Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
So hypothetisch auch der letzte Theil dieser Erklärung ist, so beruhen doch die Gründe, aus welchen Mairan überhaupt eine Grundwärme annimmt, auf unbezweifleten Thatsachen. Je tiefer man in die Erde hinabkömmt, desto mehr hören die Veränderungen der Wärme und Kälte auf, und die Temperatur nähert sich einer gewissen das ganze Jahr durch unverändert bleibenden Grenze. In den tiefen Kellern unter der pariser Sternwarte hält sich das reaumürische Thermometer unverändert auf 10 Grad über dem Eispunkte. Wäre irgend ein Ort auf der Erde, wo die Temperatur das ganze Jahr durch einerley bliebe, so müste diese Grenze daselbst die Oberfläche der Erde treffen; sie muß auch unter übrigens gleichen Umständen desto tiefer liegen, je größer die jährlichen Veränderungen, d. i. je näher die Pole sind. Es scheint also gewiß zu seyn, daß das Innere der Erde eine bestimmte den äußern Abwechselungen nicht unterworfene Wärme habe. Dies ist auch sehr natürlich, da die einzelnen äußern Einwirkungen zu schwach sind, um das Ganze zu durchdringen. Ob aber diese Wärme, wie Mairan will, in größern Tiefen immer zunehme, und also von einer dem Mittel der Erde eignen größern Hitze herrühre, ist unentschieden, da unsere Beobachtungen noch viel zu wenig ins Innere der Erde gedrungen sind. Mairan beruft sich zwar auf Erfahrungen, aber man kan ihm andere entgegenstellen. Bergmann führt an, daß im Schachte in Fahlun das Wasser, aus einer Tiefe von 360
So hypothetiſch auch der letzte Theil dieſer Erklaͤrung iſt, ſo beruhen doch die Gruͤnde, aus welchen Mairan uͤberhaupt eine Grundwaͤrme annimmt, auf unbezweifleten Thatſachen. Je tiefer man in die Erde hinabkoͤmmt, deſto mehr hoͤren die Veraͤnderungen der Waͤrme und Kaͤlte auf, und die Temperatur naͤhert ſich einer gewiſſen das ganze Jahr durch unveraͤndert bleibenden Grenze. In den tiefen Kellern unter der pariſer Sternwarte haͤlt ſich das reaumuͤriſche Thermometer unveraͤndert auf 10 Grad uͤber dem Eispunkte. Waͤre irgend ein Ort auf der Erde, wo die Temperatur das ganze Jahr durch einerley bliebe, ſo muͤſte dieſe Grenze daſelbſt die Oberflaͤche der Erde treffen; ſie muß auch unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden deſto tiefer liegen, je groͤßer die jaͤhrlichen Veraͤnderungen, d. i. je naͤher die Pole ſind. Es ſcheint alſo gewiß zu ſeyn, daß das Innere der Erde eine beſtimmte den aͤußern Abwechſelungen nicht unterworfene Waͤrme habe. Dies iſt auch ſehr natuͤrlich, da die einzelnen aͤußern Einwirkungen zu ſchwach ſind, um das Ganze zu durchdringen. Ob aber dieſe Waͤrme, wie Mairan will, in groͤßern Tiefen immer zunehme, und alſo von einer dem Mittel der Erde eignen groͤßern Hitze herruͤhre, iſt unentſchieden, da unſere Beobachtungen noch viel zu wenig ins Innere der Erde gedrungen ſind. Mairan beruft ſich zwar auf Erfahrungen, aber man kan ihm andere entgegenſtellen. Bergmann fuͤhrt an, daß im Schachte in Fahlun das Waſſer, aus einer Tiefe von 360 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0499" xml:id="P.1.485" n="485"/><lb/> ſie in der Breite von Paris 393 mal groͤßer ſey, als die Waͤrme, welche die Sonne daſelbſt am kuͤrzeſten Tage hervorbringt. Er leitet die Verſchiedenheit der Klimate zum Theil davon her, daß die Erde anfangs fluͤßig geweſen und erſt durch die Sonnenwaͤrme auf der Oberflaͤche gehaͤrtet worden ſey. Dies ſey wegen der Ungleichheit der Sonnenwaͤrme auf eine ſehr ungleiche Art geſchehen, und daher die Ausbreitung der eingeſchloßen Waͤrme durch die Verhaͤrtung der Rinde in der heiſſen Zone weit ſtaͤrker, als gegen die Pole zu, verhindert worden, daher die Grundwaͤrme um den Aequator am ſtaͤrkſten ſey.