Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


die der Möglichkeit einer Theilung der Materie ins Unendliche wohl Hindernisse entgegen setzen möchte, s. Theilbarkeit. Es läst sich hier wenigstens als möglich ansehen, daß es gewisse letzte Theile der Materie (s. Atomen), geben könnte, welche an sich nicht weiter theilbar wären. Ob nun diese letzten Theile noch ausgedehnt seyn oder scheinen würden, darüber haben wir wenigstens keine Erfahrungen, weil wir solche letzte Theile nie einzeln und abgesondert gesehen haben. Priestley hat sich die Materie als eine Menge von Kräften vorgestellt, die sich auf mathematische Punkte bezögen, und unter dem Worte Materie wird man ähnliche Vorstellungsarten andrer Weltweisen antreffen. So viel sich metaphysisch dagegen disputiren läst, so ist es doch unmöglich, durch Erfahrung etwas darüber auszumachen. Diese Betrachtungen haben mich bewogen, die Ausdehnung nicht eine wesentliche Eigenschaft der Materie, sondern ein allgemeines Phänomen der Körper zu nennen, da das Wesen der Materie vor sterblichen Augen verborgen ist.

Die Art, wie Körper ihren Raum einnehmen, ist von der Art, wie sich der Geometer den Raum ausgefüllt denkt, gerade so unterschieden, wie die Ausfüllung eines Maaßes durch Körner von dem ganzen Raume des Maaßes selbst, wie der aus zählbaren Mengen bestehende Gegenstand der Rechenkunst von dem meßbaren Gegenstande der Geometrie. Wer das Wesen der Materie durchschauen könnte, müste anzugeben vermögen, wie viel erste Theile, wie viel Atomen in jedem Körper vorhanden wären. Obgleich dies unmöglich ist, so werden wir doch durch das Gewicht der Körper davon belehrt, wie sich diese Mengen von Materie in verschiednen Körpern gegen einander verhalten, s. Masse. Der Raum, den die Körper einzunehmen scheinen, durch geometrische Ausmessung bestimmt, heißt ihr Volumen; dieses mit dem durchs Gewicht bestimmten Verhältnisse der Massen verglichen, führt auf die Begriffe von Dichte, specifischer Schwere, worauf sich ein großer Theil desjenigen gründet, was wir von den Körpern wissen.


die der Moͤglichkeit einer Theilung der Materie ins Unendliche wohl Hinderniſſe entgegen ſetzen moͤchte, ſ. Theilbarkeit. Es laͤſt ſich hier wenigſtens als moͤglich anſehen, daß es gewiſſe letzte Theile der Materie (ſ. Atomen), geben koͤnnte, welche an ſich nicht weiter theilbar waͤren. Ob nun dieſe letzten Theile noch ausgedehnt ſeyn oder ſcheinen wuͤrden, daruͤber haben wir wenigſtens keine Erfahrungen, weil wir ſolche letzte Theile nie einzeln und abgeſondert geſehen haben. Prieſtley hat ſich die Materie als eine Menge von Kraͤften vorgeſtellt, die ſich auf mathematiſche Punkte bezoͤgen, und unter dem Worte Materie wird man aͤhnliche Vorſtellungsarten andrer Weltweiſen antreffen. So viel ſich metaphyſiſch dagegen diſputiren laͤſt, ſo iſt es doch unmoͤglich, durch Erfahrung etwas daruͤber auszumachen. Dieſe Betrachtungen haben mich bewogen, die Ausdehnung nicht eine weſentliche Eigenſchaft der Materie, ſondern ein allgemeines Phaͤnomen der Koͤrper zu nennen, da das Weſen der Materie vor ſterblichen Augen verborgen iſt.

