, was wir dabey mehr oder anders thun als
die Thiere, iſt, daß wir dieſe Vortheile auf einem
laͤngern Wege ſuchen. Die Gegenſtaͤnde aber in
der zweyten Beziehung anzuſehen, und durch dieſe
Beziehung bewegt zu werden, dazu gehoͤrt das
lebhafte Bewußtſeyn von der Gegenwart und dem
Einfluſſe Gottes. Ohne den Begriff von Gott
wiſſen wir nichts von einer innern Vortreflichkeit
unſrer Natur, weil eben die Betrachtungen, die
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