Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.
Die Durchgänge der Venus durch die Sonnenscheibe sind für die Sternkunde von der äußersten Wichtigkeit, weil sie unter allen astronomischen Beobachtungen die sichersten Mittel an die Hand geben, die Sonnenparallaxe zu bestimmen, und dadurch die wahren Entfernungen der Weltkörper von einander und die Größe des ganzen Sonnensystems zu berechnen. Es vereinigen sich bey diesen Beobachtungen einige Umstände, die ihnen zu dieser Absicht überwiegende Vorzüge vor allen andern Mitteln zu Bestimmung der Parallaxen beylegen. Die Berührung der Ränder der Venus und der Sonne, wobey ein kleiner dunkler Kreis auf einem hellen Grunde steht, läst sich mit einer Genauigkeit wahrnehmen, die in ihrer Art einzig ist, und die Wirkung der Parallaxe auf die an verschiedenen Orten der Erde beobachtete Dauer des Durchgangs ist so groß, daß auch ein geringer Fehler in Abmessung dieser Zeitdauer keinen sehr beträchtlichen Einfluß aufs Ganze haben würde. Wenn die Beobachtungsorte schicklich gewählt werden, so kan die Dauer des Durchgangs für den einen Ort von der für den andern um 23 1/2 Min. verschieden seyn, wobey ein Beobachtungsfehler von 3 Secunden Zeit immer nur (1/470) des Ganzen betragen, mithin auch die daraus geschlossene Parallaxe nur etwa um (1/470) ihrer ganzen Größe unrichtig angeben könnte. Halley (Phil. Trans. 1677.) hat auf diese Vortheile zuerst aufmerksam gemacht, und bedauret, daß es ihm nicht vergönnt sey, eine solche Begebenheit zu erleben. Man kan also leicht denken, mit welchem Verlangen die Astronomen die Jahre 1761 und 1769 erwarteten. Auch haben uns ihre Bemühungen und die wirksamen Unterstützungen der Regenten und Akademien, besonders im Jahre 1769, Resultate verschaft, mit denen wir in Rücksicht auf die Entfernungen und Größen der Weltkörper sehr zufrieden seyn können. Die Londner königliche Societät ließ im Jahre 1769 in der Hudsonsbay und auf der Insel Taiti in der Südsee, der französische Hof durch den Abt
Die Durchgaͤnge der Venus durch die Sonnenſcheibe ſind fuͤr die Sternkunde von der aͤußerſten Wichtigkeit, weil ſie unter allen aſtronomiſchen Beobachtungen die ſicherſten Mittel an die Hand geben, die Sonnenparallaxe zu beſtimmen, und dadurch die wahren Entfernungen der Weltkoͤrper von einander und die Groͤße des ganzen Sonnenſyſtems zu berechnen. Es vereinigen ſich bey dieſen Beobachtungen einige Umſtaͤnde, die ihnen zu dieſer Abſicht uͤberwiegende Vorzuͤge vor allen andern Mitteln zu Beſtimmung der Parallaxen beylegen. Die Beruͤhrung der Raͤnder der Venus und der Sonne, wobey ein kleiner dunkler Kreis auf einem hellen Grunde ſteht, laͤſt ſich mit einer Genauigkeit wahrnehmen, die in ihrer Art einzig iſt, und die Wirkung der Parallaxe auf die an verſchiedenen Orten der Erde beobachtete Dauer des Durchgangs iſt ſo groß, daß auch ein geringer Fehler in Abmeſſung dieſer Zeitdauer keinen ſehr betraͤchtlichen Einfluß aufs Ganze haben wuͤrde. Wenn die Beobachtungsorte ſchicklich gewaͤhlt werden, ſo kan die Dauer des Durchgangs fuͤr den einen Ort von der fuͤr den andern um 23 1/2 Min. verſchieden ſeyn, wobey ein Beobachtungsfehler von 3 Secunden Zeit immer nur (1/470) des Ganzen betragen, mithin auch die daraus geſchloſſene Parallaxe nur etwa um (1/470) ihrer ganzen Groͤße unrichtig angeben koͤnnte. Halley (Phil. Trans. 1677.) hat auf dieſe Vortheile zuerſt aufmerkſam gemacht, und bedauret, daß es ihm nicht vergoͤnnt ſey, eine ſolche Begebenheit zu erleben. Man kan alſo leicht denken, mit welchem Verlangen die Aſtronomen die Jahre 1761 und 1769 erwarteten. Auch haben uns ihre Bemuͤhungen und die wirkſamen Unterſtuͤtzungen der Regenten und Akademien, beſonders im Jahre 1769, Reſultate verſchaft, mit denen wir in Ruͤckſicht auf die Entfernungen und Groͤßen der Weltkoͤrper ſehr zufrieden ſeyn koͤnnen. Die Londner koͤnigliche Societaͤt ließ im Jahre 1769 in der Hudſonsbay und auf der Inſel Taiti in der Suͤdſee, der franzoͤſiſche Hof durch den Abt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0652" xml:id="P.1.638" n="638"/><lb/> ſind nun erſt in den Jahren 1874 und 1882 zu erwarten.