Die Art, wie Koͤrper ihren Raum einnehmen, iſt von der Art, wie ſich der Geometer den Raum ausgefuͤllt denkt, gerade ſo unterſchieden, wie die Ausfuͤllung eines Maaßes durch Koͤrner von dem ganzen Raume des Maaßes ſelbſt, wie der aus zaͤhlbaren Mengen beſtehende Gegenſtand der Rechenkunſt von dem meßbaren Gegenſtande der Geometrie. Wer das Weſen der Materie durchſchauen koͤnnte, muͤſte anzugeben vermoͤgen, wie viel erſte Theile, wie viel Atomen in jedem Koͤrper vorhanden waͤren. Obgleich dies unmoͤglich iſt, ſo werden wir doch durch das Gewicht der Koͤrper davon belehrt, wie ſich dieſe Mengen von Materie in verſchiednen Koͤrpern gegen einander verhalten, ſ. Maſſe. Der Raum, den die Koͤrper einzunehmen ſcheinen, durch geometriſche Ausmeſſung beſtimmt, heißt ihr Volumen; dieſes mit dem durchs Gewicht beſtimmten Verhaͤltniſſe der Maſſen verglichen, fuͤhrt auf die Begriffe von Dichte, ſpecifiſcher Schwere, worauf ſich ein großer Theil desjenigen gruͤndet, was wir von den Koͤrpern wiſſen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" xml:id="P.1.203" n="203"/><lb/>
die der Mo&#x0364;glichkeit einer Theilung der Materie ins Unendliche wohl Hinderni&#x017F;&#x017F;e entgegen &#x017F;etzen mo&#x0364;chte, <hi rendition="#b">&#x017F;. Theilbarkeit.</hi> Es la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich hier wenig&#x017F;tens als mo&#x0364;glich an&#x017F;ehen, daß es gewi&#x017F;&#x017F;e letzte Theile der Materie (<hi rendition="#b">&#x017F;. Atomen</hi>), geben ko&#x0364;nnte, welche an &#x017F;ich nicht weiter theilbar wa&#x0364;ren. Ob nun die&#x017F;e letzten Theile noch ausgedehnt &#x017F;eyn oder &#x017F;cheinen wu&#x0364;rden, daru&#x0364;ber haben wir wenig&#x017F;tens keine Erfahrungen, weil wir &#x017F;olche letzte Theile nie einzeln und abge&#x017F;ondert ge&#x017F;ehen haben. <hi rendition="#b">Prie&#x017F;tley</hi> hat &#x017F;ich die Materie als eine Menge von Kra&#x0364;ften vorge&#x017F;tellt, die &#x017F;ich auf mathemati&#x017F;che Punkte bezo&#x0364;gen, und unter dem Worte <hi rendition="#b">Materie</hi> wird man a&#x0364;hnliche Vor&#x017F;tellungsarten andrer Weltwei&#x017F;en antreffen. So viel &#x017F;ich metaphy&#x017F;i&#x017F;ch dagegen di&#x017F;putiren la&#x0364;&#x017F;t, &#x017F;o i&#x017F;t es doch unmo&#x0364;glich, durch Erfahrung etwas daru&#x0364;ber auszumachen. Die&#x017F;e Betrachtungen haben mich bewogen, die Ausdehnung nicht eine we&#x017F;entliche Eigen&#x017F;chaft der Materie, &#x017F;ondern ein allgemeines Pha&#x0364;nomen der Ko&#x0364;rper zu nennen, da das We&#x017F;en der Materie vor &#x017F;terblichen Augen verborgen i&#x017F;t.</p>
          <p>Die Art, wie Ko&#x0364;rper ihren Raum einnehmen, i&#x017F;t von der Art, wie &#x017F;ich der Geometer den Raum ausgefu&#x0364;llt denkt, gerade &#x017F;o unter&#x017F;chieden, wie die Ausfu&#x0364;llung eines Maaßes durch Ko&#x0364;rner von dem ganzen Raume des Maaßes &#x017F;elb&#x017F;t, wie der aus <hi rendition="#b">za&#x0364;hlbaren Mengen</hi> be&#x017F;tehende Gegen&#x017F;tand der Rechenkun&#x017F;t von dem <hi rendition="#b">meßbaren</hi> Gegen&#x017F;tande der Geometrie. Wer das We&#x017F;en der Materie durch&#x017F;chauen ko&#x0364;nnte, mu&#x0364;&#x017F;te anzugeben vermo&#x0364;gen, wie viel er&#x017F;te Theile, wie viel Atomen in jedem Ko&#x0364;rper vorhanden wa&#x0364;ren. Obgleich dies unmo&#x0364;glich i&#x017F;t, &#x017F;o werden wir doch durch das <hi rendition="#b">Gewicht</hi> der Ko&#x0364;rper davon belehrt, wie &#x017F;ich die&#x017F;e Mengen von Materie in ver&#x017F;chiednen Ko&#x0364;rpern gegen einander verhalten, <hi rendition="#b">&#x017F;. Ma&#x017F;&#x017F;e.