In diesen Gattungen der Schreibart giebt es un- zählige mittlere Stufen: doch lassen sie sich über- haupt auf dreye bringen. Diese sind die eigent- lich poetische und malerische, die populäre und dialogische, und die didaktische.
Sehen wir unsere Sprache an, so finden wir sie an Wörtern der ersten Art reicher, als viel- leicht irgend eine andre. Namen, die die Dinge oder die Veränderungen von ihrer sinnlichsten Seite vorstellen, die so zu sagen, nur die sicht- bare Erscheinung der Sache, nicht ihre innre Na- tur ausdrücken, solche Namen haben wir in Men- ge: und oft sind wir auch im Stande, neue zu machen, ohne daß wir der Sprache Gewalt thä- ten. Diesen Reichthum unsrer Sprache hat wohl niemand besser gekannt, besser genuzt, als Klop- stock und Geßner, obgleich in zwo ganz verschie- denen Arten. Wie weit hier die französische hin- ter der unsrigen bleibe, das zeigen ihre eigenen Originalwerke, die immer, so bald es auf Schil- derung der sichtbaren Natur ankömmt, zu allge- mein sind, und der Imagination das Bild mit
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Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc.
In dieſen Gattungen der Schreibart giebt es un- zaͤhlige mittlere Stufen: doch laſſen ſie ſich uͤber- haupt auf dreye bringen. Dieſe ſind die eigent- lich poetiſche und maleriſche, die populaͤre und dialogiſche, und die didaktiſche.
Sehen wir unſere Sprache an, ſo finden wir ſie an Woͤrtern der erſten Art reicher, als viel- leicht irgend eine andre. Namen, die die Dinge oder die Veraͤnderungen von ihrer ſinnlichſten Seite vorſtellen, die ſo zu ſagen, nur die ſicht- bare Erſcheinung der Sache, nicht ihre innre Na- tur ausdruͤcken, ſolche Namen haben wir in Men- ge: und oft ſind wir auch im Stande, neue zu machen, ohne daß wir der Sprache Gewalt thaͤ- ten. Dieſen Reichthum unſrer Sprache hat wohl niemand beſſer gekannt, beſſer genuzt, als Klop- ſtock und Geßner, obgleich in zwo ganz verſchie- denen Arten. Wie weit hier die franzoͤſiſche hin- ter der unſrigen bleibe, das zeigen ihre eigenen Originalwerke, die immer, ſo bald es auf Schil- derung der ſichtbaren Natur ankoͤmmt, zu allge- mein ſind, und der Imagination das Bild mit
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Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc.
In dieſen Gattungen der Schreibart giebt es un-
zaͤhlige mittlere Stufen: doch laſſen ſie ſich uͤber-
haupt auf dreye bringen. Dieſe ſind die eigent-
lich poetiſche und maleriſche, die populaͤre und
dialogiſche, und die didaktiſche.
Sehen wir unſere Sprache an, ſo finden wir
ſie an Woͤrtern der erſten Art reicher, als viel-
leicht irgend eine andre. Namen, die die Dinge
oder die Veraͤnderungen von ihrer ſinnlichſten
Seite vorſtellen, die ſo zu ſagen, nur die ſicht-
bare Erſcheinung der Sache, nicht ihre innre Na-
tur ausdruͤcken, ſolche Namen haben wir in Men-
ge: und oft ſind wir auch im Stande, neue zu
machen, ohne daß wir der Sprache Gewalt thaͤ-
ten. Dieſen Reichthum unſrer Sprache hat wohl
niemand beſſer gekannt, beſſer genuzt, als Klop-
ſtock und Geßner, obgleich in zwo ganz verſchie-
denen Arten. Wie weit hier die franzoͤſiſche hin-
ter der unſrigen bleibe, das zeigen ihre eigenen
Originalwerke, die immer, ſo bald es auf Schil-
derung der ſichtbaren Natur ankoͤmmt, zu allge-
mein ſind, und der Imagination das Bild mit
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/461>, abgerufen am 27.11.2024.
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