</p> <p>Die Durchgaͤnge der <hi rendition="#b">Venus</hi> durch die Sonnenſcheibe ſind fuͤr die Sternkunde von der aͤußerſten Wichtigkeit, weil ſie unter allen aſtronomiſchen Beobachtungen die ſicherſten Mittel an die Hand geben, die <hi rendition="#b">Sonnenparallaxe</hi> zu beſtimmen, und dadurch die wahren Entfernungen der Weltkoͤrper von einander und die Groͤße des ganzen Sonnenſyſtems zu berechnen. Es vereinigen ſich bey dieſen Beobachtungen einige Umſtaͤnde, die ihnen zu dieſer Abſicht uͤberwiegende Vorzuͤge vor allen andern Mitteln zu Beſtimmung der Parallaxen beylegen. Die Beruͤhrung der Raͤnder der Venus und der Sonne, wobey ein kleiner dunkler Kreis auf einem hellen Grunde ſteht, laͤſt ſich mit einer Genauigkeit wahrnehmen, die in ihrer Art einzig iſt, und die Wirkung der Parallaxe auf die an verſchiedenen Orten der Erde beobachtete Dauer des Durchgangs iſt ſo groß, daß auch ein geringer Fehler in Abmeſſung dieſer Zeitdauer keinen ſehr betraͤchtlichen Einfluß aufs Ganze haben wuͤrde. Wenn die Beobachtungsorte ſchicklich gewaͤhlt werden, ſo kan die Dauer des Durchgangs fuͤr den einen Ort von der fuͤr den andern um 23 1/2 Min. verſchieden ſeyn, wobey ein Beobachtungsfehler von 3 Secunden Zeit immer nur (1/470) des Ganzen betragen, mithin auch die daraus geſchloſſene Parallaxe nur etwa um (1/470) ihrer ganzen Groͤße unrichtig angeben koͤnnte. <hi rendition="#b">Halley</hi> <hi rendition="#aq">(Phil. Trans. 1677.)</hi> hat auf dieſe Vortheile zuerſt aufmerkſam gemacht, und bedauret, daß es ihm nicht vergoͤnnt ſey, eine ſolche Begebenheit zu erleben.</p> <p>Man kan alſo leicht denken, mit welchem Verlangen die Aſtronomen die Jahre 1761 und 1769 erwarteten. Auch haben uns ihre Bemuͤhungen und die wirkſamen Unterſtuͤtzungen der Regenten und Akademien, beſonders im Jahre 1769, Reſultate verſchaft, mit denen wir in Ruͤckſicht auf die Entfernungen und Groͤßen der Weltkoͤrper ſehr zufrieden ſeyn koͤnnen. Die Londner koͤnigliche Societaͤt ließ im Jahre 1769 in der Hudſonsbay und auf der Inſel Taiti in der Suͤdſee, der franzoͤſiſche Hof durch den Abt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [638/0652]
ſind nun erſt in den Jahren 1874 und 1882 zu erwarten.
Die Durchgaͤnge der Venus durch die Sonnenſcheibe ſind fuͤr die Sternkunde von der aͤußerſten Wichtigkeit, weil ſie unter allen aſtronomiſchen Beobachtungen die ſicherſten Mittel an die Hand geben, die Sonnenparallaxe zu beſtimmen, und dadurch die wahren Entfernungen der Weltkoͤrper von einander und die Groͤße des ganzen Sonnenſyſtems zu berechnen. Es vereinigen ſich bey dieſen Beobachtungen einige Umſtaͤnde, die ihnen zu dieſer Abſicht uͤberwiegende Vorzuͤge vor allen andern Mitteln zu Beſtimmung der Parallaxen beylegen. Die Beruͤhrung der Raͤnder der Venus und der Sonne, wobey ein kleiner dunkler Kreis auf einem hellen Grunde ſteht, laͤſt ſich mit einer Genauigkeit wahrnehmen, die in ihrer Art einzig iſt, und die Wirkung der Parallaxe auf die an verſchiedenen Orten der Erde beobachtete Dauer des Durchgangs iſt ſo groß, daß auch ein geringer Fehler in Abmeſſung dieſer Zeitdauer keinen ſehr betraͤchtlichen Einfluß aufs Ganze haben wuͤrde. Wenn die Beobachtungsorte ſchicklich gewaͤhlt werden, ſo kan die Dauer des Durchgangs fuͤr den einen Ort von der fuͤr den andern um 23 1/2 Min. verſchieden ſeyn, wobey ein Beobachtungsfehler von 3 Secunden Zeit immer nur (1/470) des Ganzen betragen, mithin auch die daraus geſchloſſene Parallaxe nur etwa um (1/470) ihrer ganzen Groͤße unrichtig angeben koͤnnte. Halley (Phil. Trans. 1677.) hat auf dieſe Vortheile zuerſt aufmerkſam gemacht, und bedauret, daß es ihm nicht vergoͤnnt ſey, eine ſolche Begebenheit zu erleben.
Man kan alſo leicht denken, mit welchem Verlangen die Aſtronomen die Jahre 1761 und 1769 erwarteten. Auch haben uns ihre Bemuͤhungen und die wirkſamen Unterſtuͤtzungen der Regenten und Akademien, beſonders im Jahre 1769, Reſultate verſchaft, mit denen wir in Ruͤckſicht auf die Entfernungen und Groͤßen der Weltkoͤrper ſehr zufrieden ſeyn koͤnnen. Die Londner koͤnigliche Societaͤt ließ im Jahre 1769 in der Hudſonsbay und auf der Inſel Taiti in der Suͤdſee, der franzoͤſiſche Hof durch den Abt
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