Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Biegsamkeit, Flexibilitas, Flexibilite.

Die Fähigkeit fester Körper, sich beugen zu lassen, d. i. Kräften, die auf ihre Theile wirken, so nachzugeben, daß dadurch eine Veränderung der Gestalt entsteht. Ihr wird die Härte, ingleichen die Steife oder Unbiegsamkeit (rigiditas, roideur) entgegengesetzt. Härte bezieht sich mehr auf Unmöglichkeit der Zusammendrückung, Trennung und Aenderung der Lage der Theile überhaupt, Steife auf Unmöglichkeit einer Aenderung der Richtung, nach welcher die Theile in die Länge fortgehen.

Diejenigen Körper, welche die durchs Beugen angenommene Gestalt behalten, heißen weiche, die aber, wenn die beugende Kraft aufhört, ihre vorige Gestalt wieder annehmen, elastische, federharte Körper.

Alle bekannte feste Körper sind in einigem Grade biegsam, daher es keine vollkommen harten und steifen Körper giebt. Ein gebogner Körper bildet einen oder mehrere Hebel, wo der Punkt, der seine vorige Lage behält, der Ruhepunkt ist. Aus diesem Grunde vermag nach den Gesetzen des Hebels die beugende Kraft desto mehr, je größer ihre Entfernung von diesem Punkte ist. Daher beugen sich lange und dünne Körper, z. B. lange Stangen u. dgl., schon durch ihr eignes Gewicht. Ein schlaffes Seil an beyden Enden befestiget, beugt sich durch sein eignes Gewicht in eine besondere krumme Linie, die Kettenlinie (catenaria, chainette), deren Natur die höhere Mathematik untersucht, und nach deren Gestalt die Festonen und Fruchtschnüre in den architektonischen Verzierungen gezeichnet werden müssen. In der ausübenden Mechanik muß man auf die Steife der Seile, als auf ein Hinderniß der Bewegung der Maschinen, Rücksicht nehmen, da man in der Theorie die Seile als vollkommen biegsam annimmt, ob sie gleich jederzeit der Beugung desto mehr Widerstand entgegensetzen, je neuer und dicker sie sind, und je mehr sie sich krümmen sollen.

Bier, Cerevisia, Bierre.

Ein geistiger Liquor, den man aus allen mehlartigen Samen bereiten kan, insgemein


Biegſamkeit, Flexibilitas, Flexibilité.

Die Faͤhigkeit feſter Koͤrper, ſich beugen zu laſſen, d. i. Kraͤften, die auf ihre Theile wirken, ſo nachzugeben, daß dadurch eine Veraͤnderung der Geſtalt entſteht. Ihr wird die Haͤrte, ingleichen die Steife oder Unbiegſamkeit (rigiditas, roideur) entgegengeſetzt. Haͤrte bezieht ſich mehr auf Unmoͤglichkeit der Zuſammendruͤckung, Trennung und Aenderung der Lage der Theile uͤberhaupt, Steife auf Unmoͤglichkeit einer Aenderung der Richtung, nach welcher die Theile in die Laͤnge fortgehen.

Diejenigen Koͤrper, welche die durchs Beugen angenommene Geſtalt behalten, heißen weiche, die aber, wenn die beugende Kraft aufhoͤrt, ihre vorige Geſtalt wieder annehmen, elaſtiſche, federharte Koͤrper.

