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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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bekleiden sich nur hin und wieder auf den Flächen mit niedrigem Rasen, und in den Ritzen und Klüften mit Moos. Inzwischen nimmt nach den neusten Bergbeobachtern die Vegetation in den Bergen stets zu, und giebt ihren Abhängen und Böschungen von Zeit zu Zeit eine stärkere Befestigung, wodurch sie sich immer mehr einem bleibenden unveränderlichen Zustande nähern.

Man stand sonst in der falschen Meynung, daß die dünnere Luft auf den hohen Bergen das Athmen er chweren müsse. Schon Bouguer und de la Condamine haben bey ihren Abmessungen auf den hohen Gebirgen in Peru diese Einbildung ungegründet befunden. Die neuern Bergbeobachter sprechen vielmehr nie anders, als mit Entzücken von der reinen und heitern Bergluft, die dem Körper gleichsam neues Leben einflöße, und in Verbindung mit der Heiterkeit des Himmels, der Herrlichkeit der Aussichten, der Größe der Gegenstände und der tiefen Stille des Schauplatzes die Seele mit einem unbeschreiblichen Gefühl von Ruhe und Freude erfülle. Doch hat de Saussure (Voyages dans les alpes, To. II. p. 517.) durch Proben mit dem Eudiometer die Luft auf den Gipfeln des Buet, St. Bernhard u. s. w. nicht so rein, als die Luft in Chamouny und andern Alpenthälern gefunden, und glaubt hieraus schließen zu dürfen, daß die Luft in den niedrigen Plänen am wenigsten gesund, auf den hohen Bergen zwar etwas gesünder, am reinsten und unverdorbensten aber in den Thälern sey, welche 200--300 Toisen hoch über der Meeresfläche liegen.

Es findet sich unter den Bergen selbst sowohl in Absicht ihrer Höhe und Lage, als auch ihrer innern Beschaffenheit, ein mannigfaltiger Unterschied, welchen vorzüglich die neuern Naturforscher genauer bestimmt, und zu Unterstützung ihrer Meynungen über die Entstehung der Berge und die Geschichte der Erde angewendet haben. Zwar hat man schon längst die Berge in ursprüngliche und neuere (montes primitivos et recentes) abgetheilt; auch häben die deutschen Mineralogen und Bergwerksverständige sehr frühzeitig Ganggebirge von Flötzgebirgen unterschieden,


bekleiden ſich nur hin und wieder auf den Flaͤchen mit niedrigem Raſen, und in den Ritzen und Kluͤften mit Moos. Inzwiſchen nimmt nach den neuſten Bergbeobachtern die Vegetation in den Bergen ſtets zu, und giebt ihren Abhaͤngen und Boͤſchungen von Zeit zu Zeit eine ſtaͤrkere Befeſtigung, wodurch ſie ſich immer mehr einem bleibenden unveraͤnderlichen Zuſtande naͤhern.

Man ſtand ſonſt in der falſchen Meynung, daß die duͤnnere Luft auf den hohen Bergen das Athmen er chweren muͤſſe. Schon Bouguer und de la Condamine haben bey ihren Abmeſſungen auf den hohen Gebirgen in Peru dieſe Einbildung ungegruͤndet befunden. Die neuern Bergbeobachter ſprechen vielmehr nie anders, als mit Entzuͤcken von der reinen und heitern Bergluft, die dem Koͤrper gleichſam neues Leben einfloͤße, und in Verbindung mit der Heiterkeit des Himmels, der Herrlichkeit der Ausſichten, der Groͤße der Gegenſtaͤnde und der tiefen Stille des Schauplatzes die Seele mit einem unbeſchreiblichen Gefuͤhl von Ruhe und Freude erfuͤlle. Doch hat de Sauſſure (Voyages dans les alpes, To. II. p. 517.) durch Proben mit dem Eudiometer die Luft auf den Gipfeln des Buet, St. Bernhard u. ſ. w. nicht ſo rein, als die Luft in Chamouny und andern Alpenthaͤlern gefunden, und glaubt hieraus ſchließen zu duͤrfen, daß die Luft in den niedrigen Plaͤnen am wenigſten geſund, auf den hohen Bergen zwar etwas geſuͤnder, am reinſten und unverdorbenſten aber in den Thaͤlern ſey, welche 200—300 Toiſen hoch uͤber der Meeresflaͤche liegen.

