Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Diese Breite ist das Maaß des Winkels, welchen die Scheitellinie des Orts mit der Ebne des Erdäquators macht. Nun trift die verlängerte Scheitellinie am Himmel das Zenith des Orts, die verlängerte Ebne des Erdäquarors aber den Aequator der Himmelskugel. Mithin wird die Breite eines jeden Orts auch durch den Abstand des Aequators am Himmel von dem Zenith, oder durch das Complement der Aequatorhöhe ausgedrückt. Da nun das Complement der Aequatorhöhe die Polhöhe ist (s. Aequatorhöhe), so ist die Breite eines Orts seiner Polhöhe gleich. So ist die Breite von Leipzig = 51° 19' 41" nördlich, nach Heinsius Beobachtungen. Orte, die im Aequator selbst liegen, haben gar keine Breite, so wie sie keine Polhöhe haben, weil ihnen beyde Pole im Horizonte liegen, s. Sphäre. Auch kan die Breite eines Orts nie über 90° betragen, weil die Polhöhe nie über 90° steigen, d. h. weil der Pol höchstens nur im Zenith selbst liegen kan, wie in denen beyden Punkten, die sich in den Polen der Erdkugel selbst befinden. Die Breiten dienen nebst den Längen (s. Länge, geographische), die wahren Stellen der Orte auf der Erdkugel und ihre Lagen gegen einander genau zu bestimmen. Auf diese Bestimmungen gründet sich also die ganze Geographie und die richtige Verzeichnung der Landkarten. Man ist hiebey mit Bestimmung der Breiten weiter, als mit den Längen, gekommen, weil die Beobachtungen der Polhöhen leichter und sicherer sind, als die von der Zeit und den Uhren abhängenden Bestimmungen der Längen. Schon die Alten hatten mehrere Methoden, die Polhöhe zu messen, z. B. durch den Schatten der Mittagssonne am Tage der Nachtgleiche u. s. w. So zeichnet die zu des Prolemäus Geographie gehörige Karte des Agathodämon die den Alten bekannte Erdfläche gegen Norden bis zum 64sten und gegen Süden bis zum 20sten Grade der Breite, wo bey jenem das hyperboreische Meer, bey
Dieſe Breite iſt das Maaß des Winkels, welchen die Scheitellinie des Orts mit der Ebne des Erdaͤquators macht. Nun trift die verlaͤngerte Scheitellinie am Himmel das Zenith des Orts, die verlaͤngerte Ebne des Erdaͤquarors aber den Aequator der Himmelskugel. Mithin wird die Breite eines jeden Orts auch durch den Abſtand des Aequators am Himmel von dem Zenith, oder durch das Complement der Aequatorhoͤhe ausgedruͤckt. Da nun das Complement der Aequatorhoͤhe die Polhoͤhe iſt (ſ. Aequatorhoͤhe), ſo iſt die Breite eines Orts ſeiner Polhoͤhe gleich. So iſt die Breite von Leipzig = 51° 19′ 41″ noͤrdlich, nach Heinſius Beobachtungen. Orte, die im Aequator ſelbſt liegen, haben gar keine Breite, ſo wie ſie keine Polhoͤhe haben, weil ihnen beyde Pole im Horizonte liegen, ſ. Sphaͤre. Auch kan die Breite eines Orts nie uͤber 90° betragen, weil die Polhoͤhe nie uͤber 90° ſteigen, d. h. weil der Pol hoͤchſtens nur im Zenith ſelbſt liegen kan, wie in denen beyden Punkten, die ſich in den Polen der Erdkugel ſelbſt befinden. Die Breiten dienen nebſt den Laͤngen (ſ. Laͤnge, geographiſche), die wahren Stellen der Orte auf der Erdkugel und ihre Lagen gegen einander genau zu beſtimmen. Auf dieſe Beſtimmungen gruͤndet ſich alſo die ganze Geographie und die richtige Verzeichnung der Landkarten. Man iſt hiebey mit Beſtimmung der Breiten weiter, als mit den Laͤngen, gekommen, weil die Beobachtungen der Polhoͤhen leichter und ſicherer ſind, als die von der Zeit und den Uhren abhaͤngenden Beſtimmungen der Laͤngen. Schon die Alten hatten mehrere Methoden, die Polhoͤhe zu meſſen, z. B. durch den Schatten der Mittagsſonne am Tage der Nachtgleiche u. ſ. w. So zeichnet die zu des Prolemaͤus Geographie gehoͤrige Karte des Agathodaͤmon die den Alten bekannte Erdflaͤche gegen Norden bis zum 64ſten und gegen Suͤden bis zum 20ſten Grade der Breite, wo bey jenem das hyperboreiſche Meer, bey <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0452" xml:id="P.1.438" n="438"/><lb/> vom Aequator der Erde aus gerechnet, nach dem Nordpole oder nach dem Suͤdpole zu liegt.