Alle bekannte feſte Koͤrper ſind in einigem Grade biegſam, daher es keine vollkommen harten und ſteifen Koͤrper giebt. Ein gebogner Koͤrper bildet einen oder mehrere Hebel, wo der Punkt, der ſeine vorige Lage behaͤlt, der Ruhepunkt iſt. Aus dieſem Grunde vermag nach den Geſetzen des Hebels die beugende Kraft deſto mehr, je groͤßer ihre Entfernung von dieſem Punkte iſt. Daher beugen ſich lange und duͤnne Koͤrper, z. B. lange Stangen u. dgl., ſchon durch ihr eignes Gewicht. Ein ſchlaffes Seil an beyden Enden befeſtiget, beugt ſich durch ſein eignes Gewicht in eine beſondere krumme Linie, die Kettenlinie (catenaria, chainette), deren Natur die hoͤhere Mathematik unterſucht, und nach deren Geſtalt die Feſtonen und Fruchtſchnuͤre in den architektoniſchen Verzierungen gezeichnet werden muͤſſen. In der ausuͤbenden Mechanik muß man auf die Steife der Seile, als auf ein Hinderniß der Bewegung der Maſchinen, Ruͤckſicht nehmen, da man in der Theorie die Seile als vollkommen biegſam annimmt, ob ſie gleich jederzeit der Beugung deſto mehr Widerſtand entgegenſetzen, je neuer und dicker ſie ſind, und je mehr ſie ſich kruͤmmen ſollen.

Bier, Cereviſia, Bierre.

