Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.Kepler untersuchte die Brechung aus Luft in Glas und Wasser sorgfältiger. Er gab zuerst (Paralipomena ad Vitellionem, Frf. 1604.) an, der Brechungswinkel, d. i. nach ihm der Winkel des einfallenden Strals mit dem gebrochnen, habe einen Proportionaltheil, der von dem Einfallswinkel abhange, und einen ungleich wachsenden Theil, der sich nach der Secante des gebrochnen Winkels richte. Nach dieser Voraussetzung berechnet er eine Tafel für die Brechung im Wasser. In seiner Dioptrik aber (Dioptrice, Aug. Vind. 1611. 4. ax. 7. 8.) behauptet er aus Versuchen, bey der Brechung aus Luftin Glas betrage der Brechungswinkel KCH (Taf. I. Fig. 13.) zwey Drittheile des Einfallwinkels, wenn der letztere unter 30 Graden sey. Da die Objectivgläser vom Mittel bis zum Umfang selten über 20° halten, so glaubt er, dieses Verhältniß sey zum Gebrauch für die Theorie der Linsengläser und der Fernröhre hinreichend genau. Er war zwar zu sehr Geometer, um einen Satz für vollkommen zu halten, der nur auf kleine Winkel eingeschränkt war; inzwischen hat er für die angeführte Theorie sehr richtige Folgen daraus gezogen. Auch bestimmte er schon durch Versuche, daß die letzte Brechung aus Glas in Luft bey einem Einfallswinkel von 42° geschehe, und bey einem größern in Zurückwerfung übergehe (Dioptr. ax. 9.). Es ist zu verwundern, daß ein Mann von seinem Scharfsinne die Entdeckung des wahren Gesetzes, der er so nahe war, verfehlen konnte. Scheiner und Kircher stellten über die Größe der Brechung in Glas, Wasser, Wein, Oel rc. noch mehr Versuche an (Kircher Ars magna lucis et umbrae, Romae 1646. fol.). Von ihren Werkzeugen hiezu s. den Art. Anaklastisches Werkzeug. Inzwischen war das wahre Gesetz der Brechung von Willebrord Snellius, Professor der Mechanik zu Leiden (+ 1626), entdeckt worden. Zwar ist sein Werk über die Optik, worinn er diese Entdeckung bekannt machen wollte, nie herausgekommen; allein das Zeugniß des Huygens (Dioptr. p. 2.), der seine Handschrift gesehen Kepler unterſuchte die Brechung aus Luft in Glas und Waſſer ſorgfaͤltiger. Er gab zuerſt (Paralipomena ad Vitellionem, Frf. 1604.) an, der Brechungswinkel, d. i. nach ihm der Winkel des einfallenden Strals mit dem gebrochnen, habe einen Proportionaltheil, der von dem Einfallswinkel abhange, und einen ungleich wachſenden Theil, der ſich nach der Secante des gebrochnen Winkels richte. Nach dieſer Vorausſetzung berechnet er eine Tafel fuͤr die Brechung im Waſſer. In ſeiner Dioptrik aber (Dioptrice, Aug. Vind. 1611. 4. ax. 7. 8.) behauptet er aus Verſuchen, bey der Brechung aus Luftin Glas betrage der Brechungswinkel KCH (Taf. I. Fig. 13.) zwey Drittheile des Einfallwinkels, wenn der letztere unter 30 Graden ſey. Da die Objectivglaͤſer vom Mittel bis zum Umfang ſelten uͤber 20° halten, ſo glaubt er, dieſes Verhaͤltniß ſey zum Gebrauch fuͤr die Theorie der Linſenglaͤſer und der Fernroͤhre hinreichend genau. Er war zwar zu ſehr Geometer, um einen Satz fuͤr vollkommen zu halten, der nur auf kleine Winkel eingeſchraͤnkt war; inzwiſchen hat er fuͤr die angefuͤhrte Theorie ſehr richtige Folgen daraus gezogen. Auch beſtimmte er ſchon durch Verſuche, daß die letzte Brechung aus Glas in Luft bey einem Einfallswinkel von 42° geſchehe, und bey einem groͤßern in Zuruͤckwerfung uͤbergehe (Dioptr. ax. 9.). Es iſt zu verwundern, daß ein Mann von ſeinem Scharfſinne die Entdeckung des wahren Geſetzes, der er ſo nahe war, verfehlen konnte. Scheiner und Kircher ſtellten uͤber die Groͤße der Brechung in Glas, Waſſer, Wein, Oel rc. noch mehr Verſuche an (Kircher Ars magna lucis et umbrae, Romae 1646. fol.). Von ihren Werkzeugen hiezu ſ. den Art. Anaklaſtiſches Werkzeug. Inzwiſchen war das wahre Geſetz der Brechung von Willebrord Snellius, Profeſſor der Mechanik zu Leiden († 1626), entdeckt worden. Zwar iſt ſein Werk uͤber die Optik, worinn er dieſe Entdeckung bekannt machen wollte, nie herausgekommen; allein das Zeugniß des Huygens (Dioptr. p. 2.), der ſeine Handſchrift geſehen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0430" xml:id="P.1.416" n="416"/><lb/> </p> <p><hi rendition="#b">Kepler</hi> unterſuchte die Brechung aus Luft in Glas und Waſſer ſorgfaͤltiger. Er gab zuerſt <hi rendition="#aq">(Paralipomena ad Vitellionem, Frf. 1604.)</hi> an, der Brechungswinkel, d. i. nach ihm der Winkel des einfallenden Strals mit dem gebrochnen, habe einen Proportionaltheil, der von dem Einfallswinkel abhange, und einen ungleich wachſenden Theil, der ſich nach der Secante des gebrochnen Winkels richte. Nach dieſer Vorausſetzung berechnet er eine Tafel fuͤr die Brechung im Waſſer. 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Scheiner und Kircher ſtellten uͤber die Groͤße der Brechung in Glas, Waſſer, Wein, Oel rc. noch mehr Verſuche an (Kircher Ars magna lucis et umbrae, Romae 1646. fol.). Von ihren Werkzeugen hiezu ſ. den Art. Anaklaſtiſches Werkzeug.
Inzwiſchen war das wahre Geſetz der Brechung von Willebrord Snellius, Profeſſor der Mechanik zu Leiden († 1626), entdeckt worden. Zwar iſt ſein Werk uͤber die Optik, worinn er dieſe Entdeckung bekannt machen wollte, nie herausgekommen; allein das Zeugniß des Huygens (Dioptr. p. 2.), der ſeine Handſchrift geſehen
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