</p> <p>So hypothetiſch auch der letzte Theil dieſer Erklaͤrung iſt, ſo beruhen doch die Gruͤnde, aus welchen <hi rendition="#b">Mairan</hi> uͤberhaupt eine Grundwaͤrme annimmt, auf unbezweifleten Thatſachen. Je tiefer man in die Erde hinabkoͤmmt, deſto mehr hoͤren die Veraͤnderungen der Waͤrme und Kaͤlte auf, und die Temperatur naͤhert ſich einer gewiſſen das ganze Jahr durch unveraͤndert bleibenden Grenze. In den tiefen Kellern unter der pariſer Sternwarte haͤlt ſich das reaumuͤriſche Thermometer unveraͤndert auf 10 Grad uͤber dem Eispunkte. Waͤre irgend ein Ort auf der Erde, wo die Temperatur das ganze Jahr durch einerley bliebe, ſo muͤſte dieſe Grenze daſelbſt die Oberflaͤche der Erde treffen; ſie muß auch unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden deſto tiefer liegen, je groͤßer die jaͤhrlichen Veraͤnderungen, d. i. je naͤher die Pole ſind.</p> <p>Es ſcheint alſo gewiß zu ſeyn, daß das Innere der Erde eine beſtimmte den aͤußern Abwechſelungen nicht unterworfene Waͤrme habe. Dies iſt auch ſehr natuͤrlich, da die einzelnen aͤußern Einwirkungen zu ſchwach ſind, um das Ganze zu durchdringen. Ob aber dieſe Waͤrme, wie <hi rendition="#b">Mairan</hi> will, in groͤßern Tiefen immer zunehme, und alſo von einer dem Mittel der Erde eignen groͤßern Hitze herruͤhre, iſt unentſchieden, da unſere Beobachtungen noch viel zu wenig ins Innere der Erde gedrungen ſind. Mairan beruft ſich zwar auf Erfahrungen, aber man kan ihm andere entgegenſtellen. <hi rendition="#b">Bergmann</hi> fuͤhrt an, daß im Schachte in Fahlun das Waſſer, aus einer Tiefe von 360<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [485/0499]
ſie in der Breite von Paris 393 mal groͤßer ſey, als die Waͤrme, welche die Sonne daſelbſt am kuͤrzeſten Tage hervorbringt. Er leitet die Verſchiedenheit der Klimate zum Theil davon her, daß die Erde anfangs fluͤßig geweſen und erſt durch die Sonnenwaͤrme auf der Oberflaͤche gehaͤrtet worden ſey. Dies ſey wegen der Ungleichheit der Sonnenwaͤrme auf eine ſehr ungleiche Art geſchehen, und daher die Ausbreitung der eingeſchloßen Waͤrme durch die Verhaͤrtung der Rinde in der heiſſen Zone weit ſtaͤrker, als gegen die Pole zu, verhindert worden, daher die Grundwaͤrme um den Aequator am ſtaͤrkſten ſey.
So hypothetiſch auch der letzte Theil dieſer Erklaͤrung iſt, ſo beruhen doch die Gruͤnde, aus welchen Mairan uͤberhaupt eine Grundwaͤrme annimmt, auf unbezweifleten Thatſachen. Je tiefer man in die Erde hinabkoͤmmt, deſto mehr hoͤren die Veraͤnderungen der Waͤrme und Kaͤlte auf, und die Temperatur naͤhert ſich einer gewiſſen das ganze Jahr durch unveraͤndert bleibenden Grenze. In den tiefen Kellern unter der pariſer Sternwarte haͤlt ſich das reaumuͤriſche Thermometer unveraͤndert auf 10 Grad uͤber dem Eispunkte. Waͤre irgend ein Ort auf der Erde, wo die Temperatur das ganze Jahr durch einerley bliebe, ſo muͤſte dieſe Grenze daſelbſt die Oberflaͤche der Erde treffen; ſie muß auch unter uͤbrigens gleichen Umſtaͤnden deſto tiefer liegen, je groͤßer die jaͤhrlichen Veraͤnderungen, d. i. je naͤher die Pole ſind.
Es ſcheint alſo gewiß zu ſeyn, daß das Innere der Erde eine beſtimmte den aͤußern Abwechſelungen nicht unterworfene Waͤrme habe. Dies iſt auch ſehr natuͤrlich, da die einzelnen aͤußern Einwirkungen zu ſchwach ſind, um das Ganze zu durchdringen. Ob aber dieſe Waͤrme, wie Mairan will, in groͤßern Tiefen immer zunehme, und alſo von einer dem Mittel der Erde eignen groͤßern Hitze herruͤhre, iſt unentſchieden, da unſere Beobachtungen noch viel zu wenig ins Innere der Erde gedrungen ſind. Mairan beruft ſich zwar auf Erfahrungen, aber man kan ihm andere entgegenſtellen. Bergmann fuͤhrt an, daß im Schachte in Fahlun das Waſſer, aus einer Tiefe von 360
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