Es findet ſich unter den Bergen ſelbſt ſowohl in Abſicht ihrer Hoͤhe und Lage, als auch ihrer innern Beſchaffenheit, ein mannigfaltiger Unterſchied, welchen vorzuͤglich die neuern Naturforſcher genauer beſtimmt, und zu Unterſtuͤtzung ihrer Meynungen uͤber die Entſtehung der Berge und die Geſchichte der Erde angewendet haben. Zwar hat man ſchon laͤngſt die Berge in urſpruͤngliche und neuere (montes primitivos et recentes) abgetheilt; auch haͤben die deutſchen Mineralogen und Bergwerksverſtaͤndige ſehr fruͤhzeitig Ganggebirge von Floͤtzgebirgen unterſchieden,

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[305/0319] bekleiden ſich nur hin und wieder auf den Flaͤchen mit niedrigem Raſen, und in den Ritzen und Kluͤften mit Moos. Inzwiſchen nimmt nach den neuſten Bergbeobachtern die Vegetation in den Bergen ſtets zu, und giebt ihren Abhaͤngen und Boͤſchungen von Zeit zu Zeit eine ſtaͤrkere Befeſtigung, wodurch ſie ſich immer mehr einem bleibenden unveraͤnderlichen Zuſtande naͤhern. Man ſtand ſonſt in der falſchen Meynung, daß die duͤnnere Luft auf den hohen Bergen das Athmen er chweren muͤſſe. Schon Bouguer und de la Condamine haben bey ihren Abmeſſungen auf den hohen Gebirgen in Peru dieſe Einbildung ungegruͤndet befunden. Die neuern Bergbeobachter ſprechen vielmehr nie anders, als mit Entzuͤcken von der reinen und heitern Bergluft, die dem Koͤrper gleichſam neues Leben einfloͤße, und in Verbindung mit der Heiterkeit des Himmels, der Herrlichkeit der Ausſichten, der Groͤße der Gegenſtaͤnde und der tiefen Stille des Schauplatzes die Seele mit einem unbeſchreiblichen Gefuͤhl von Ruhe und Freude erfuͤlle. Doch hat de Sauſſure (Voyages dans les alpes, To. II. p. 517.) durch Proben mit dem Eudiometer die Luft auf den Gipfeln des Buet, St. Bernhard u. ſ. w. nicht ſo rein, als die Luft in Chamouny und andern Alpenthaͤlern gefunden, und glaubt hieraus ſchließen zu duͤrfen, daß die Luft in den niedrigen Plaͤnen am wenigſten geſund, auf den hohen Bergen zwar etwas geſuͤnder, am reinſten und unverdorbenſten aber in den Thaͤlern ſey, welche 200—300 Toiſen hoch uͤber der Meeresflaͤche liegen. Es findet ſich unter den Bergen ſelbſt ſowohl in Abſicht ihrer Hoͤhe und Lage, als auch ihrer innern Beſchaffenheit, ein mannigfaltiger Unterſchied, welchen vorzuͤglich die neuern Naturforſcher genauer beſtimmt, und zu Unterſtuͤtzung ihrer Meynungen uͤber die Entſtehung der Berge und die Geſchichte der Erde angewendet haben. Zwar hat man ſchon laͤngſt die Berge in urſpruͤngliche und neuere (montes primitivos et recentes) abgetheilt; auch haͤben die deutſchen Mineralogen und Bergwerksverſtaͤndige ſehr fruͤhzeitig Ganggebirge von Floͤtzgebirgen unterſchieden,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/319>, abgerufen am 25.11.2024.