Ein geiſtiger Liquor, den man aus allen mehlartigen Samen bereiten kan, insgemein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0365" xml:id="P.1.351" n="351"/><lb/>
          </p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Bieg&#x017F;amkeit, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Flexibilitas</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Flexibilité</hi></foreign></name>.</head><lb/>
          <p>Die Fa&#x0364;higkeit fe&#x017F;ter Ko&#x0364;rper, &#x017F;ich beugen zu la&#x017F;&#x017F;en, d. i. Kra&#x0364;ften, die auf ihre Theile wirken, &#x017F;o nachzugeben, daß dadurch eine Vera&#x0364;nderung der Ge&#x017F;talt ent&#x017F;teht. Ihr wird die Ha&#x0364;rte, ingleichen die Steife oder Unbieg&#x017F;amkeit <hi rendition="#aq">(rigiditas, <hi rendition="#i">roideur</hi>)</hi> entgegenge&#x017F;etzt. Ha&#x0364;rte bezieht &#x017F;ich mehr auf Unmo&#x0364;glichkeit der Zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckung, Trennung und Aenderung der Lage der Theile u&#x0364;berhaupt, Steife auf Unmo&#x0364;glichkeit einer Aenderung der Richtung, nach welcher die Theile in die La&#x0364;nge fortgehen.</p>
          <p>Diejenigen Ko&#x0364;rper, welche die durchs Beugen angenommene Ge&#x017F;talt behalten, heißen <hi rendition="#b">weiche,</hi> die aber, wenn die beugende Kraft aufho&#x0364;rt, ihre vorige Ge&#x017F;talt wieder annehmen, <hi rendition="#b">ela&#x017F;ti&#x017F;che, federharte</hi> Ko&#x0364;rper.</p>
          <p>Alle bekannte fe&#x017F;te Ko&#x0364;rper &#x017F;ind in einigem Grade bieg&#x017F;am, daher es keine vollkommen harten und &#x017F;teifen Ko&#x0364;rper giebt. Ein gebogner Ko&#x0364;rper bildet einen oder mehrere Hebel, wo der Punkt, der &#x017F;eine vorige Lage beha&#x0364;lt, der Ruhepunkt i&#x017F;t. Aus die&#x017F;em Grunde vermag nach den Ge&#x017F;etzen des Hebels die beugende Kraft de&#x017F;to mehr, je gro&#x0364;ßer ihre Entfernung von die&#x017F;em Punkte i&#x017F;t. Daher beugen &#x017F;ich lange und du&#x0364;nne Ko&#x0364;rper, z. B. lange Stangen u. dgl., &#x017F;chon durch ihr eignes Gewicht. Ein &#x017F;chlaffes Seil an beyden Enden befe&#x017F;tiget, beugt &#x017F;ich durch &#x017F;ein eignes Gewicht in eine be&#x017F;ondere krumme Linie, die <hi rendition="#b">Kettenlinie</hi> <hi rendition="#aq">(catenaria, <hi rendition="#i">chainette</hi>),</hi> deren Natur die ho&#x0364;here Mathematik unter&#x017F;ucht, und nach deren Ge&#x017F;talt die Fe&#x017F;tonen und Frucht&#x017F;chnu&#x0364;re in den architektoni&#x017F;chen Verzierungen gezeichnet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. In der ausu&#x0364;benden Mechanik muß man auf die Steife der Seile, als auf ein Hinderniß der Bewegung der Ma&#x017F;chinen, Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen, da man in der Theorie die Seile als vollkommen bieg&#x017F;am annimmt, ob &#x017F;ie gleich jederzeit der Beugung de&#x017F;to mehr Wider&#x017F;tand entgegen&#x017F;etzen, je neuer und dicker &#x017F;ie &#x017F;ind, und je mehr &#x017F;ie &#x017F;ich kru&#x0364;mmen &#x017F;ollen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Bier, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Cerevi&#x017F;ia</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Bierre</hi></foreign></name>.</head><lb/>
          <p>Ein gei&#x017F;tiger Liquor, den man aus allen mehlartigen Samen bereiten kan, insgemein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0365] Biegſamkeit, Flexibilitas, Flexibilité. Die Faͤhigkeit feſter Koͤrper, ſich beugen zu laſſen, d. i. Kraͤften, die auf ihre Theile wirken, ſo nachzugeben, daß dadurch eine Veraͤnderung der Geſtalt entſteht. Ihr wird die Haͤrte, ingleichen die Steife oder Unbiegſamkeit (rigiditas, roideur) entgegengeſetzt. Haͤrte bezieht ſich mehr auf Unmoͤglichkeit der Zuſammendruͤckung, Trennung und Aenderung der Lage der Theile uͤberhaupt, Steife auf Unmoͤglichkeit einer Aenderung der Richtung, nach welcher die Theile in die Laͤnge fortgehen. Diejenigen Koͤrper, welche die durchs Beugen angenommene Geſtalt behalten, heißen weiche, die aber, wenn die beugende Kraft aufhoͤrt, ihre vorige Geſtalt wieder annehmen, elaſtiſche, federharte Koͤrper. Alle bekannte feſte Koͤrper ſind in einigem Grade biegſam, daher es keine vollkommen harten und ſteifen Koͤrper giebt. Ein gebogner Koͤrper bildet einen oder mehrere Hebel, wo der Punkt, der ſeine vorige Lage behaͤlt, der Ruhepunkt iſt. Aus dieſem Grunde vermag nach den Geſetzen des Hebels die beugende Kraft deſto mehr, je groͤßer ihre Entfernung von dieſem Punkte iſt. Daher beugen ſich lange und duͤnne Koͤrper, z. B. lange Stangen u. dgl., ſchon durch ihr eignes Gewicht. Ein ſchlaffes Seil an beyden Enden befeſtiget, beugt ſich durch ſein eignes Gewicht in eine beſondere krumme Linie, die Kettenlinie (catenaria, chainette), deren Natur die hoͤhere Mathematik unterſucht, und nach deren Geſtalt die Feſtonen und Fruchtſchnuͤre in den architektoniſchen Verzierungen gezeichnet werden muͤſſen. In der ausuͤbenden Mechanik muß man auf die Steife der Seile, als auf ein Hinderniß der Bewegung der Maſchinen, Ruͤckſicht nehmen, da man in der Theorie die Seile als vollkommen biegſam annimmt, ob ſie gleich jederzeit der Beugung deſto mehr Widerſtand entgegenſetzen, je neuer und dicker ſie ſind, und je mehr ſie ſich kruͤmmen ſollen. Bier, Cereviſia, Bierre. Ein geiſtiger Liquor, den man aus allen mehlartigen Samen bereiten kan, insgemein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/365
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/365>, abgerufen am 22.11.2024.