</hi> Der Raum, den die Ko&#x0364;rper einzunehmen &#x017F;cheinen, durch geometri&#x017F;che Ausme&#x017F;&#x017F;ung be&#x017F;timmt, heißt ihr <hi rendition="#b">Volumen;</hi> die&#x017F;es mit dem durchs Gewicht be&#x017F;timmten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Ma&#x017F;&#x017F;en verglichen, fu&#x0364;hrt auf die Begriffe von <hi rendition="#b">Dichte, &#x017F;pecifi&#x017F;cher Schwere,</hi> worauf &#x017F;ich ein großer Theil desjenigen gru&#x0364;ndet, was wir von den Ko&#x0364;rpern wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0217] die der Moͤglichkeit einer Theilung der Materie ins Unendliche wohl Hinderniſſe entgegen ſetzen moͤchte, ſ. Theilbarkeit. Es laͤſt ſich hier wenigſtens als moͤglich anſehen, daß es gewiſſe letzte Theile der Materie (ſ. Atomen), geben koͤnnte, welche an ſich nicht weiter theilbar waͤren. Ob nun dieſe letzten Theile noch ausgedehnt ſeyn oder ſcheinen wuͤrden, daruͤber haben wir wenigſtens keine Erfahrungen, weil wir ſolche letzte Theile nie einzeln und abgeſondert geſehen haben. Prieſtley hat ſich die Materie als eine Menge von Kraͤften vorgeſtellt, die ſich auf mathematiſche Punkte bezoͤgen, und unter dem Worte Materie wird man aͤhnliche Vorſtellungsarten andrer Weltweiſen antreffen. So viel ſich metaphyſiſch dagegen diſputiren laͤſt, ſo iſt es doch unmoͤglich, durch Erfahrung etwas daruͤber auszumachen. Dieſe Betrachtungen haben mich bewogen, die Ausdehnung nicht eine weſentliche Eigenſchaft der Materie, ſondern ein allgemeines Phaͤnomen der Koͤrper zu nennen, da das Weſen der Materie vor ſterblichen Augen verborgen iſt. Die Art, wie Koͤrper ihren Raum einnehmen, iſt von der Art, wie ſich der Geometer den Raum ausgefuͤllt denkt, gerade ſo unterſchieden, wie die Ausfuͤllung eines Maaßes durch Koͤrner von dem ganzen Raume des Maaßes ſelbſt, wie der aus zaͤhlbaren Mengen beſtehende Gegenſtand der Rechenkunſt von dem meßbaren Gegenſtande der Geometrie. Wer das Weſen der Materie durchſchauen koͤnnte, muͤſte anzugeben vermoͤgen, wie viel erſte Theile, wie viel Atomen in jedem Koͤrper vorhanden waͤren. Obgleich dies unmoͤglich iſt, ſo werden wir doch durch das Gewicht der Koͤrper davon belehrt, wie ſich dieſe Mengen von Materie in verſchiednen Koͤrpern gegen einander verhalten, ſ. Maſſe. Der Raum, den die Koͤrper einzunehmen ſcheinen, durch geometriſche Ausmeſſung beſtimmt, heißt ihr Volumen; dieſes mit dem durchs Gewicht beſtimmten Verhaͤltniſſe der Maſſen verglichen, fuͤhrt auf die Begriffe von Dichte, ſpecifiſcher Schwere, worauf ſich ein großer Theil desjenigen gruͤndet, was wir von den Koͤrpern wiſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/217
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/217>, abgerufen am 09.11.2024.