</p> <p>Dieſe Breite iſt das Maaß des Winkels, welchen die Scheitellinie des Orts mit der Ebne des Erdaͤquators macht. Nun trift die verlaͤngerte Scheitellinie am Himmel das Zenith des Orts, die verlaͤngerte Ebne des Erdaͤquarors aber den Aequator der Himmelskugel. Mithin wird die Breite eines jeden Orts auch durch den Abſtand des Aequators am Himmel von dem Zenith, oder durch das Complement der Aequatorhoͤhe ausgedruͤckt. Da nun das Complement der Aequatorhoͤhe die Polhoͤhe iſt (<hi rendition="#b">ſ. Aequatorhoͤhe</hi>), ſo iſt <hi rendition="#b">die Breite eines Orts ſeiner Polhoͤhe gleich.</hi> So iſt die Breite von Leipzig = 51° 19′ 41″ noͤrdlich, nach <hi rendition="#b">Heinſius</hi> Beobachtungen.</p> <p>Orte, die im Aequator ſelbſt liegen, haben gar keine Breite, ſo wie ſie keine Polhoͤhe haben, weil ihnen beyde Pole im Horizonte liegen, <hi rendition="#b">ſ. Sphaͤre.</hi> Auch kan die Breite eines Orts nie uͤber 90° betragen, weil die Polhoͤhe nie uͤber 90° ſteigen, d. h. weil der Pol hoͤchſtens nur im Zenith ſelbſt liegen kan, wie in denen beyden Punkten, die ſich in den Polen der Erdkugel ſelbſt befinden.</p> <p>Die Breiten dienen nebſt den Laͤngen (<hi rendition="#b">ſ. Laͤnge, geographiſche</hi>), die wahren Stellen der Orte auf der Erdkugel und ihre Lagen gegen einander genau zu beſtimmen. Auf dieſe Beſtimmungen gruͤndet ſich alſo die ganze Geographie und die richtige Verzeichnung der Landkarten. Man iſt hiebey mit Beſtimmung der Breiten weiter, als mit den Laͤngen, gekommen, weil die Beobachtungen der Polhoͤhen leichter und ſicherer ſind, als die von der Zeit und den Uhren abhaͤngenden Beſtimmungen der Laͤngen. Schon die Alten hatten mehrere Methoden, die Polhoͤhe zu meſſen, z. B. durch den Schatten der Mittagsſonne am Tage der Nachtgleiche u. ſ. w. So zeichnet die zu des <hi rendition="#b">Prolemaͤus</hi> Geographie gehoͤrige Karte des <hi rendition="#b">Agathodaͤmon</hi> die den Alten bekannte Erdflaͤche gegen Norden bis zum 64ſten und gegen Suͤden bis zum 20ſten Grade der Breite, wo bey jenem das <hi rendition="#b">hyperboreiſche Meer,</hi> bey<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [438/0452]
vom Aequator der Erde aus gerechnet, nach dem Nordpole oder nach dem Suͤdpole zu liegt.
Dieſe Breite iſt das Maaß des Winkels, welchen die Scheitellinie des Orts mit der Ebne des Erdaͤquators macht. Nun trift die verlaͤngerte Scheitellinie am Himmel das Zenith des Orts, die verlaͤngerte Ebne des Erdaͤquarors aber den Aequator der Himmelskugel. Mithin wird die Breite eines jeden Orts auch durch den Abſtand des Aequators am Himmel von dem Zenith, oder durch das Complement der Aequatorhoͤhe ausgedruͤckt. Da nun das Complement der Aequatorhoͤhe die Polhoͤhe iſt (ſ. Aequatorhoͤhe), ſo iſt die Breite eines Orts ſeiner Polhoͤhe gleich. So iſt die Breite von Leipzig = 51° 19′ 41″ noͤrdlich, nach Heinſius Beobachtungen.
Orte, die im Aequator ſelbſt liegen, haben gar keine Breite, ſo wie ſie keine Polhoͤhe haben, weil ihnen beyde Pole im Horizonte liegen, ſ. Sphaͤre. Auch kan die Breite eines Orts nie uͤber 90° betragen, weil die Polhoͤhe nie uͤber 90° ſteigen, d. h. weil der Pol hoͤchſtens nur im Zenith ſelbſt liegen kan, wie in denen beyden Punkten, die ſich in den Polen der Erdkugel ſelbſt befinden.
Die Breiten dienen nebſt den Laͤngen (ſ. Laͤnge, geographiſche), die wahren Stellen der Orte auf der Erdkugel und ihre Lagen gegen einander genau zu beſtimmen. Auf dieſe Beſtimmungen gruͤndet ſich alſo die ganze Geographie und die richtige Verzeichnung der Landkarten. Man iſt hiebey mit Beſtimmung der Breiten weiter, als mit den Laͤngen, gekommen, weil die Beobachtungen der Polhoͤhen leichter und ſicherer ſind, als die von der Zeit und den Uhren abhaͤngenden Beſtimmungen der Laͤngen. Schon die Alten hatten mehrere Methoden, die Polhoͤhe zu meſſen, z. B. durch den Schatten der Mittagsſonne am Tage der Nachtgleiche u. ſ. w. So zeichnet die zu des Prolemaͤus Geographie gehoͤrige Karte des Agathodaͤmon die den Alten bekannte Erdflaͤche gegen Norden bis zum 64ſten und gegen Suͤden bis zum 20ſten Grade der Breite, wo bey jenem das hyperboreiſche Meer, bey
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